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Der Stürmer lehnt Angebot für Vertragsverlängerung ab und soll sich mit Dortmund einig sein.

Stuttgart/Dortmund - Er hatte eine lange Bedenkzeit – jetzt ist klar: Julian Schieber hat sich gegen eine Zukunft beim VfB entschieden. Für Manager Fredi Bobic ist das ein Schock: „Das muss ich erstmal verdauen.“

Jürgen Klopp war schon vor dem Spiel angetan von Julian Schieber. Auffällig oft rühmte er die Qualitäten des VfB-Stürmers, im kleinen wie im großen Kreis. Was Schieber (23) dem Trainer von Borussia Dortmund dann zeigte bei diesem denkwürdigen 4:4 in der Rückrunde, gab Klopp den Rest. Nach dem bärenstarken Auftritt des Angreifers samt zwei Toren im Dortmunder Fußballtempel reifte die Erkenntnis beim Meistertrainer: Diesen Mann will ich haben. Unbedingt. Jetzt, zwei Monate später, steht Klopp kurz vor dem Ziel: Nach Informationen unserer Zeitung sollen sich der deutsche Meister und Schieber einig sein. In diesem Sommer soll der Stürmer zum BVB wechseln. Jetzt müssen sich der VfB und die Dortmunder über eine Ablöse verständigen. Schieber hat einen Vertrag bis 2013 – wenn die Roten noch eine Ablöse kassieren wollen, müssen sie den Stürmer abgeben. Der VfB hat eine Summe von mindestens acht Millionen Euro aufgerufen.

Bobic: Das muss ich erstmal verdauen

Die Enttäuschung bei den Verantwortlichen sitzt jedenfalls tief. „Ich bedaure es sehr, dass Julian gehen will, das muss ich erstmal verdauen“, sagt Fredi Bobic. Bis zuletzt hatte sich der Manager Hoffnung gemacht, dass Schieber das Angebot zur vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2016 annimmt. Der VfB bot Schieber ein Jahresgehalt von rund zwei Millionen Euro. Das Eigengewächs hatte nach Informationen unserer Zeitung mehrere Angebote von anderen Bundesligisten ausgeschlagen.

Der VfB hatte gute Karten. Doch dann kam der Anruf aus Dortmund. Wenig später klingelte das Handy von Bobic – und der Stürmer teilte dem Manager mit, dass er den VfB verlassen wolle. Dabei ist für Bobic längst noch nicht klar, dass Schieber jetzt schon wechselt: „Schauen wir mal, ob wir Julian im Sommer überhaupt verkaufen.“ Der Ablöse-Poker mit dem BVB ist eröffnet.

Bei Schieber hat sich Frust angehäuft

Irgendwie hatte sich bei Schieber zuletzt viel Frust angehäuft. Und wer den Wechselwunsch verstehen will, sollte sich die Geschichte der vergangenen Saison noch mal vor Augen halten. Nach der Rückkehr vom 1. FC Nürnberg im Sommer war für das Eigengewächs vieles nicht rund gelaufen. Schieber hat ein gebrauchtes Jahr hinter sich.

Der Angreifer litt zunächst an einem Muskelbündelriss und fiel ein halbes Jahr lang aus. Danach kam er oft nur sporadisch zum Zug. Als der VfB im Winter Vedad Ibisevic von 1899 Hoffenheim verpflichtete und der fortan als Stoßstürmer ran durfte, war das gewiss kein Vertrauensbeweis für Schieber. Für den jungen Stürmer war auch auf der linken Offensivseite selten Platz – der Japaner Shinji Okazaki hatte da die Nase meist vorn. Nie spürte Schieber das bedingungslose Vertrauen von Trainer Bruno Labbadia. Und als Präsident Gerd Mäuser vor dem Spiel bei Borussia Dortmund auf die Frage, ob man anstelle der Verpflichtung von Ibisevic nicht auch dem Eigengewächs Schieber eine Chance hätte geben können, darauf hinwies, dass man dann sieben Punkte weniger hätte, muss es in dem gebürtigen Backnanger gebrodelt haben. All diese Mosaiksteinchen dürften bei der Entscheidung gegen den VfB eine Rolle gespielt haben.

„Wir haben ihn in Watte gepackt"

Für Fredi Bobic sind diese Argumentationen jedoch zu einfach. Wenn der Präsident Kritik übe, müsse man das als Profi ausblenden können, sagt der Manager: „Das muss ich vergessen, da muss ich dann auf dem Platz Gas geben.“ Und überhaupt – der VfB habe Schieber immer bedingungslos unterstützt: „Der Trainer und ich haben Julian am 2. September 2011, als er wegen seiner Verletzung am Boden war, schon das Angebot zur Vertragsverlängerung gemacht, ihm gesagt, dass wir voll auf ihn setzen“, sagt Bobic. „Wir haben ihn in Watte gepackt. Mehr Vertrauen geht doch nicht. Julian hatte bei uns ein Riesenstanding – er hätte hier einen Super-Weg gemacht.“

Jetzt aber zieht es Schieber zu Borussia Dortmund – und auch da scheint es zumindest fraglich, ob er dauerhaft zum Zug kommen wird. Torjäger Robert Lewandowski ist als Stoßstürmer gesetzt – und auf den Offensivpositionen dahinter tummeln sich mit Mario Götze, Marco Reus, Kevin Großkreutz, Jakub Blaszczykowski und Ivan Perisic Profis mit viel Qualität. Allerdings verlässt Lucas Barrios den BVB in Richtung China – Dortmund braucht Ersatz für den Edeljoker. Klar ist, dass der wuchtige, dynamische Schieber perfekt ins wuchtige, dynamische Spiel des BVB passen könnte. Zudem haben die Dortmunder nächstes Jahr auch in der Champions League Großes vor und brauchen für drei Wettbewerbe entsprechendes Personal. Schieber könnte bald ein Teil davon sein – zum Ärger des VfB.