Ein Porträt für die Freiheit: Eugen-Bolz-Porträt an der Fassade seines früheren Wohnhauses am Killesberg Foto: KB44

Mit einer Aufsehen erregenden Aktion erinnern die jungen Bewohner der Villa Bolz auf dem Killesberg an den Nazi- Widerstandskämpfer Eugen Bolz und an sein Wohnhaus: Ein riesiges Bolz-Porträt ziert seit Samstagnacht die Hausfassade.

Stuttgart - Lebendige Erinnerung – wie geht das? Ein Beispiel ist seit dem Wochenende in Stuttgart zu besichtigen: Bewohner der Villa Bolz Am Kriegsbergturm 44 haben in der Nacht zu Allerheiligen ein etwa sechs Meter hohes Porträt des früheren württembergischen Staatspräsidenten auf die Fassade von dessen früherem Wohnhaus gesprayt. Das schwarz-weiß Bildnis ist weithin sichtbar. Die in dem Verein „Kollektiv 44 zusammengeschlossenen jungen Leute wollen mit ihrer Aktion an den lange wenig beachteten und bekannten Freiheitskämpfer erinnern. Der Zeitpunkt für die Aktion ist bewusst gewählt: „An Allerheiligen wird der Toten gedacht“, erklärt die Wohngemeinschaft. Für Eugen Bolz, der 1945 von dem Nazis ermordet wurde, läuft seit Mai ein Seligsprechungsverfahren im Vatikan.

„In Stuttgart soll jetzt keiner mehr an Bolz vorbeisehen können“, sagt einer der Bewohner zu der Aktion. Bolz hatte von 1932 bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo 1944 in dem Haus gelebt. Die Idee zu der Fassadenkunst stammt von dem angehenden Grafikdesigner Tom Stehr und Paul Frenzel vom Kollektiv 44. Ihr Bolz-Porträt soll die Freiheit symbolisieren.

Nach langer öffentlicher Diskussion hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) jüngst entschieden, dass die Landesregierung die Villa Bolz nicht erwerben wird. Namhafte Persönlichkeiten hatten sich zuvor für die Einrichtung einer Bolz-Gedenkstätte in dem 1906 erbauten Gebäude ausgesprochen. Ersatzweise will die Landesregierung den Neubau des Staatsministeriums bei der Villa Reitzenstein nach Eugen Bolz benennen.

Die historische Villa Bolz ist im Besitz eines Stuttgarter Wohnungsbauunternehmens, das dieser Stelle Eigentumswohnungen errichten will. Für die Zeit bis zum Abriss hat das Unternehmen das Haus an die jungen Leute vermietet und zur freien Nutzung überlassen. Sie haben dies nach eigener Auskunft als Chance für eine alternative Wohngemeinschaft begriffen, die sich an Begriffen wie Respekt, Offenheit und Ehrlichkeit orientiert. Ihr Engagement brachte auch die öffentliche Diskussion über Eugen Bolz in Gang. Ende November müssen die Bewohner ausziehen. Ihr kreatives Wohnprojekt, für das sie viel Zuspruch erfahren haben, wollen sie gerne an anderer Stelle fortsetzen. Derzeit sind sie auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten.