VfB-Mitglieder stimmen auf der Versammlung 2011 für die Verwendung einer elektronischen Wahlhilfe – ob das Votum für den Präsidentschaftskandidaten in diesem Jahr ähnlich klar ausfällt, ist fraglich Foto: Pressefoto Baumann

Es ist Sommerpause in der Bundesliga, die VfB-Profis weilen noch im Urlaub – in der Führungsebene dagegen herrscht in diesen Tagen Hochbetrieb. Thomas Haas, ehemaliger Bewerber um das Präsidentenamt beim VfB, fordert mehr Demokratie bei der Suche nach dem Clubchef.

Stuttgart - In dreieinhalb Wochen steigt die Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart. Der Aufsichtsrat um den neuen Vorsitzenden Joachim Schmidt fahndet nach dem geeigneten Kandidaten – doch wann eine Entscheidung fällt, was genau gesprochen wird und um wen es sich beim möglichen neuen Chef des sportlichen Aushängeschilds der Region überhaupt handelt, darüber schweigen sich die Strategen des VfB weiter aus. Anfang Juli wolle man den Kandidaten präsentieren, heißt es von Vereinsseite. Und: Man liege voll im Zeitplan.

Im Umfeld des Clubs dagegen wächst die Unruhe. Fans und Mitglieder wollen wissen, wen sie am 22. Juli auf der Versammlung wählen können. Oder sollte man eher sagen: wen sie da vor die Nase gesetzt bekommen?

Auch Thomas Haas (55) verfolgt die Entwicklung bei der Präsidentensuche gespannt – auch er hatte seinen Hut in den Ring geworfen und mit Aufsichtsratschef Joachim Schmidt nach eigenen Angaben ein 18-minütiges Telefonat geführt. Doch schnell war klar, dass Haas bei der Suche, die sich mittlerweile auf zwei Kandidaten aus der Wirtschaft beschränkt, keine Rolle spielt.

Haas als eine Art Demokratie-Missionar

Dennoch präsentierte der Finanzexperte, der seit vielen Jahren VfB-Mitglied und Kunde im Businessbereich der Mercedes-Benz-Arena ist, am Mittwoch seine Gedanken – und prangerte „die Politik der verschlossenen Türen beim VfB“ an. Unter den Voraussetzungen, dass der Aufsichtsrat bei den Gesprächen mit den Präsidentschaftskandidaten keinerlei Transparenz walten lasse, hätte er im Nachhinein ohnehin nicht für das Präsidentenamt zur Verfügung gestanden, behauptete Haas – eine Aussage, die zumindest angezweifelt werden darf. Denn hätte Aufsichtsratsboss Schmidt sich auf Haas festgelegt oder ihn zumindest in die engere Auswahl genommen, hätte er das Amt beim VfB wohl nicht abgelehnt.

Nun gibt sich Haas als eine Art Demokratie-Missionar – und fordert den VfB dazu auf, alte Strukturen aufzubrechen. Beim Prozedere der Präsidentenkür müsse der Aufsichtsrat alle Mitarbeiter des Vereins sowie die Mitglieder und Fans vorab mit ins Boot holen – und eben nicht im stillen Kämmerlein mit den Kandidaten sprechen und dann den Mitgliedern ungefragt einen möglichen neuen Vereinsboss präsentieren.

Transparenz heißt Haas’ Zauberwort – der gebürtige Stuttgarter, der derzeit Geschäftsführer der Johannes Führ Vermögensverwaltung GmbH in Frankfurt ist und jedes VfB-Heimspiel besucht, dürfte mit dieser Forderung bei den Fans offene Türen einrennen.

„Die Vereinskultur der Abschottung ist überholt“

Haas schlägt Podiumsdiskussionen mit Präsidentschaftskandidaten vor, die für VfB-Mitglieder in einem passwortgeschützten Bereich live im Internet übertragen werden. Mitarbeiter und Mitglieder des Vereins sollen bei der Diskussion, die laut Haas in einer Business-Lounge der Arena abgehalten werden könnte, anwesend sein. Am Ende soll es dann eine Abstimmung darüber geben, welcher Kandidat am besten abgeschnitten hat – und der Aufsichtsrat könnte, sagt Haas, dieses Stimmungsbarometer der Basis in seine Entscheidungsfindung einfließen lassen. Und im Idealfall würden die Mitglieder am Ende das Gefühl bekommen, auf der Versammlung einen Präsidenten zu wählen – und nicht vorgesetzt zu bekommen. „Die Vereinskultur der Abschottung ist überholt“, sagt Haas.

Bereits während der VfB-Mitgliederversammlung 2011 beklagte er in einer 15-minütigen und von viel Applaus begleiteten Rede das seiner Meinung nach „geschlossene System“ in der Führungsetage des Vereins. Bis heute habe sich daran nichts geändert, sagt Haas, und das sei schlimm genug. Auf der Mitgliederversammlung am 22. Juli plant der vierfache Familienvater nun „keine Revolution“, wie er sagt: „Jemand, der durch Revolution an die Macht kommt, ist nicht besser als die, die er ablösen will“, sagt Haas. Ob er eine ähnliche Rede halten wird wie vor zwei Jahren, lässt er offen.