Verlässt den VfB-Aufsichstrat nach vier Jahren wieder: Martin Schäfer Foto: Baumann

VfB-Aufsichtsratsmitglied Martin Schäfer durchlebte schwere Zeiten mit seinem Verein – jetzt scheidet er aus dem Gremium aus und zieht Bilanz.

Stuttgart - Er trägt Mitverantwortung für den Abstieg und er hat mit dafür gesorgt, dass der VfB wieder in die Bundesliga zurückkehrte. Jetzt macht Martin Schäfer seinen Platz im Aufsichtsrat frei und rät seinen Nachfolgern auf der Hut zu sein.

Herr Schäfer, nach fast vier Jahren im Aufsichtsrat beim VfB Stuttgart ist für Sie wieder Schluss. Sind Sie erleichtert?
Einerseits ja, anderseits nein. Ich denke einfach, dass es an der Zeit ist, dass neue und frische Köpfe in den Aufsichtsrat der AG einziehen. Ich bin von Kindesbeinen an Fan des VfB Stuttgart, deshalb habe ich vor vier Jahren auch zugesagt, als ich gebeten wurde, für das Gremium zu kandidieren. Wenn man mit dem Herzen dabei ist, leidet man mehr, man freut sich aber auch intensiver.
Viel Grund zur Freude hatten Sie nicht.
Unterm Strich waren diese Jahre tatsächlich häufig spaßbefreit. . .
. . . Trainer kamen und gingen, die Sportvorstände Fredi Bobic und Robin Dutt scheiterten. Nach dem Abstieg ging auch Präsident Bernd Wahler.
Die Probleme waren hausgemacht, der Keim des Niedergangs wurde meiner Meinung nach schon in den Jahren nach der Meisterschaft 2007 gepflanzt. Da geriet die sportliche Entwicklung des Vereins auf allen Ebenen zu sehr aus dem Blickfeld. Aus welchen Gründen auch immer. Aber genau darum geht es bei einem Fußball-Bundesligisten jeden Tag aufs Neue.
Ist es nicht auch die Aufgabe eines Aufsichtsrates, auch auf solche Strategien zu achten?
Das haben wir ja. Man verlässt sich aber auch auf die Konzepte und Strategien des Führungspersonals in den operativen Bereichen. Es eben ist nie immer nur ein Fehler, der gemacht wird. Oft folgt dann ein anderer nach. Es ist wie mit den Domino-Steinen. Und je weiter so ein Prozess fortgeschritten ist, umso schwieriger wird es, ihn aufzuhalten. Es gab unglückliche Personalentscheidungen auf unterschiedlichen Ebenen. Dem VfB fehlten in den krisenhaften Phasen die Führungsfiguren mit umfassender Branchenkenntnis und der Kraft zur Gestaltung.
Eine Situation, die Sie zum Teil mit zu verantworten haben.
Ganz klar. Zu einer gesunden Führungsstruktur und -kultur gehört auch ein funktionierendes und wirksames Korrektiv. Ich habe vielleicht unterschätzt, wie schnell in dieser Branche etwas ins Rutschen kommt und was das bedeutet. Da wird jeder Fehler sofort bestraft. Man trifft im Leben manchmal Entscheidungen, die sich im Nachhinein als falsch erweisen. Darüber ärgere ich mich am meisten. Aber es ist Teil des Risikos, wenn man Verantwortung übernimmt.
Dann wurden Sie in einer schwierigen Zeit Chef des VfB-Aufsichtsrats – und vom Abstieg kalt erwischt.
Das kann man so sagen. Es war eine verdammt schwierige Zeit, riesige Aufregung überall, es hagelte Kritik aus den Medien, die Fans waren wütend und furchtbar enttäuscht.
Dachten Sie nach dem Abstieg mal daran, das Handtuch zu werfen?
Keine Sekunde. Wir hatten doch alle Sorge, dass dann hier vollends das Chaos ausbricht. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie von der Verantwortung davon gelaufen. In dieser Phase wurde mir erst richtig bewusst, welche unglaublich große Bedeutung der VfB hat. Dieser Verein ist ein Teil der Kultur in Stadt und Region. Da steckt eine ungeheure Kraft und Dynamik dahinter. Die Fans tragen den VfB mit ihren Emotionen, sie identifizieren sich mit ihm. Das sind Werte, mit denen die Verantwortlichen sehr behutsam umgehen müssen.
Es kam erst der neue Trainer, dann der Sportvorstand, danach der Präsident. Eine ungewöhnliche Vorgehensweise.
Aber die richtige. Wir haben unter dramatischen Umständen gemeinsam mit den verbliebenen Vorständen Jochen Röttgermann und Stefan Heim wichtige Entscheidungen getroffen, die sich im Nachhinein als richtig erwiesen haben. Das Wichtigste war, den Verein zusammen zu halten. Das ist, dem Himmel sei Dank, gelungen.
Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit des Vereinspräsidenten und Aufsichtsratschefs Wolfgang Dietrich?
Sehr! Er ist ein kantiger Typ, der mutig und strategisch klug seine Ziele verfolgt. Jeder beim VfB, im Verein und in der AG, weiß wieder, wo er dran ist. Und dass vorne dran einer steht, der marschiert.
Seine Kritiker sehen in ihm in erster Linie einen eiskalten Geschäftsmann.
Man muss da unterscheiden zwischen Emotion, Empathie und den wirtschaftlichen und strukturellen Notwendigkeiten des Clubs. Vielleicht war ja die mangelnde Differenzierung zwischen diesen Bereichen in der Vergangenheit mit ein Problem.
Haben Sie den Rauswurf von Sportvorstand Jan Schindelmeiser voll mitgetragen?
Ich fand es sehr schade, aber schlussendlich habe ich es selbstverständlich mitgetragen. Und mehr will ich dazu auch nicht sagen.
Michael Reschke, sein Nachfolger, will die U 23 abschaffen. Eine gute Idee?
Man muss sich das natürlich ganz genau überlegen. Die U23 ist ein Teil der VfB-Wertegemeinschaft. Man muss dies gründlich erörtern und gute Argumente haben, wenn man diesen Teil der Vereinskultur auslöscht. Da bin ich ein Stück weit auch Traditionalist und Fußball-Romantiker. Aber die endgültige Entscheidung ist ja noch nicht getroffen. Ich bin gespannt.
Wird man Sie auch in Zukunft beim VfB sehen?
Ganz sicher. Würth, das Unternehmen, das ich als Vertriebschef vertrete, hat ja seinen Sponsoringvertrag mit dem VfB vor kurzem verlängert. Ich werde also öfter mal in der Würth-Loge auftauchen. Auch zu den Führungskräften im Verein werde ich Kontakt halten. Die Menschen, der Verein und seine Fans sind mir in all den Jahren sehr ans Herz gewachsen.
Was trauen Sie dem VfB Stuttgart in dieser Saison noch zu?
Es wird ein hartes Stück Arbeit, aber der VfB wird den Klassenverbleib schaffen. Das ist die Grundlage dafür, dass es Stück für Stück wieder nach oben geht. Die Voraussetzungen sind geschaffen, aber klar ist auch: Alle Beteiligten müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Der VfB braucht inhaltliche, konzeptionelle, strukturelle und personelle Kontinuität. Man darf keine Sekunde nachlassen im Bemühen, die Situation des Vereins weiter zu verbessern.