In der Kita Berghasen in der Hasenbergstraße hat der Kinderschutzbund im vergangenen Jahr weitere Plätze für die Kleinsten geschaffen, auch hier ist die Warteliste lang. Foto: Peter-Michael Petsch

Obwohl rund 132 Millionen Euro investiert wurden, haben 4900 Kleinkinder keinen Betreuungsplatz. Für 64 Prozent der Null- bis Dreijährigen besteht Bedarf – der auch im Jahr 2013 nicht zu decken sein wird.

Stuttgart - Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle nahm dem Fachausschuss des Gemeinderats jede Illusion: „Der Rechtsanspruch, der von August 2013 an gilt, ist für Stuttgart nicht zu erfüllen. Die Quote für den Versorgungsgrad von Kleinkindern bis zum Alter von drei Jahren ist zwar auf lediglich 35 Prozent festgelegt, das Platzangebot soll sich jedoch am Bedarf orientieren. „Der liegt bei uns laut Wartelistenabgleich zum 1. August 2013 bei 64 Prozent von rund 16.000 Kleinkindern“, sagt Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer. „Das kriegen wir nicht hin“, gibt Pfeifle zu.

Rund 132 Millionen Euro waren in den vergangenen vier Jahren im Haushalt bereitgestellt für Investitionen im Kinderbetreuungsbereich, 72 Millionen Euro für dauerhaft anfallende Betriebskosten. Damit wurden die Kleinkindplätze auf 5367 ausgebaut, für Drei- bis Sechsjährige stehen nun 16 285 zur Verfügung, Hortplätze stagnierten, weil wegen des Ausbaus der Schülerhäuser an Ganztagsschulen keine neuen geschaffen wurden.

Wenn alle Vorhaben, die der Gemeinderat beschlossen hat, bis Ende 2013 umgesetzt sind, kann sich der Versorgungsgrad für die Kleinkinder von derzeit 33,3 Prozent auf 46,7 Prozent verbessern. Zurzeit stehen 4900 auf der Warteliste, Ende 2013 werden es trotz aller Investitionen noch 3500 Kinder sein, und für die Jahre 2014/15 rechnet die Stadt immer noch mit 2700 Kleinkindern auf der Warteliste. Bei den Drei- bis Sechsjährigen kann der Versorgungsgrad von 104 auf 108 und, 2014/15, auf 112 Prozent verbessert werden.

Bis Ende 2013 werden rund 570 zusätzliche Kleinkindplätze geschaffen

Insgesamt sechs Millionen Euro Investitionskosten und rund sieben Millionen Euro dauerhafte Betriebskosten sind nicht verbraucht worden, weil sich einige Ausbauprojekte verzögern. Deshalb hat die Sozialverwaltung dem Jugendhilfeausschuss am Montag vorgeschlagen, mehrere andere Projekte vorzuziehen. Das Gremium genehmigte die Vorschläge einstimmig. Durch diese Vorhaben werden bis Ende 2013 rund 570 zusätzliche Kleinkindplätze geschaffen, die Versorgungsquote verbessert sich somit auf 45 Prozent.

„Der Kita-Ausbau wird ein Mammutprojekt bleiben“, resümiert Thekla Walker von der Fraktion der Grünen. Mehr Klarheit fordert sie jedoch beim Platzausbau in Horten: „Diese Zahlen sollten sie auch aufführen, auch wenn sie nicht mehr in ihren Zuständigkeitsbereich fallen“, schlug sie vor. Seit die Betreuungsplätze von den Horten weg und hinein in die Ganztagsschule verlegt werden, ist dafür die Schulverwaltung, nicht mehr das Jugendamt, zuständig.

Iris Ripsam (CDU) stieß ins gleich Horn: Wesentlicher Baustein der Betreuung ist und bleibt der Hort“, sagte sie, und forderte für den nächsten Sachstandsbericht ebenfalls Zahlen über den Ist-Stand der Hortplätze und der Plätze in Schülerhäusern ein. Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle sagte dies zu, „sobald der Umbau fortgeschritten ist“.

Die Verwaltung solle prüfen, ob eine Großstadtzulage von 100 Euro pro Monat und ein höheres Berufseinstiegsgehalt Erfolg versprächen

Interesse haben die Stadträte aller Fraktionen auch an der Stellenentwicklung, die mit dem Platzausbau Schritt halten muss. „Der Fachkräftemangel ist ein ernst zu nehmendes Problem, wir brauchen für die Erzieherinnen finanzielle Anreize“, sagte Andreas Reißig (SPD). Die Verwaltung solle prüfen, ob eine Großstadtzulage von 100 Euro pro Monat und ein höheres Berufseinstiegsgehalt Erfolg versprächen. Isabel Fezer sagte zu, „eine höhere Vergütung für Erzieherinnen für die nächsten Haushaltsplanberatungen“ vorzuschlagen, „und ich bin für jede Unterstützung aus ihren Reihen dankbar.“ Von einer Großstadtzulage verspricht sie sich keinen Erfolg: „Wir haben viele Erzieherinnen, die aus der Region stammen und dann keinen Anspruch auf die Zulage hätten.“

Selbst wenn es plötzlich Erzieherinnen regnen würde – Stuttgart wird Klagen auf Grundlage des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz bekommen, ist Bruno Pfeifle überzeugt. Das Gremium machte mehrere Vorschläge: So könnten laut Iris Ripsam geteilte Plätze eine Entspannung bringen, eine bessere Zusammenarbeit mit den Akteuren in den Stadtbezirken (Reißig) mehr räumliche Alternativen erschließen.

ei Drei- bis Sechsjährigen steigt die Nachfrage nach Ganztagsplätzen

„Wir gehen bei Kleinkindern immer davon aus, dass die Familien einen Ganztagsplatz suchen. Dies entspricht nicht unseren Erfahrungen“, gab Jörg Schule-Gronemeyer vom evangelischen Träger zu bedenken. Eltern von unter Einjährigen suchten oft nur für einzelne Tage oder wenige Stunden eine Betreuung, während für über Dreijährige mehrheitlich eine Ganztagsbetreuung oder eine in den Nachmittag hinein verlängerte Betreuung gesucht werde. Es sollte den Trägern daher möglich sein, die zeitlichen Wünsche der Eltern abzufragen und auf kurzem Weg die Betreuungszeiten in den Einrichtungen dem Bedarf anzupassen.

Die Ergebnisse des Wartelistenabgleichs entsprechen übrigens den Beobachtungen des kirchlichen Trägers: Bei Drei- bis Sechsjährigen steigt die Nachfrage nach Ganztagsplätzen, der Versorgungsgrad von 47 Prozent sei „bei weitem nicht ausreichend“.