Die Berliner lieben ihren Flughafen Tegel. Das hat sich die FDP zunutze gemacht. Foto: dpa

Können die Berliner wirklich über Tegel entscheiden? Klingt nur so. Der Volksentscheid ist ein Mittel für die Bürger. Die Parteien sollten es nicht missbrauchen, meint unsere Kolumnistin Katja Bauer.

Berlin - Es ist eine recht dreiste politische Unredlichkeit zu behaupten, die Berliner könnten am Sonntag darüber abstimmen, ob der alte Flughafen Tegel schließen soll oder nicht. Das beginnt schon mit dem Text der Abstimmung. Man kann einen Volksentscheid so formulieren, dass er Gesetzeskraft erlangt. Aber die Initiatoren des Entscheids haben darauf bewusst verzichtet. Abgestimmt wird eine Art Wünsch-dir-was, mehr nicht. Zudem gehört der Flughafen nicht Berlin alleine, sondern auch Brandenburg und dem Bund. Beide sind für die Schließung. Selbst wenn alle Eigentümer einig wären, gälte zunächst die Rechtsprechung in höchster Instanz: Die Schließung, sobald der BER eröffnet, ist Rechtslage.

Und genau über diese Schließung hat sich eigentlich vor gut einem Jahr kaum jemand aufgeregt. Erst recht gab es keine Graswurzelbewegung, die sich für Tegel starkgemacht hätte. Erstaunlich ist, dass sich die Faktenlage nicht verändert hat, wohl aber die Stimmung: Die Umfragen sehen eine Mehrheit gegen die Schließung, was für den Senat eine Klatsche bedeuten würde. Spricht nun also endlich das Volk? Eine interessante Gegenfrage wäre: Interessiert das die Macher des Volksentscheids überhaupt?

Ein Volksbegehren ist Bürgersache

Was diese Abstimmung jetzt schon zeigt, ist eine empfindliche Schwachstelle plebiszitärer Elemente in der parlamentarischen Demokratie: Betrachtet man ein Volksbegehren als wichtige Möglichkeit der Bürger, ihren politischen Willen jenseits des Parlaments durchzusetzen, dann wird dieses Instrument gerade missbraucht.

Denn das Volksbegehren wurde nicht von Bürgern, sondern im Grunde von einer Partei initiiert. Die FDP, die in der letzten Runde nicht im Abgeordnetenhaus saß, suchte ein Thema mit Emotionsfaktor, um gesehen zu werden und ins Parlament zu hüpfen. Offiziell firmierte die Initiative zwar nicht unter dem Label der Liberalen – aber Adresse und Personen waren identisch und der Wahlkampf baute auf dem Volksentscheid auf. Der Plan ging auf: Die sogenannten Tegelretter sitzen nun im Parlament. Inzwischen hat auch die oppositionelle CDU – über Jahre für die Schließung von Tegel – eine Kehrtwende vollzogen.

Es ist verführerisch, sich als Partei eines Mittels zu bedienen, das den Bürgern gehört: So kann man den Eindruck erwecken, näher am Volk zu sein als die Mitbewerber, und auf der Welle reiten, einzelne Sachfragen isoliert zu betrachten und nicht im großen Ganzen einer Legislaturperiode oder eines Haushalts, in dem das eine gegen das andere abgewogen werden muss. Vor der FDP haben diese populistische Möglichkeit schon andere genutzt.

Wer im Parlament sitzt, sollte dort streiten

Der Job der Opposition im Parlament aber ist es, genau dort mit Argumenten um die Sache und um Mehrheiten zu streiten und die Gesetze, die diese Legislative macht, dann auch zu akzeptieren. Wenn Kräfte aus dem Parlament sich gleichzeitig als außerparlamentarische Opposition gebärden, weil es im Parlament nicht nach ihrer Nase geht, und dann auch noch so tun, als seien sie die Hüterin des wahren Volkswillens, dann nehmen die mindestens billigend in Kauf, dem Parlament und seiner Funktion als Volksvertretung Schaden zuzufügen. Die Halbwertszeit politischer Beschlüsse wird kürzer, die Verdrossenheit der Bürger wird das nicht lindern. Mit Einsicht ist bei den Berliner Liberalen nicht zu rechnen. Im Gegenteil. Sie drohen schon mit einem Volksbegehren für eine Neuwahl.