Martin Harnik (li.) und Christian Gentner füllen ihre Führungsrolle wieder aus Foto: Baumann

Der VfB Stuttgart setzte jahrelang auf ein Gerüst – das es gar nicht gab. Erst jetzt bildet sich die Struktur der Mannschaft heraus, einige Spieler haben daran einen besonderen Anteil. Zum Beispiel Christian Gentner und Martin Harnik.

Stuttgart - Es war Herbst in Stuttgart, der Himmel grau, und Martin Harnik gab eine Figur ab, die sich nahtlos einfügte in das triste Gesamtbild. Gerade hatte Trainer Armin Veh beim VfB Stuttgart hingeschmissen, statt zu neuen Ufern aufzubrechen, krebste das Team schon wieder im Keller, und dem Stürmer sah man deutlich an, wie wenig Vergnügen ihm das Ganze bereitete. Nun ist Frühling in Stuttgart, das Wetter ist ein wenig besser, die Lage des VfB aber immer noch ernst – doch Martin Harnik ist nicht wiederzuerkennen.

Der Stürmer der Roten trifft, er rackert, er macht Sprüche, und er strahlt aus: Trotz der brisanten Situation hat er Spaß an seinem Job. Das ist einerseits schön für Martin Harnik, noch viel besser aber für die Aussichten des VfB Stuttgart für das Saisonfinale an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) beim SC Paderborn. Weil der Österreicher nicht der einzige ist, der eine solche Einstellung vorlebt.

Von Führungsspielern ist immer wieder die Rede, wenn über Fußball debattiert wird. Wie ein solcher heute aussehen muss – daran scheiden sich die Geister. Klar sind aber zwei Dinge. Erstens: Ohne geht es nicht – jede Mannschaft braucht eine gewisse Hierarchie und Profis, die akzeptiert sind und vorangehen. Zweitens: Beim VfB suchte man solche Spielertypen lange Zeit vergeblich. Dabei gab es einen klaren Plan.

Sven Ulreich, Georg Niedermeier, Christian Gentner, Vedad Ibisevic – das sollte die Achse sein, die den VfB zumindest in sichere Tabellenregionen führen sollte. Doch dieses Gerüst war aus vielerlei Gründen chronisch einsturzgefährdet. Und mit ihm das ganze Team. Nun jedoch sagt Robin Dutt: „Unsere Achse funktioniert jetzt besser.“

Der Sportvorstand hat die vergangenen Monate aufmerksam beobachtet – und dabei gesehen, wie zum Beispiel Christian Gentner im Laufe der Rückrunde seine Rolle als Spielführer immer besser ausfüllte: „Er ist sehr präsent.“ Und Teil einer ganz neuen Achse.

„Unsere Achse ist stabiler geworden“

Sven Ulreich steht noch immer im VfB-Tor, „er strahlt Ruhe aus“, sagt Dutt. Davor hat sich aber Antonio Rüdiger als Abwehrchef etabliert, vorne sorgt Daniel Ginczek für Torgefahr. „Unsere Achse ist stabiler geworden“, sagt Robin Dutt – weil viele Kleinigkeiten zu einer großen Veränderung geführt haben.

„Wir hatten keinen klassischen Mannschaftsabend“, sagt Christian Gentner, als Spielführer war er trotz einer Reihe von Enttäuschungen auf dem Platz der Meinung, dass dies nicht nötig ist: „Für eine Aussprache gab es keine Gründe, der Geist im Team war immer gut.“ Stattdessen hat er sich zunächst darauf konzentriert, selbst an seine Leistungsgrenze zu kommen und damit Vorbild für den Rest der Truppe zu sein. Seine Erfahrung aus dem vergangenen Jahr sei dabei „ein Vorteil“ gewesen, „ich wusste, dass Ruhe notwendig ist“. Durch die konsequente Art des Trainers wusste zudem jeder Profi, woran er ist – und gerade Spieler wie Gentner oder Harnik folgten Huub Stevens – zwar immer kritisch, am Ende aber doch quasi bedingungslos.

Zwar ließ etwa Martin Harnik zuletzt immer wieder durchblicken, dass er nicht alles begeisternd findet, was der niederländische Coach so treibt – zum Beispiel seine Affen-Ansprache –, seine Kritik formulierte er aber pointiert, und auf dem Rasen gab es für den Stürmer kein Vertun. Mit großem Einsatz, Toren und Vorlagen hat er großen Anteil an den jüngsten Ergebnissen. Laut Robin Dutt auch die Folge einer Kettenreaktion.

Weil sich Serey Dié schnell einfügte, wurde Christian Gentner in der Mittelfeldzentrale entlastet – und konnte sich wieder mehr auf die eigene Leistung und seine Führungsrolle konzentrieren. Vorher habe der Spielführer „überall auf dem Platz aushelfen“ müssen, sagt Dutt, nun habe er „den Rücken frei, das wirkt sich positiv aus, und da tun sich auch die Spieler auf den Außenbahnen, die sich an dieser Achse orientieren können, leichter“, sagt Dutt. Er meint Filip Kostic – und eben Martin Harnik.

Der hatte – wie viele andere – dann noch sein Schlüsselerlebnis, als der VfB das Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt drehte. Seitdem stimmt die Entwicklung bei den Roten endgültig, und sie macht sogar Hoffnung für die Zukunft. Vor solchen Gedanken steht allerdings das Saisonfinale in Paderborn. Und auch hierfür gibt der Kapitän die Richtung vor. „Der Fokus“, sagt Christian Gentner, „kann nur auf einem Sieg liegen.“