Der Skispringer Peter Prevc gilt als äußerst schweigsam – und ist einer der Topfavoriten für den Tourneesieg Foto:  

Peter Prevc dominiert derzeit das Skispringen. Bei der 64. Vierschanzentournee macht den Slowenen diese Tatsache zum großen Favoriten – was der Konkurrenz um Severin Freund gelegen kommt.

Oberstdorf - Im Grunde ist das Spielchen ziemlich durchschaubar. Peter Prevc ist der große Favorit auf den Gesamtsieg der 64. Vierschanzentournee, die an diesem Dienstag (17.15 Uhr/ARD und Eurosport) mit dem Springen in Oberstdorf startet – und die Konkurrenten des Slowenen versuchten, diese Tatsache schon vor dem ersten Wertungssprung zu ihren Gunsten auszunutzen.

Der Österreicher Michael Hayböck zum Beispiel sinnierte über Weisheiten aus der Medienwelt. „Da heißt es immer: Favoriten gewinnen nix.“ Werner Schuster, Bundestrainer des deutschen Teams, meinte: „Die Situation ist nicht einfach. Wenn er nicht Gesamtsieger wird, muss er sich fragen lassen, warum es nicht geklappt hat.“ Und Severin Freund ergänzte: „Viele erwarten, dass er mit großem Vorsprung gewinnt. Aber so einfach ist es nicht.“ Oder doch?

Zuletzt jedenfalls machte Peter Prevc durchaus den Eindruck, als gäbe es nichts Einfacheres, als absprungstark, stilistisch sicher und ziemlich weit ins Tal zu fliegen. Drei Weltcups in Folge gewann der 23-jährige Slowene vor der Tournee – und wer ihn in Oberstdorf sieht, kann vieles sehen in seinem Gesicht, Nervosität ist nicht dabei. Zwar weiß er ganz genau: „Eine Menge Leute sehen mich als großen Favoriten.“ Angst macht ihm das aber keine. Die Lust auf den ersten großen Erfolg scheint viel zu groß.

Die Erfolgsgeschichte des jungen Mannes aus Kranj ist bereits reich an Kapiteln. Silber und Bronze bei Olympia 2014 und der WM 2013, neun Weltcup-Siege, zweimal Zweiter im Gesamtweltcup – aber eben auch dies: Zum ganz großen Glück fehlten immer wieder Kleinigkeiten. Doch Prevc, das bestätigen Konkurrenten, zieht aus den knappen Niederlagen noch Motivation. Ein Beispiel nennt Werner Schuster. Beim Weltcup in Nischni Tagil habe er Prevc zu Platz zwei gratuliert und gelobt: „Good jumping.“ Gut gesprungen. Dessen Antwort: „Not good enough.“ Nicht gut genug. Am nächsten Tag gewann er. Das noch größere Beispiel ist die Geschichte des Gesamtweltcups 2014/15.

Peter Prevc lässt Taten sprechen

Peter Prevc hatte mit dem letzten Sprung der Saison die Chance, an Severin Freund vorbeizuziehen. Das misslang, die Rivalen waren punktgleich (1729 zu 1729), Freund siegte, weil er mehr Einzelspringen gewonnen hatte – und Prevc? „Er ist cool geblieben“, erinnert sich der Österreicher Stefan Kraft, „vielleicht hat er sich gedacht: Die Chance kommt wieder, und dann schlage ich zu. Das war beeindruckend.“ Werner Schuster hat im Sommer und zu Saisonbeginn dann festgestellt: „Er hat die Ärmel hochgekrempelt und seine Bemühungen noch mal gesteigert.“ Peter Prevc meinte nur: „Ich habe ein paar Dinge in der Vorbereitung umgestellt: ein bisschen mehr Springen, ein bisschen weniger Krafttraining.“

Das macht ihn nun zum dominierenden Mann im Weltcup, zum Tournee-Favoriten – und es scheint, als könne nur einer es dauerhaft mit ihm aufnehmen: eben Severin Freund. Gegen die Behauptung, die Vierschanzentournee werde zu einem reinen Zweikampf, wehren sich aber beide – wohl, weil die Geschichte dieses Wettbewerbs zeigt, dass Überraschungssiege keine Seltenheit sind. Das Problem für Severin Freund dabei: Womöglich kommt dann noch ein Prevc ins Spiel.

Beim bislang vorletzten Weltcup in Engelberg nämlich siegte Peter Prevc vor seinem erst 16-jährigen Bruder Domien, dem Experten sogar noch größere Fähigkeiten zusprechen. „Das ist fliegerisch wahrscheinlich das Beste, was es jemals gab“, schwärmte Schuster, „das ist Prevc 2.0.“ Also eine Art Weiterentwicklung von Peter, der über seinen Bruder sagt: „Es heißt ja, dass ich ungemein aggressiv abspringe. Aber Domien ist noch aggressiver.“ Und weil es noch einen dritten im Bunde gibt, den 19-jährigen Cene, meinte Severin Freund kürzlich: „Bleibt zu hoffen, dass es bis zu einem Dreifachsieg der Prevc-Brüder noch dauert.“

Bei der Tournee sind nur Peter und Domien am Start, Cene konzentriert sich derzeit auf sein Studium, weshalb es wohl dem Ältesten vorbehalten sein wird, um den Gesamtsieg zu kämpfen – und das Image vom geheimnisvollen Star zu pflegen. Als besonders redselig ist der Slowene bisher jedenfalls noch nicht aufgefallen. „Er ist kein Mann der großen Worte“, sagt Michael Hayböck, „wenn du ihn ansprichst, antwortet er, aber von sich aus sagt er kein Wort.“

Peter Prevc lässt lieber Taten sprechen. Gerne auch als Favorit – und den Spielchen der Konkurrenz zum Trotz.