An der hochfrequentierten Straße fällt der Blick häufig auf die leer stehende, schmucke Villa, die wegen ihrer ersten Besitzerin auch Villa Schmückle genannt wird. Foto: Ines Rudel

Im Jahr 1897 wurde eine imposante Villa an der Berliner Straße 17 in Esslingen erbaut. Das denkmalgeschützte, sanierungsbedürftige Gebäude steht seit einigen Jahren komplett leer. Die Stadt würde es gerne verkaufen.

Esslingen - Renovierungsbedürftige, denkmalgeschützte Villa im Jugendstil mit großem Grundstück in zentraler Lage in Esslingen zu verkaufen – so könnte sich eine Annonce für eines der auffälligsten Gebäude in Esslingen tatsächlich in Kürze lesen. Für genau so ein Objekt sucht die Stadt Esslingen einen Käufer – doch bislang habe das Land Baden-Württemberg Vorrang, so Monika Fleischer vom Eigenbetrieb der Stadt Esslingen, Städtische Gebäude Esslingen (SGE). Ein Gutachterausschuss prüfe derzeit, wie hoch die Sanierungskosten für das Haus wären. Danach liege die Entscheidung beim Land Baden-Württemberg. Die Stadt habe kein Interesse, die Villa in ihrem Besitz zu halten oder das Gebäude wieder bewohnbar zu machen. „Eine Sanierung wird sicher einen Millionenbetrag kosten, zudem ist sie abhängig von der künftigen Nutzung, daher haben wir bislang von der Wiederherstellung des Gebäudes abgesehen.“

Die Villa zeugt vom Glanz vergangener Zeiten

Die Villa an der heutigen Berliner Straße (früher Friedrichstraße)/Ecke Martinstraße wurde 1897 im Auftrag der wohlhabenden Witwe Rosa Schmückle in Esslingen erbaut. Der bekannte Architekt Hermann Falch ist für zahlreiche heute unter Denkmalschutz stehende Gebäude in der Stadt verantwortlich, auch für die Villa Schmückle, wie das Haus genannt wird.

Heute zeugt das herrschaftliche Gebäude mit vielen Details vom Glanz längst vergangener Zeiten. Im Inneren beeindruckt ein edel in Weiß gehaltenes Treppenhaus mit Terrazzoböden und aufwendigem Geländer, bunte Bleiglasfenster lassen Sonnenstrahlen durch die hohen stuckverzierten Räume tanzen und eine Wand mit einem blau-grünen, deckenhohen Mosaik lässt vermuten, dass hier einst sehr gut situierte Esslinger residieren. Von außen fällt die Architektur mit Türmchen, Erkern, Außenbalkon und Bögen sowie das Esslinger Stadtwappen im Giebel auf.

„Rosa Schmückle war die Frau eines bekannten Hotelbetreibers. Sie lebte zeitweise mit der Familie in Italien. Nach dem Tod ihres Mannes ließ sie die Villa erbauen und zog zurück nach Esslingen. Bekannt ist einer ihrer Söhne, Georg Schmückle. Er machte Karriere als ekelhafter Nationalsozialist. Er dürfte in seinen Jugendjahren in der Villa gelebt haben, gestorben ist er jedoch in Stötten“, erzählt Stadtarchivar Joachim Halbekann.

Seit 1974 ist das Haus im Besitz der Stadt Esslingen. Diese hat es laut einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 1977 damals „im Hinblick auf eine bevorstehende Verbreiterung der Berliner Straße im Zuge des weiteren Ringstraßenausbaus erworben.“ Damals sorgte eine mögliche Versetzung des Hauses für den Straßenausbau für Unstimmigkeiten. Ob die Villa tatsächlich einmal versetzt wurde, davon weiß man weder bei der SGE noch beim Stadtarchiv Genaueres.

Großer Wasserschaden im Jahr 2017

In den vergangenen Jahren hätte das Gebäude durch die räumliche Nähe zum alten Zentralen Omnibusbahnhof in Esslingen vermarktet werden sollen. „Es grenzt an die Fläche des alten ZOB an, durch den Verkauf des Geländes an die Firma Dietz und die Weitergabe an die LBBW lagen die weiteren Bemühungen um Vorhaben mit der Villa in letzter Zeit etwas auf Eis“, sagt Roland Karpentier, der Sprecher der Stadt Esslingen auf Anfrage zu dem Gebäude.

Bis 2014 war die Villa 40 Jahre lang an die historische Bürgergarde Esslingen vermietet. Auch eine psychologische Beratungsstelle hatte hier einige Jahre ihre Räumlichkeiten. Seitdem steht die Villa bis auf eine temporäre Kleiderkammer im Jahr 2015 und eine kurze Kunstausstellung, die im Jahr 2016 einzog, leer. Beim Tag des offenen Denkmals konnten Besucher bereits einen Blick in die leere Villa werfen. Ein großer Wasserschaden im Winter 2017 machte auch das nicht mehr möglich und die Villa endgültig unbewohnbar.

„Die Substanz ist gesichert. Nun wird eine Grundsanierung nötig sein“, so Fleischer. „Ich bin mir sicher, dass es eine Lösung für dieses Gebäude geben wird. Wenn das Land ein klares Nein zum Erwerb der Villa signalisiert, steht einem Verkauf an Privatpersonen nichts im Weg.“ In wenigen Wochen soll das Gutachten zur Villa Schmückle vorliegen. Dann entscheidet sich, wie es mit dem Gebäude weitergeht.

Seit 1974 im Besitz der Stadt

Architekt
Herrmann Falch hat die Villa Schmückle im Jahr 1897 gebaut. Weitere markante Gebäude des Esslinger Architekten sind etwa das Verwaltungsgebäude der Neckarwerke Esslingen in der Ritterstraße 7, der Gebäudekomplex in der Kollwitzstraße 1, wo das heutige Dick-Areal untergebracht ist, das Fabrikgebäude für Boley & Leinen in Esslingen in der Schelztorstraße 19 sowie zahlreiche Wohnhäuser wie etwa das markante Gebäude auf der Inneren Brücke 26.

Nutzung
Anfangs wurde das Gebäude als Wohnhaus genutzt. Seit 1974 gehört es der Stadt Esslingen, die es an den Verein historische Bürgergarde Esslingen vermietet hatte. Seit 2014 herrscht Leerstand. Wenn das Gebäude etwa für eine Behörde nutzbar gemacht werden sollte, müssten umfangreiche Maßnahmen etwa in Sachen Brandschutz und Barrierefreiheit an der Villa vorgenommen werden. Eine große Freifläche hinter dem Haus gehört ebenfalls zu dem Grundstück.