Verdienter Lohn: Die VfB-Profis feiern mit den Fans das 2:1 gegen den Hamburger SV Foto: Baumann

Der Explosion der Emotionen folgte die nüchterne Analyse. Und die ergibt: Der VfB Stuttgart hat durch das 2:1 gegen den Hamburger SV zwar seine Ausgangslage verbessert, aber noch nichts erreicht. In Paderborn muss der VfB gewinnen, um sicher in der Bundesliga zu bleiben. Und nicht wenige meinen: Das ist auch gut so.

Stuttgart - Wären da nicht gut sichtbar Betonpfeiler und Stahlträger gewesen – man hätte befürchten müssen, die Mercedes-Benz-Arena erhebe sich nun von ihrem angestammten Platz am Cannstatter Wasen und entschwinde in unbekannte Sphären. Dorthin womöglich, wo das Leben ein schönes ist, frei von allen Sorgen.

Der Lärmpegel jedenfalls hätte es ermöglicht, vor allem in jenem Moment, als der Schiedsrichter Manuel Gräfe aus Berlin das Duell zwischen dem VfB Stuttgart und dem Hamburger SV per Pfiff für beendet erklärt hatte. Denn da war klar: Die Kicker in Weiß und Rot sind dem sportlichen Tod noch einmal von der Schippe gesprungen, bleiben einen Spieltag vor Ende der Bundesligasaison im Rennen um den Klassenverbleib und haben ihre Ausgangssituation sogar noch verbessert.

Die brodelnde Arena honorierte diese Erkenntnis und die vorangegangene souveräne Darbietung mit einer Feier, die einem Titelgewinn alle Ehre gemacht hätte. Und Filip Kostic, der bärenstarke Flügelflitzer des VfB, lächelte nach Ehrenrunde und heißer Dusche noch immer beseelt und erklärte: „Everything is perfect here.“

"Schade, dass es nicht zu mehr gereicht hat"

Alles perfekt also – wenn da nicht die Tatsache wäre, dass der VfB durch zwei Heimsiege in Folge zwar massiv an Zuversicht gewonnen hat, aber auch nach wie vor noch alles verlieren kann. Die Konkurrenz jedenfalls tat den Roten an diesem Wochenende nur bedingt den Gefallen, die VfB-Erwartungen zu erfüllen. „Es ist ein bisschen schade, dass es nicht zu mehr gereicht hat“, sagte Kapitän Christian Gentner, nachdem er über die Erfolge von Hannover 96 und des SC Freiburg informiert worden war. Und Abwehrspieler Daniel Schwaab konstatierte: „Man kann sich jetzt auf niemanden mehr verlassen.“ Also ist es besser, man hilft sich selbst. Und diesbezüglich ist der VfB nun entschlossener denn je.

Nur ein Sieg am Samstag (15.30 Uhr/Sky) in Paderborn sichert den Stuttgartern in jedem Fall den direkten Ligaverbleib, bei einer Niederlage sind die Roten abgestiegen, bei einem Unentschieden hängt viel von den anderen Partien ab – weshalb die Ausgangslage klar ist. „Wir müssen gewinnen“, sagte Robin Dutt. Und Torschütze Martin Harnik ergänzte: „Wir haben in Paderborn ein klares Ziel. Wir wollen gewinnen, dann müssen wir nicht auf die anderen Ergebnisse schauen.“ Das ist nicht nur sachlich richtig, sondern womöglich auch gar nicht schlecht.

Timo Baumgartl jedenfalls, der Jungspund aus der VfB-Abwehr, fand sogleich Gefallen an der Konstellation, die in ihrer Deutlichkeit wenig Spielraum lässt: „Wir wussten doch schon vorher, dass wir in Paderborn gewinnen müssen. Es ist gar keine schlechte Ausgangslage, wenn dieser Druck da ist.“ In Sicherheit kann sich ohnehin niemand wiegen.

Dafür sorgten nicht nur die verhunzte bisherige Saison und die ungünstigen Ergebnisse vom Samstag, sondern auch die Roten selbst. Die nämlich hätten nicht nur ihre Ausgangslage (Torverhältnis!) noch weiter verbessern, sondern sich und den Fans auch einen ruhigen Nachmittag bescheren können. Wenn sie nach der 2:1-Führung denn mal ihre Großchancen genutzt hätten. „Wir hätten das Spiel viel früher entscheiden müssen“, sagte Dutt. „Wir hätten vier, fünf Tore schießen können“, ergänzte Stürmer Daniel Ginczek. Und Gentner analysierte: „Die vergebenen Torchancen sind mit ein Grund, warum wir da unten stehen.“ Dennoch macht gerade die Offensive Hoffnung.

„Im Laufe der Rückrunde hatten wir eine starke Entwicklung in der Offensive“, sagt Sportchef Dutt, „das gibt allen Kraft und ein gutes Gefühl.“ Daraus sei zudem eine neue Mentalität entstanden, die am Samstag zu sehen war, als der VfB in Rückstand geriet. „Wir haben uns nicht umwerfen lassen“, sagte Gentner, der auch daraus Kraft für das entscheidende Spiel gegen den Tabellenletzten ziehen möchte. „Wir sind mit Selbstvertrauen ausgestattet“, sagte Dutt. Dass Vorsicht angebracht ist, wissen alle nur zu gut.

Die Paderborner nämlich wissen durchaus um ihre Qualitäten, können nicht nur kämpfen und hatten den FC Schalke am Samstag am Rande einer Niederlage. „Die Chancen stehen fifty-fifty“, sagte Dutt, der auch schon die möglichen Gegner in einem möglichen Relegationsduell beobachten lässt („Das gehört zur Professionalität“). Als Beleg für die Ausgeglichenheit dient das Hinspiel, das in Stuttgart 0:0 endete. Baumgartl allerdings schränkt ein: „Das war eine andere Zeit, da hatten wir unser Offensivspiel noch nicht entdeckt.“

Die einzelnen Profis hatten noch lange nicht ihre aktuelle Form erreicht, und eine harmonierende Mannschaft, wie sie sich derzeit präsentiert, war auch noch nicht gefunden. Zwei Siege in Folge – wie zuletzt im September 2013 – sollen das Selbstvertrauen nun weiter stärken. In einem Spiel, das vor der Saison keiner wollte – über das nun aber jeder froh ist. „Jetzt“, sagte Christian Gentner, „haben wir unser Endspiel.“