Recherchen der Stuttgarter Nachrichten legen offen, dass das Kontrollgremium des Vereins 2010 den Einstieg von Porsche als Hauptsponsor verhinderte, obwohl der Verein in wirtschaftlich schwierigen Zeiten händeringend nach einem Trikotpartner suchte. Porsche war offenbar bereit, acht bis zehn Millionen Euro jährlich zu bezahlen. Foto: StN

Die Diskussion gewinnt immer dann an Fahrt, wenn es dem VfB Stuttgart schlechtgeht. Wie hell strahlt der gute Stern auf allen Straßen über dem Club? Kritiker sagen: Nicht hell genug. Die Führungskrise legt offen: Der Aufsichtsrat macht Politik – nicht immer nur zum Vorteil des Clubs.

Stuttgart - Recherchen der Stuttgarter Nachrichten brachten es an den Tag: Statt der Mercedes-Benz-Bank könnte schon seit drei Jahren das Porsche-Logo auf dem Trikot des VfB Stuttgart prangen. Der Sportwagenbauer war bereit, zwischen acht und zehn Millionen Euro jährlich auf den Tisch zu blättern. Der damalige VfB-Präsident Erwin Staudt wurde aber zurückgepfiffen – vom Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Hundt und von seinem Stellvertreter: Joachim Schmidt, Marketing- und Vertriebsleiter bei Mercedes-Benz.

Die Enthüllung unserer Zeitung sorgte für Aufregung unter den VfB-Fans, im Online-Portal kochten die Emotionen hoch: „Sollte es stimmen, dass Herr Hundt und Herr Schmidt einen lukrativeren Werbevertrag mit Porsche zugunsten von Mercedes abgelehnt haben, dann haben sie eindeutig gegen die Interessen des Vereins gehandelt. Die Konsequenz kann nur sein, dass beide den Verein verlassen müssen“, schreibt „Cheyenne“.

Tatsache ist: Der VfB Stuttgart steckte im Frühjahr 2010 in Schwierigkeiten. Der Energieriese EnBW hatte seinen Ausstieg als Hauptsponsor zum Saisonende angekündigt. Porsche zeigte Interesse und bat den VfB um eine Angebotsmappe. Präsident Erwin Staudt und sein Marketingchef Jochen Röttgermann reagierten wie gewünscht – bis ihnen Hundt und Schmidt die Rote Karte zeigten. Dass ausgerechnet der VW-Konzern mit Porsche dem Platzhirsch Mercedes eine lange Nase drehen könnte, erschien ihnen als grober Tritt vors Schienbein. Das trübte das Verhältnis des Präsidenten zur Spitze des Aufsichtsrats – und könnte in der aktuellen Führungskrise um den scharf kritisierten (Ex)-VfB-Chef Gerd Mäuser eine wichtige Rolle spielen. Es ist unwahrscheinlich, dass Hundt übers Stöckchen springt und Staudt um eine vorübergehende Übernahme des Amts bittet, das er von 2003 bis 2011 innehatte. Der Vorfall trug mit dazu bei, dass Erwin Staudt vom Aufsichtsrat nicht mehr als Präsident vorgeschlagen wurde. Auf ihn folgte im Juli 2011 der von Hundt favorisierte Gerd Mäuser. Was Staudt wenig kratzte. Schon im Februar 2011 hatte ihm Theo Zwanziger bedeutet: „Ich mache Sie zu meinem Nachfolger als DFB-Präsident.“

Namensrechte am Stadion für die nächsten 30 Jahre gesichert

Daraus wurde nichts, weil Zwanziger das interne Spiel der Kräfte an der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise unterschätzt hatte. Staudts Co-Pilot auf der Geisterfahrt durchs stark verminte Land der Autobauer, Jochen Röttgermann, musste kurzzeitig sogar um seine berufliche Zukunft als Geschäftsführer der Marketing GmbH bangen. Weil ihn die roten Manitus angeblich dorthin wünschten, wo der Pfeffer wächst. Staudt stellte sich schützend vor seinen Mitarbeiter. Aber das war noch nicht alles.

Der VfB lief im Frühjahr 2010 ernsthaft Gefahr, ohne Hauptsponsor in die neue Saison ziehen zu müssen. In höchster Not überzeugte der Präsident seinen Freund Eduardo Garcia, selbst Aufsichtsratsmitglied beim VfB. Gazi, Hersteller von Molkerei-Produkten, ging für fünf Millionen Euro per annum steil. Eine Million Euro zusätzlich wurde vereinbart für den Fall, dass die Mannschaft auf der europäischen Bühne spielt. Ein Vertrag mit Porsche hätte allerdings bis zu zehn Millionen Euro in die VfB-Kasse gespült.

Joachim Schmidt verhinderte den Deal mit dem Argument, der große Nachbar habe aus freien Stücken 20 Millionen Euro für den Umbau des Stadions überwiesen. Dem konnte niemand widersprechen. Was aber in den Diskussionen bis heute vornehm verschwiegen wird: Mercedes-Benz sicherte sich im Gegenzug die Namensrechte am Stadion für die nächsten 30 Jahre. So betrachtet ist der Doppelpass mit dem großen Nachbarn per annum insgesamt rund 700.000 Euro wert. Verglichen mit den marktüblichen Konditionen der Liga ein Schnäppchen. Hannover 96 kassiert für die Namensrechte an der AWD-Arena jährlich zwei Millionen Euro, drei Millionen bekommt der HSV für die Imtech-Arena, vier Millionen gibt es für den Signal-Iduna-Park in Dortmund, acht Millionen Euro für die Allianz-Arena der Bayern.

Selbe Konditionen wie Vorgänger

Wahr ist aber auch: Mercedes-Benz war keineswegs verpflichtet, für die Umbenennung des Stadions im Zuge des Umbaus zu bezahlen. Zur Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1993 hatte Daimler rund fünf Millionen Euro für den Bau eines Dachs gespendet. Und sich damit auf Lebenszeit die Namensrechte an der Arena gesichert, die damals noch in städtischem Besitz war. Fortan wurde aus dem Neckar- das Daimlerstadion.

Regelrecht ausgebremst wurde der VfB von Mercedes dagegen im vergangenen Jahr, als sich Gazi als Hauptsponsor zurückzog und die Mercedes-Benz-Bank just zu den Konditionen auf die Brust ging, die der Vorgänger bezahlte. Was kein Wunder ist: Als Aufsichtsratsmitglied hatte Mercedes-Mann Joachim Schmidt Einblick in die Verträge mit Gazi. Wieder musste sich der VfB unter Marktwert verkaufen, wieder landete der große Nachbar einen preisgünstigen Coup. Experten taxieren den Werbewert des VfB-Trikots auf rund acht Millionen Euro.

Joachim Schmidt war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Man bedauere, hieß es, er sei mit den Vorbereitungen für die Jahreshauptversammlung des Konzerns beschäftigt.