Das Potenzmittel für den Mann wurde 1998 von der Firma Pfizer eingeführt. Nun genehmigte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die lustbringende Pille für die Frau. Foto: dpa

Nach dem dritten Anlauf lässt die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA den Verkauf der „lustbringenden“ Pille für die Frau zu. Obwohl der Wirkstoff umstritten ist, gibt es schon Angebote im Internet. Sechs Fragen und Antworten zum Frauen-Viagra Flibanserin.

Stuttgart - Blau für den Mann – pink für die Frau. Ab Oktober können Frauen in den USA, die unter „Hypoactive Sexual Desire Disorder (HSDD)“ leiden, die Pille kaufen, die ihnen bei vermindertem sexuellen Verlangen helfen soll. Pharmaziedirektor Dr. Michael Schmidt ist Leiter des Referats für ärztliche und pharmazeutische Angelegenheiten des Regierungspräsidiums Tübingen - mit seiner Hilfe beantworten wir die wichtigsten Fragen rund ums "Viagra für die Frau":

Wer steckt hinter der Entwicklung der Frauen-Viagra?

Unter dem Namen „Addyi“ dürfen die pinkfarbene Viagra-Pillen für die Frau ab Oktober 2015 in den USA verkauft werden. Das von der Firma Sprout Pharmaceuticals entwickelte Medikament erhielt die Zulassung von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration). Die ursprüngliche Entwicklungsarbeit geht auf eine deutsche Firma zurück: Bis 2010 forschte das Pharma-Unternehmen Boehringer Ingelheim an dem Wirkstoff, gab ihn dann aber an Sprout Pharmaceuticals zur Weiterentwicklung ab.

Für das Zulassungsverfahren benötigte Sprout Pharmaceuticals seit 2012 drei Anläufe. Erst am 18. August 2015 gab die FDA ihre endgültige Zustimmung zum Verkauf des Medikaments. Amerikanische Ärzte dürfen das Rezept aber erst nach Aufklärung über die Nebenwirkungen von Addyi und das Ausfüllen eines Onlinezertifikats ausstellen.

Welchen Wirkstoff enthält das „Viagra“ für Frau?  

Der Wirkstoff Flibanserin wurde ursprünglich als Antidepressivum erforscht und sollte das Hormon Serotonin reduzieren, das lusthemmend wirkt. Gleichzeitig fördert das Medikament die Produktion von Glücks- und anregenden Hormonen wie Dopamin und Noradrenalin, die auch die sexuelle Lust steigern können.  

Was ist der Unterschied zwischen der luststeigernden Pille für die Frau und dem Viagra für Männer?

„Die beiden Medikamente werden oft vermischt, haben aber in der Wirkungsweise nichts miteinander zu tun“, erklärt Michael Schmidt. Während das Männer-Potenzmittel die Durchblutung in den Genitalien fördert und vor dem Sexualverkehr eingenommen wird, um eine Erektion zu erreichen, soll „Addyi“ im Gehirn der Frau lustfördernde, hormonelle Effekte anstoßen. Das pinke Medikament muss täglich eingenommen werden und nicht „bei Bedarf“, wie bei der Pille für den Mann.  

Was sind die Nebenwirkungen der luststeigernden Pille für die Frau?

Bei der Einnahme von "Addyi" können Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schläfrigkeit und Schwindelgefühl auftreten. Das Medikament soll nicht gleichzeitig mit Alkohol oder Drogen eingenommen werden. Auch Michael Schmidt vermutet, dass die Einwirkung auf den Hormonhaushalt im Gehirn sich unter bestimmten Bedingungen negativ auswirken kann: „Wenn jemand bereits psychische Probleme hat, dann kann diese Pille kritische Folgen haben“. Allerdings weiß er, dass betroffene Patientinnen risikofreudig sind. Bei „Addyi“ handele es sich nicht um ein gesundheitserhaltenden Medikament, sondern um ein Lifestyle-Produkt. „Diese Produkte genießen in den USA ein hohes Ansehen. Da sind die Menschen eher bereit, gesundheitliche Nachteile in Kauf zu nehmen“, sagt Schmidt.

Wird „Addyi“ nun auch bald in Deutschland zugelassen?

Für die EU ist zunächst die europäische Zulassungsbehörde zuständig, die European Medicines Agency (EMA). „Das Interesse von Antragstellern aus der Wirtschaft ist nach der Entscheidung in USA sicherlich geweckt“, schätzt Michael Schmidt. Bei den Medikamenten rund um die Lust bestehe ein höheres öffentliches Interesse. Schmidt empfiehlt aber, erst einmal abzuwarten, wie sich die „Lifestyle-Arznei“ in den USA in der nächsten Zeit entwickelt und welche Reaktionen sie auslösen kann.

Der Pharmaziedirektor sieht das Angebot von Sprout Pharmaceuticals kritisch: „Da ist viel Marketingstrategie dabei: Im Umgang mit der Lust werden Hoffnungen geweckt, die nachher oft nicht eingehalten werden können.“ Die Gefahr bestehe, dass im Internet Fälschungen für Hilfe suchende Frauen angeboten werden. Schmidt fürchtet: „Skrupellose Geschäftemachern wittern da finanzielle Erfolge“.  

Wie kommt eine Frau in Deutschland dann zu dem Medikament?

Vor Bestellungen der „lustbringenden Pille“ aus dem Internet warnt Michael Schmidt: „Sicherer für die Gesundheit der Frauen ist die Einzeleinfuhr“, sagt er. Dabei verschreibt der Arzt der Patientin "Addyi". Das Medikament wird dann über eine deutsche Apotheke aus den USA importiert und dort an die Patientin abgegeben. Eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse können die Frauen zunächst nicht erwarten, meint Schmidt: „Schon die Akzeptanz von Ausnahmefällen bei der Erstattung von Viagra für den Mann hat bei den Krankenkassen länger gedauert.“