Der 41-Jährige erschoss seinen sechsjährigen Sohn am Tag seiner Einschulung. Foto: dpa

Ein Mann tötet drei Menschen, darunter seinen eigenen Sohn am Tag der Einschulung. Welche Strafe ist dafür angemessen? Das Gericht geht in seinem Urteil so weit wie nach deutschem Recht möglich

Rottweil - Damit Du leidest.“ Schon seiner ersten Frau hat Drazen D. damit gedroht, die gemeinsamen Kinder zu töten, um sie zu quälen, wie sich im Prozess gegen ihn herausstellt. Bei seiner zweiten Partnerin - und der zweiten gescheiterten Beziehung - setzte er seinen grauenvollen Plan in die Tat um: Für den Mord an seinem sechsjährigen Sohn am Tag seiner Einschulung und zwei weiteren Menschen in Villingendorf bei Rottweil ist Drazen D. zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Das Landgericht Rottweil stellte am Dienstag zudem die besondere Schwere der Schuld fest, womit der Kroate nicht nach 15 Jahren vorzeitig auf freien Fuß kommen kann. Er nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an. (Az.: 1 Ks 10 Js 10802/17)

Nach langem Schweigen gab der 41-Jährige im Prozess die Taten zu. Neben seinem Sohn erschoss er den neuen Verlobten seiner Ex-Partnerin sowie dessen Cousine. Der Junge war am Morgen eingeschult worden. Das Gericht ist überzeugt, dass er die heute 32 Jahre alte Mutter seines Sohnes bewusst laufen ließ. Sein Plan: Sie soll den Rest ihres Lebens am Verlust leiden.

Drei Schüsse auf den Sohn

Weinend verfolgt die Frau am Dienstag die Urteilsverkündung. Drazen D. bleibt weitgehend regungslos. Sein „Es tut mir leid“ im letzten Wort mit dem Zusatz „für die Familien“ spiegele wider, sagt Richter Karlheinz Münzer, was Drazen D. wohl tatsächlich über die Tat denke.

Am 14. September 2017 wird Dario eingeschult. Einen Gottesdienst gibt es, auch die erste Schulstunde. Der Junge ist glücklich. Seiner Mutter sagt er, dass er sogar schon erste Freunde gefunden habe. Am Abend kommen spontan noch Bekannte mit Kindern zum Essen vorbei. Um 21.30 Uhr ist der Junge noch immer so aufgeregt, dass er noch nicht ins Bett mag. Da erscheint plötzlich sein Vater auf der Terrasse. Mit durchgeladenem Gewehr. Laut Gericht schießt er sofort auf den neuen Verlobten von Darios Mutter, dann auf dessen Cousine. Er geht ins Haus, schießt dreimal auf seinen Sohn Dario. Aus nächster Nähe.

Wieder draußen schießt er noch einmal auf den am Boden liegenden Verlobten seiner Ex-Partnerin. „Um ganz sicher zu gehen“, sagt Richter Münzer. Der 41-Jährige nimmt sich eine Zigarette vom Tisch, zündet sie an und geht davon - als ob nichts passiert wäre, wie er später vor Gericht sagt. Nach fünftägiger Flucht wird er gefasst. Darios Mutter ist mit auf der Terrasse, sieht den Mord durchs Fenster. „Es war sekundenschnell“, erinnert sich die 32-Jährige später vor Gericht. „Lauf, lauf, Polizei“, habe ihr sterbender Verlobter gerufen.

„Einen Drazen D. verlässt man nicht“

Dass der Täter seine Ex-Partnerin geplant und gezielt laufen ließ - davon ist das Gericht am Ende des seit Mitte Mai laufenden Prozesses überzeugt. Es sei dem 41-Jährigen in erster Linie darum gegangen, seiner Ex-Partnerin „größtmögliches Leid zuzufügen“. Richter Münzer erinnert auch an Aussagen der ersten Frau des Angeklagten. Als die Ehe zerbrach, habe er schon ihr damit gedroht, die Kinder umzubringen, damit sie ihr Leben lang leide. „Einen Drazen D. verlässt man nicht“, sagt Münzer.

Mit einem Schlag habe Drazen D. drei Familien zerstört, betont der Leitende Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich in seinem Plädoyer. Der Verlobte von Darios Mutter hinterlässt eine Ex-Frau mit drei Kindern, die Cousine einen Mann mit zwei kleinen Kindern. Dieser verließ den Gerichtssaal nach seiner Vernehmung mit einem durchdringenden Schrei, an den Richter Münzer am Dienstag erinnert. Die zur Tatzeit keine drei Jahre alte Tochter des Mannes war am 14. September 2017 auch zu Besuch am Tatort: Das Mädchen versteckte sich nach den ersten Schüssen im Badezimmer, bis die Polizei es fand.