Nach der Pokalpleite steht die Zukunft des MTV-Kaders in den Sternen. Foto: Baumann

Nach dem verlorenen Pokalfinale hinterfragt Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart die Besetzung des Kaders.

Stuttgart - Es ist ein Phänomen des Sports, dass Triumph und Tragödie nahe beieinander liegen. Dass ein Schuss, Schlag oder Schiedsrichterpfiff darüber entscheiden kann, ob eine Strategie aufgeht oder von vornherein falsch war. Fünf Matchbälle hatten die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart im Pokalfinale gegen den Dresdner SC, genutzt haben sie keinen. Weshalb nun niemand darüber spricht, dass der eine Titel, den es für eine erfolgreiche Saison braucht, geholt wurde. Stattdessen wird in Stuttgart die Frage gestellt, ob diese Mannschaft eine Zukunft hat. Die Antwort? Ist offen. Was auch mit dem Auftritt des Gegners zu tun hat.

In der entscheidenden Phase des Endspiels standen beim Dresdner SC sechs deutsche Spielerinnen auf dem Feld, darunter neben Lena Stigrot (25) und Libera Lenka Dürr (29) die Nachwuchskräfte Sarah Straube (17), Monique Strubbe (18) und Emma Cyris (18) sowie Camilla Weitzel (19), die Mittelblockerin des Nationalteams. Das hat auch die Sportchefin von Allianz MTV Stuttgart beeindruckt. „Wir haben gesehen, wie junge, unbefangene Talente, die ohne Druck befreit aufspielen, mehr bringen als etablierte Profis“, sagte Kim Renkema, deren Team an diesem Dienstag (19 Uhr) im letzten Vorrundenspiel der Champions League auf Khimik Yuzhny trifft. „Wir müssen nun sicherlich intensiv darüber nachdenken, wie das passieren konnte.“

Mangel an Technik und Kreativität

Einen Teil der Antwort lieferte Alexander Waibl, der Coach des Pokalsiegers. Die Aufstellung, die er am Ende gewählt hatte, war ein Stück weit aus personeller Not geboren. Und doch wohlüberlegt. „Es geht in einem Volleyball-Team immer auch um das Zusammenleben der Spielerinnen, es muss auf dem Feld passen“, sagte Waibl, „nur dann kann man gemeinsam kämpfen und alles aus sich herausholen.“ Nun konnte niemand den Stuttgarterinnen vorwerfen, nicht gekämpft zu haben. Und doch hat der Favorit nicht alles aus sich herausgeholt, als es darauf ankam.

Den Zuspielerinnen Cansu Aydinogullari und Ainise Havili mangelte es an Technik und Kreativität, Mittelblockerin Martina Samadan an Timing und Durchschlagskraft, den Außenangreiferinnen Celine van Gestel und Alexandra Lazic, die seit November durchspielen müssen, an Substanz. Blieben als positive Faktoren die gewohnt starke Libera Roosa Koskelo und die überragende Krystal Rivers (35 Punkte). Allerdings ging der Alleinunterhalterin, die gerade erst aus einer vierwöchigen Verletzungspause zurückgekehrt war, am Ende die Kraft aus. Weshalb in dieser Phase umso deutlicher wurde, was dem MTV fehlt: ein Kopf. Eine Kapitänin, die den Ton angibt. Eine Führungskraft. Das sieht auch die Kaderplanerin so.

Erneuter Umbruch

Nach der Meisterschaft 2019 hat bei Allianz MTV Stuttgart ein großer Umbruch stattgefunden, neun Spielerinnen gingen. Der aktuelle Kader ist individuell eher (noch) besser besetzt, und trotzdem könnte es am Ende dieser Saison schon wieder einen Umbruch geben. „Es wird Zeit, dass wir neue Identifikationsfiguren aufbauen“, sagte Kim Renkema, „wir brauchen wieder deutsche Gesichter, die lange in Stuttgart bleiben. Es ist schwer, bei Einkäufen im Ausland Spielerinnen zu finden, die eine Bindung zum Verein aufbauen.“

Krystal Rivers könnte eine solche Spielerin sein, doch lässt sie aktuell offen, ob sie ihren Vertrag erfüllt oder im Sommer die Ausstiegsklausel zieht. Auch Zuspielerin Pia Kästner hat das Potenzial, zum Gesicht des Teams zu werden, allerdings ist fraglich, wann sie ihre Verschleißerkrankung an der Wirbelsäule überstanden haben wird. Weshalb es eine Überraschung wäre, wenn Renkema und Trainer Giannis Athanasopoulos nicht längst mit der Suche nach neuen Führungskräften begonnen hätten. Offiziell sagte die Sportchefin am Tag nach dem Pokalfinale: „Wir müssen nun schauen, was wir machen. Aber es kann schon sein, dass es wieder einen Umbruch gibt. Im Volleyball ist das nicht unüblich.“ Erst recht nach einer Saison, in der ein Titel leichtfertig verspielt wurde.