Ein Plakat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gegen „Masseneinwanderung“. Foto: dpa

Die Schweizer wollen die Zuwanderung drosseln – das könnte auch viele Pendler aus dem Südwesten treffen, die im Nachbarland arbeiten. Doch das Landesarbeitsministerium gewinnt der Entscheidung auch positive Seiten ab – etwa bei der Suche nach Fachkräften.

Bern/Stuttgart - Die Schweiz will sich künftig stärker gegen Zuwanderer aus der Europäischen Union abschotten. In einer Volksabstimmung unterstützten am Sonntag 50,3 Prozent eine Initiative der national-konservativen Schweizer Volkspartei (SVP) „gegen Masseneinwanderung“. Die Wahlbeteiligung war mit 56 Prozent sehr hoch.

„Das ist kein guter Tag für die Niederlassungsfreiheit in Europa“, sagt der baden-württembergische Europaabgeordnete Michael Theurer (FDP), unserer Zeitung: Es sei den Initiatoren gelungen, die Schweizer Gesellschaft zu spalten. Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels schneide sich die Schweiz aber ins eigene Fleisch.

Dass sich die Schweiz mehr abschotte als sich zu öffnen, sei gerade aus Sicht Baden-Württembergs zu bedauern, so Theurer. Die meisten der rund 56 000 deutschen Pendler kommen aus den angrenzenden Landkreisen im Südwesten. Darunter sind nach Angaben des schweizerischen Bundesamtes für Statistik vor allem der Kreis Lörrach mit rund 20 300 Pendlern, der Kreis Waldshut mit rund 13 800 Pendlern und der Kreis Konstanz mit rund 8900 Pendlern. Zudem sind im Jahr 2012 rund 6600 Baden-Württemberger in die Schweiz eingewandert, aus ganz Deutschland kamen rund 20 800 Menschen. Insgesamt leben 300 000 Deutsche dort.

„Aus unserer Sicht bringt der Vorstoß Nachteile für alle Beteiligten“, sagt auch der Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben, Peter Jany. Ein Erfolg der Initiative brächte ausgehandelte bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU ins Wanken. „Das ist nicht im Interesse der Wirtschaft – weder der deutschen noch der schweizerischen.“

Die Schweiz muss nun innerhalb von drei Jahren das Anliegen aus dem Volkentscheid umsetzen. Als assoziierter EU-Partner würde die Exportnation Schweiz damit gegen das Recht der Personenfreizügigkeit verstoßen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte schon im Dezember erklärt, dass die EU eine Aufhebung der Freizügigkeitsregeln nicht einfach hinnehmen werde. Er wies daraufhin, dass die EU der Schweizer Wirtschaft einen privilegierten Zugang zu einem Binnenmarkt von 500 Millionen Konsumenten gewähre.

Ein Sprecher des Arbeitsministeriums in Stuttgart sagte, man müsse nun abwarten, welche konkreten Konsequenzen die Abstimmung habe. „Da ist vieles offen gelassen worden.“ Auf den Südwesten könne sich das Ergebnis langfristig sogar positiv auswirken: „Arbeitskräfte, die bisher in der Schweiz waren, stellen sich vielleicht wieder dem deutschen Markt zur Verfügung. Die Schweiz schneidet sich da möglicherweise ins eigene Fleisch.“

Baden-Württembergs Europaminister Peter Friedrich (SPD) reagierte enttäuscht auf das Ergebnis. „Das ist kein schönes Signal aus der Schweiz“, sagte er. Er habe nicht mit diesem Ausgang gerechnet. „Ich hatte gehofft, dass sich die Mehrheit dagegen entscheidet. Trotzdem müssen wir einen kühlen Kopf bewahren.“ Die Schweizer Regierung müsse nun erst einmal mit der EU verhandeln. Derzeitige Pendler seien nicht unmittelbar betroffen, da sich die Entscheidung auf die Zukunft beziehe.

Migration und Zuwanderung lösten aber immer auch Ängste aus, sagte Friedrich. „Das kann man manchmal auch bei uns beobachten“, so der Europaminister. „Ich habe den Eindruck, oft werden Zuwanderer für den ohnehin stattfindenden Kulturwandel in der Gesellschaft verantwortlich gemacht.“

Volksinitiativen gehörten in der Schweiz außerdem zum politischen Leben. „Das respektiere ich und hoffe gleichzeitig, dass sich eine Mehrheit der Schweizer für eine Offenheit zu Europa ausspricht“, sagte Friedrich. „Die Wirtschaft der Schweiz ist auf einen offenen Arbeitsmarkt angewiesen.“