Die Volkszählung von 2011 hat ein juristisches Nachspiel. Foto: dpa

Die Volkszählung 2011 wird ein Nachspiel haben, denn zahlreiche Gemeinden wollen klagen. Doch sie stehen vor einem Problem.

Die Volkszählung 2011 wird ein Nachspiel haben, denn zahlreiche Gemeinden wollen klagen. Doch sie stehen vor einem Problem.

Stuttgart - Baden-Württembergs Kommunen fürchten, dass sie mit ihren Klagen gegen die Volkszählungsergebnisse vor Gericht scheitern, weil die Statistikbehörden wichtige Beweise bereits gelöscht haben. „Die personenbezogenen Daten müssen so lange aufbewahrt werden, bis die Ergebnisse des Zensus Rechtskraft haben“, fordert deshalb Norbert Brugger vom Städtetag Baden-Württemberg.

Gegen die Erhebung der Einwohnerzahlen haben im Lauf des Jahres mehr als 300 Gemeinden im Land Widerspruch eingelegt, da sie gravierende Fehler vermuten. Sie sehen darin die Ursache für das eklatante Missverhältnis zwischen angenommener und ermittelter Zahl ihrer Bürger.

So muss etwa Mannheim einen Rückgang von 7,5 Prozent verkraften, was die Stadt landesweit von Platz zwei auf Platz drei in der Größenliste zurückwirft. Der Einkommensverlust durch die Folgen der Volkszählung summiert sich bis zum Jahr 2021 auf rund 230 Millionen Euro.

Der Haupteinwand der baden-württembergischen Kommunen richtet sich gegen die statistische Methode, mit der die Einwohnerzahlen im Jahr 2011 ermittelt wurden. Der Zensus war nämlich keine klassische Volkszählung, sondern eine Art Hochrechnung: Zugrunde lagen verschiedene Listen und Register, die dann mit Hilfe von Stichproben korrigiert wurden.

Dabei wandten die Statistiker bei kleineren Kommunen ein anderes Verfahren an als bei den größeren mit mehr als 10 000 Einwohnern. Diese unterschiedlichen Methoden führten zu unterschiedlichen Tendenzen, wie wissenschaftliche Gutachten mittlerweile ergaben: Kleinere Gemeinden haben demnach deutlich geringere Verluste als größere.

Zahlreiche Kommunen in ganz Deutschland halten das für verfassungsrechtlich fragwürdig und wollen rechtlich dagegen vorgehen. Am weitesten vorangekommen ist dabei die Stadt Burg in Sachsen-Anhalt . Sie hat Ende Oktober vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg Klage eingereicht – und sich dabei wesentlich auf die Argumente aus Baden-Württemberg gestützt. „Wir liefern für die meisten Kommunen in Deutschland die Grundlage“, sagt Brugger.

Keine Alternative zur Datenvernichtung

Auch die Stadt Burg moniert, dass relevante Daten, aus denen sich Beweise ableiten lassen, bereits gelöscht wurden. Das sind vor allem die ausgefüllten Erhebungsbögen. „Die Vernichtung dieser Unterlagen hat zur Folge, dass die von dem Beklagten im angefochtenen Bescheid angeführten Zahlenwerte nicht mehr gerichtlich überprüft werden können“, heißt es in der Klageschrift der Kommune.

Die Kommunen sehen sich dadurch in ihrem Grundrecht auf einen effektiven Rechtsschutz verletzt. Bereits Anfang Oktober hat deswegen der Deutsche Städte- und Gemeindebund an den Präsidenten des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler, geschrieben und einen Stopp dieser Löschaktion gefordert.

Es sei schließlich absehbar, dass um den Zensus „bis zur letzten Instanz gefochten wird“. Noch sei aber gar nicht absehbar, welche Daten dafür überhaupt entscheidungsrelevant seien.

Der Statistik-Chef jedoch sieht zu der Datenvernichtung keine Alternative. Paragraf 19 des Zensusgesetzes bestimme nämlich ausdrücklich, dass alle „Hilfsmerkmale – das sind etwa persönliche Angaben wie Namen und Adresse – zu löschen seien, sobald sie nicht mehr benötigt werden“, antwortet Egeler dem Städte- und Gemeindebund. Vier Jahre seien die maximale Speicherfrist. Darüber hinaus dürften die sensiblen Daten nicht aufbewahrt werden – auch dann nicht, wenn noch einzelne verwaltungsgerichtliche Verfahren anhängig seien, klärt der Chef-Statistiker die Kommunen auf.

Für Egeler geht der Datenschutz also vor – doch das sieht die Gegenseite keineswegs ein. Die Pflicht zur Löschung von Unterlagen bestehe selbstverständlich nicht, wenn sonstige Rechtsverhältnisse und Verfassungsgrundsätze tangiert seien, sagen die Juristen der Kommunen.

Dabei wird noch einige Zeit ins Land gehe, ehe die Kommunen ihre Klage überhaupt einreichen. Denn zunächst warten sie auf die Antwort des Statistischen Landesamts auf ihren Widerspruch – das ist eine rechtliche Vorstufe. Erst gegen den endgültigen „Einwohnerfeststellungsbescheid“ der Statistikbehörde können sie dann vor den Verwaltungsgerichten klagen.

Gut möglich, dass diese die Sache sofort zur Prüfung zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe weiterleiten, denn die Gemeinden sehen verfassungsrechtliche Grundsatzfragen tangiert. Wie lange es dauert, bis die Einwohnerzahlen aller Kommunen rechtskräftig feststehen, wagt im Moment noch niemand zu sagen.