Will in der Rückrunde beim VfB angreifen: Mitch Langerak Foto: Baumann

Wegen seiner Verletzung konnte Mitch Langerak noch keinen Eindruck im Tor des VfB Stuttgart schinden. Dafür zeigt er nicht alltägliche Seiten als Mensch: Der Keeper mit der etwas anderen Vita.

Stuttgart - Er ist wieder da: Mitch Langerak greift an und folgt dabei seiner Rückennummer – der Australier will die Nummer eins im Tor des VfB werden. Diese Rolle war für ihn schon im vergangenen Sommer vorgesehen, als er für drei Millionen Euro Ablöse von Borussia Dortmund kam.

Doch das Leben hielt sich nicht an das Drehbuch: Im Trainingslager zog er sich eine schwere Muskelverletzung zu. Nichts Großes, dachte er. Bis sich eine Zyste im rechten Knie bildete. „Das Problem war eine Schwellung im Knie. Nach dem Faserriss habe ich meinen Körper anders belastet als vorher, dadurch ist das Knie instabil geworden“, sagt er. Die Zyste wurde immer größer und musste operiert werden.

Jetzt ist der Sonnyboy mit dem strahlenden Lächeln bereit für das Duell mit Przemyslaw Tyton. Im Testspiel gegen Antalyaspor stand er wieder im Tor. „Das war großartig“, sagt Langerak über den 2:1-Sieg, der für ihn ein persönlicher Triumph war: „Ich fühle mich super.“

Tyton oder Langerak – wer setzt sich durch? „Titti hat eine enorme Reichweite“, sagt VfB-Torwarttrainer Marco Langner, „Mitch ist eleganter und geschmeidiger.“ Und er ist der Strahlemann des VfB: Wenn er ins Zimmer tritt, geht die Sonne auf. Und er hat einiges zu erzählen – aus einem reichlich bunten Leben.

Torwart – was sonst?

Schon früh entdeckte Langerak seine Liebe zum Sport. Schwimmen, Rugby, Cricket, später Surfen – ihm war alles recht. Als in Tieri/Queensland, seinem Heimatort mit 1800 Einwohnern, eine Fußballmannschaft entstand, war schnell klar, dass er im Tor stehen würde: „Ich war der Einzige, der einen Ball fangen konnte.“

Sein Dorf, 200 Kilometer von der Ostküste Australiens entfernt, kenne selbst in Australien kaum jemand. „Ich hatte ein Riesenglück, dass ich überhaupt entdeckt wurde.“ Auf seinem Weg nach oben orientierte er sich an seinen Vorbildern Peter Schmeichel (Manchester United) und vor allem Gianluigi Buffon (Juventus Turin): „Sein Charakter und seine Leistungen imponieren mir.“

Ehrgeiz im Duell mit Tyton

Nach seiner Verletzung im vergangenen Sommer hat sich Przemyslaw Tyton als Nummer eins im VfB-Tor etabliert. Jetzt greift Langerak an. Er betont aber: „Den klassischen Kampf unter Torleuten gibt es heute nicht mehr. Wir verstehen uns sehr gut.“ Mit Tyton teilte er im Sommer das Zimmer im Trainingslager im Zillertal, in Belek ist er mit Benjamin Uphoff, der Nummer drei, auf dem Zimmer.

Ehrgeiz ja – aber nicht ohne Maß und Ziel: „Wenn der Konkurrenzkampf Grenzen überschreitet, hat keiner etwas davon“, sagt Langerak, der auch privat zielstrebig ist. In Melbourne studierte er zwei Jahre Business Finance: „Ein Jahr fehlt mir zum Abschluss, aber in der Bundesliga habe ich dafür keine Zeit – schade.“

Vor fünfeinhalb Jahren wechselte Langerak von Melbourne Victory zu Borussia Dortmund. Er wollte sich schnell in seiner Wahlheimat Deutschland einfinden und wusste: Das wichtigste Handwerkszeug ist die Sprache. Seinen Deutschlehrer schickte er allerdings nach kurzer Zeit in die Wüste.

Stattdessen kaufte er sich ein Sprachprogramm für den Computer und büffelte im stillen Kämmerlein täglich eine Stunde Deutsch. „Ich wollte keine Grammatik pauken, sondern Vokabeln üben. Mir ist es egal, ob es der, die oder das Tisch heißt, für mich ist es einfach: Tisch“, sagt er. Inzwischen spricht Langerak fließend Deutsch – mit einem charmanten englischen Einschlag.

Strand-Hochzeit bei 39 Grad

Vor zwei Jahren hatte er seiner Riahannon im Urlaub in Mexiko (mit Kniefall) einen Antrag gemacht, bei ihrem Vater hielt er klassisch um ihre Hand an („Das gebietet der Respekt“) – an Silvester war es dann so weit: Langerak heiratete am Strand bei 39 Grad. „In Australien kann man auch in Shorts und Flip-Flops heiraten, aber ich hatte trotz der Hitze einen schwarzen Anzug mit Fliege an“, sagt er.

Mit dabei war VfB-Kollege Robbie Kruse: „Wir kennen uns, seit wir elf Jahre alt waren. Wir haben uns auch regelmäßig besucht, als ich in Dortmund war und er in Düsseldorf und Leverkusen gespielt hat.“ Im Tor trägt Langerak seinen Ehering übrigens nicht: „Der stört unter den Handschuhen nur.“

Papa schuftet im Bergwerk

Sein Vater Mark (56) schuftet seit über 25 Jahren in einem Bergwerk in Tieri. Häufig ist er zwölf Stunden am Tag unter der Erde, sieht kaum die Sonne und kommt nachts nach Hause. Davor hat Langerak höchsten Respekt: „Manchmal kommt mir unser Training hart vor. Dann denke ich an meinen Vater, der viel mehr schuften muss als ich, dann relativiert sich alles. Er hat immer zu mir gesagt: Streng dich an im Leben, damit du es einmal besser hast. Heute ist er stolz auf mich, dass ich nicht in einer Mine arbeiten muss.“

Inzwischen haben sich seine Eltern (Mutter Debbie ist Sozialarbeiterin) ein Haus an der Küste gekauft. „Ich hoffe, dass sie es bald ruhiger angehen werden“, sagt Sohn Mitch.