Volksbank-Chef Hans Zeisl: „Es wird im Augenblick sehr viel miteinander geredet.“ Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Gerade erst hat die Volksbank Stuttgart ihre Fusionspläne beerdigt, jetzt leitet sie den Generationswechsel an der Spitze ein. Im Interview sagt Volksbank-Chef Hans Zeisl, was das Besondere an der Berufung seines Nachfolgers ist.

Stuttgart - Im Interview spricht Volksbank-Chef Hans Zeisl über die Gründe für das Platzen der Fusionspläne mit dem Geldhaus aus Göppingen. Durch die Digitalisierung sieht der Vorstandsvorsitzende große Veränderungen auf die Institute, deren Mitarbeiter und deren Kunden zukommen.

Herr Zeisl, Sie überraschen mit der frühen Festlegung Ihrer Nachfolge. Fürchten Sie nicht, an Einfluss zu verlieren?
Ich bin doch noch eine Weile da. Keine Sorge, ich habe nicht vor, eine lame duck zu sein. Man wird mich hier bis zum letzten Tag in der Bank spüren.
Die Ankündigung überrascht. Gerade eben haben Sie die Fusion mit der Göppinger Volksbank abgeblasen, jetzt zaubern Sie einen Nachfolger aus dem Hut.
Es ging darum, gemeinsam mit dem Aufsichtsrat eine gute Lösung für die Zukunft zu finden. Ich bin sehr zufrieden. Stefan Zeidler kenne ich schon sehr lange. Er ist ein exzellenter Fachmann, versteht das Genossenschaftswesen und kommt aus der Region. Als DZ-Bank-Vorstand erfüllt er alle Voraussetzungen, um ein Haus wie das unsere mit einer Bilanzsumme von sieben Milliarden Euro zu führen. Das Besondere an seiner Berufung ist: Zum ersten Mal wechselt ein Vorstand einer Zentralbank an die Spitze einer Volksbank. Bisher war das nur umgekehrt der Fall. Das zeigt: Der genossenschaftliche Verbund lebt.
Ihr Vertrag läuft noch bis Ende Juni 2021. Wann planen Sie in den Ruhestand zu wechseln?
Das ist noch zeitlich unbestimmt. Mein Nachfolger kommt im Oktober nächsten Jahres zunächst als stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Ich werde zusammen mit ihm den Übergang in der Geschäftsleitung gestalten, bevor er dann zu gegebener Zeit den Vorstandsvorsitz übernimmt.
Diese Position ist dann bei künftigen Fusionen besetzt.
Das stimmt. Aber Sie müssen auch, um ein größeres Haus führen zu können, die entsprechenden Qualifikationen nachweisen, sonst genehmigt die Aufsicht die Berufung nicht. Hier sind die Verbände und die genossenschaftlichen Akademien gefordert, für geeigneten Nachwuchs zu sorgen. Denn daran führt kein Weg vorbei: Die Volksbanken werden größer werden.
Wird es weitere Veränderungen im Vorstand geben?
Die Konstellation in unserem dreiköpfigen Vorstand ist so, dass wir 57, 61 und 63 Jahre alt sind. Deshalb wollen wir die Weichen frühzeitig stellen, um den Generationswechsel in der Führung mit der notwendigen Weitsicht einzuleiten. Ich bin da sehr zuversichtlich, denn wir haben guten Nachwuchs im Haus, nicht zuletzt durch die beiden ehemaligen Vorstände der mit uns fusionierten Kerner Volksbank.
Sie haben viel Herzblut in die geplante Fusion mit Göppingen gesteckt und stehen am Jahresende mit leeren Händen da. Ist 2017 so gesehen ein verlorenes Jahr?
Absolut nicht. Wir fusionieren bekanntlich auch gerade mit der Raiffeisenbank Urbach. Das ist zwar ein kleines Institut, aber wichtig für die Weiterentwicklung der genossenschaftlichen Bankengruppe im Rems-Murr-Kreis. Und die Volksbank Stuttgart hat sich 2017 nicht so schlecht entwickelt – schwäbisch ausgedrückt. Wir werden unsere Ziele bei der Ausweitung von Beständen, Krediten und Einlagen erreichen. Auch wirtschaftlich wird es ein ganz gutes Jahr werden.
Als Sie im Sommer die Fusionsgespräche mit Göppingen öffentlich machten, schien es, als seien die Stolpersteine aus dem Weg geräumt. Was kam, was Sie nicht erwartet haben?
Wir haben in den Sondierungsgesprächen gesehen, dass die beiden Banken sehr gut zusammen passen und sich sehr gut ergänzen würden. Aber der Teufel steckt im Detail. Und im Laufe der Verhandlungen hat sich gezeigt, dass wir unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, wie wir uns weiter entwickeln wollen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Wir haben Stillschweigen vereinbart.
Das Fusionsvorhaben bekam mächtig Gegenwind zu spüren auf Göppinger Seite. Haben Sie das unterschätzt?
Überhaupt nicht. Ich habe bisher acht Fusionen mitgemacht und es gab noch nie eine Fusion, bei der Mitglieder und Kunden der zu übernehmenden Bank sofort alle ‚hurra’ gerufen haben. Wenn wir uns einig geworden wären, hätten wir alle überzeugen können.
Beide Institute haben vereinbart, künftig enger zusammen zu arbeiten? Sagt man das so oder ist etwas konkret in Aussicht?
Wir sind im Guten auseinander gegangen und freuen uns, wenn wir uns sehen. Wir wollen tatsächlich intensiver zusammenarbeiten, zum Beispiel im Kreditgeschäft. Größere Kreditengagements können wir in Zukunft gemeinsam besser darstellen.
Die Vereinigte Volksbank Sindelfingen und die Volksbank Reutlingen haben auch Fusionsabsichten. Würden die nicht zu Ihnen passen?
Natürlich würden die auch zu uns passen, aber jede Volksbank hat eigene Vorstellungen und Möglichkeiten. Die beiden Häuser haben sich für diesen Weg entschieden. Das akzeptieren wir und wünschen ihnen viel Glück.
Gab es auch Gespräche mit diesen beiden Instituten?
Es wird im Augenblick sehr viel miteinander geredet – weil die Bankvorstände erkennen, dass die Zeiten sich verändern und wir uns gemeinsam besser in dem Umfeld von Niedrigzinsen, Regulierungskosten und Digitalisierung behaupten können.
Auch ohne Fusion wird nicht alles beim Alten bleiben. Was wird sich ändern müssen?
Die Digitalisierung wirkt sich sowohl auf die Vertriebswege als auch auf die Prozesse der Bank aus. Wir überprüfen weiter unser Filialnetz und konzentrieren uns auf die Bereiche, wo unsere Kunden Beratung und Betreuung benötigen. Reine Servicetätigkeiten werden durch die Technik immer mehr wegfallen. Hier rate ich den Mitarbeitern, sich für die Beratung weiterzuqualifizieren. Wir bauen aktuell am Neckarpark ein Dienstleistungszentrum, in dem künftig bis zu 700 Menschen arbeiten werden. Dort ziehen wir alle Bereiche ohne direkten Kundenkontakt zusammen, die bisher dezentral verstreut sind. Und hier wird auch der künftige Sitz des Vorstands sein.
Durch die Digitalisierung fallen Aufgaben und damit Stellen weg.
Wir sind in der glücklichen Lage, diesen Prozess mit ruhiger Hand angehen zu können. Durch die natürliche Fluktuation können wir deutlich Stellen abbauen. Gerade haben wir für 102 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Altersteilzeitregelungen angeboten, 79 haben diese bereits angenommen. Unser Stellenabbau erfolgt gesteuert über Jahre, nicht von heute auf morgen. Der Mensch wird aber auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Bankgeschäfte sind Vertrauenssache und Vertrauen kann keine Maschine aufbauen. Deshalb bekennen wir uns mehr denn je zu Regionalität und Kundennähe.
2018 bringt Veränderungen bei Wertpapiergeschäften: Telefongespräche müssen aufgezeichnet werden, die Kosten werden noch genauer aufgelistet und die Bürokratie wird zunehmen. Was kommt auf die Bank zu?
Der Aufwand für uns als Bank ist immens. Wir sind mit Nachdruck dabei, die Dinge so einzurichten, wie sie künftig verlangt werden. Das bindet viele Kräfte im Haus.
Wird dadurch die Beratung besser?
Nein. Ich bin zwar absolut für Verbraucherschutz, aber zum Teil werden die Dinge übertrieben. Ich bin beispielsweise davon überzeugt, dass ein Großteil der Unterlagen, die Wertpapierkunden zwingend erhalten müssen, von den Kunden ungelesen abgelegt werden. Der Kunde wird dadurch nicht aufgeklärter.