Schwieriger Fall: VfB-Mittelfeldspieler Leitner, Physiotherapeut Wörn Foto: Bm

Er ist reichlich mit Talent ausgestattet, aber genau das ist auch sein Problem: Moritz Leitner eckt beim VfB Stuttgart immer mal wieder an. Fehlt ihm als Fußballprofi die nötige Erdung?

Lagos - Schwer hängt die Nacht über Lagos, der Regen trommelt auf die Dächer, das Hotel des VfB Stuttgart ist in Dunkel gehüllt. Nur aus ein paar Fenstern dringt Licht nach außen – so lange, bis ein Stromausfall auch die Lampen im Kraftraum lahmlegt. Was Moritz Leitner heftigere Qualen erspart.

Am Dienstagmorgen um 6 Uhr trat der Mittelfeldspieler sein Straftraining an, das Huub Stevens verfügt hatte, weil er sich seinen Anweisungen widersetzt hatte. 20 Minuten auf dem Laufband, gefolgt von weiteren Übungen, penibel überwacht von gleich drei Trainern: Stevens, Christos Papadopoulos und Chima Onyeike – vom Chef und den beiden Konditionstrainern. Das Motto: Wenn schon Strafe, dann richtig.

Beim VfB, wo die Zahl seiner Fürsprecher überschaubar ist, fragen die wenigen Wohlmeinenden: Mensch, war das wieder nötig?

Moritz Leitner (22) hat die Gabe, mit links einzureißen, was er mit rechts aufgebaut hat. Oder mit seinen feinen Füßchen, die ihn fußballerisch über viele andere heben. Leitner hat Talent im Überfluss – und steht sich immer wieder selbst im Weg. Das ist sein Fluch.

Der VfB hat ihn 2013 aus Dortmund ausgeliehen, um dem Spiel das gewisse Extra zu geben. Tatsächlich besticht der Mittelfeldspieler mit technischem Feinsinn, Tempo-Dribblings und Kreativität – an guten Tagen. Die sind aber, zumindest beim VfB, rar.

In der Regel bringt Moritz Leitner seine Trainer, von Bruno Labbadia über Thomas Schneider und Armin Veh bis zu Huub Stevens, mit Spielszenen gegen sich auf, die den Anforderungen im Kampf gegen den Abstieg widersprechen. Wenn Leitner, der schon im Herbst Handschuhe zu tragen pflegt, den Ball verliert und, statt nachzusetzen, einfach stehenbleibt, stöhnen die Fans auf. Sein Dilemma: Als Achter arbeitet er zu wenig nach hinten. Als Zehner strahlt er kaum Torgefahr aus. Weshalb ihn Huub Stevens am liebsten auf der Ersatzbank parkt.

Stevens (61) und Leitner sind wie Feuer und Wasser. Die Disziplin des einen ist dem anderen schnuppe. Leitner wirkt stets eine Spur zu hochnäsig, zu schnippisch, zu abgehoben und zu widerspenstig, trotz wiederholter Zähmungsversuche. Fußballerisch ist ihm stets alles zugeflogen, so wurde er zur Diva, zum Künstler. Stevens aber schätzt Kämpfer. Damit kann Leitner nicht dienen.

So ist er in Stuttgart nie angekommen. In der Mannschaft, so heißt es, kommt seine Art bei wenigen an. Leitner passt in kein Schema, schon gar nicht in das eines Philipp Lahm oder Sami Khedira, die in seinem Alter ungleich reifer waren. Wobei – in der U-21-Nationalelf glänzt er als Vizekapitän regelmäßig. Was an Trainer Horst Hrubesch liegen muss, der Leitner offenbar anzupacken weiß. Indem er ihn aufmuntert oder ihm Zuspruch zuflötet. Beim VfB ist er Fremdkörper geblieben, weil kaum einer Zugang zu ihm gefunden hat. So wie einst Rainer Adrion: Hrubeschs Vorgänger warf 2013 aus dem EM-Kader, weil er sich mit einem Mitspieler gefetzt hatte. „Frechheit“, sagte Leitner. Und: „Adrion, wer ist das?“

Huub Stevens tat es Adrion nach: Im März setzte er ihn gegen den BVB auf die Bank. Warum? „Weil ich das so entschieden habe.“

Beider Verhältnis ist von wenig gegenseitiger Sympathie geprägt. Im Juli kehrt Leitner zum BVB zurück:Lässt er sich nun nach Stevens’ Strafaktion hängen? Eine Charakterfrage, er muss die Antwort liefern.

Am Dienstag ist Leitner, wie zu hören ist, nicht auffällig geworden. Weshalb er heute auch ein Stündchen länger schlafen darf.