Joachim Schmidt: 13 Jahre lang „mit großer Freude und Leidenschaft für den VfB“ tätig. Foto: Pressefoto Baumann

Der VfB Stuttgart gibt derzeit kein gutes Bild ab. Schlittert der Verein nach der Fußball- nun auch in eine Führungskrise? Eher nicht. Vielmehr könnten die Rücktritte befreiende Wirkung haben.

Stuttgart - Weil man beim VfB Stuttgart vor Überraschungen nie gefeit ist, war die Pressemitteilung, die der Verein am Dienstag verschickte, genau genommen keine mehr. Der Chef des VfB-Aufsichtsrats, Joachim Schmidt, und sein Stellvertreter Eduardo Garcia legen ihre Ämter nieder. Auch wenn nach der Mitgliederversammlung am Sonntag nur wenig darauf hindeutete, zumindest in Bezug auf Joachim Schmidt.

Präsident Bernd Wahler („Schmidt ist ein Kämpfer“) hielt einen Rücktritt da noch für ausgeschlossen. So kann man sich täuschen. Nun steht dem Vorstand des Bundesligisten mit Hartmut Jenner (Kärcher), Wilfried Porth (Daimler) und Martin Schäfer (Würth) nur noch ein Mini-Gremium zur Seite. Zu dritt ist es gerade so handlungsfähig.

Hat der VfB neben der sportlichen Krise mit Platz 18 in der Bundesliga nun auch noch eine Führungskrise? Eher nicht. Zwar ist auch der Vorstand nach der Nicht-Entlastung durch seine Mitglieder angeschlagen. Derzeit ist nicht absehbar, was aus Präsident Bernd Wahler wird, sollte er sein wichtigstes Projekt, die Umwandlung der Profiabteilung in eine Fußball-AG, nicht durchsetzen können.

Doch könnte der Abgang der beiden Reizfiguren Schmidt und Garcia auf diesem Weg durchaus befreiende Wirkung haben. Der 67-jährige ehemalige Daimler-Manager gilt als letztes Relikt aus der Ära seines ungeliebten Vorgängers Dieter Hundt. Viele Fans werfen ihm vor, er habe einst den Einstieg von Porsche beim VfB als Großsponsor verhindern wollen. Am Sonntag brachte er die Seele des weiß-roten Volkes endgültig zum Kochen, als er auf die Frage nach angeblichen Geheimverhandlungen mit Thomas Tuchel eine Antwort schuldig blieb.

Das Ergebnis ist bekannt: Das Kontrollgremium wurde mit 71,3 Prozent Nein-Stimmen abgestraft, Schmidt zog die Konsequenzen. „Ich möchte einem persönlichen Neuanfang nicht im Wege stehen“, begründete der Funktionär seinen Abgang, der nach Beratungen mit dem VfB-Vorstand am Dienstag endgültig feststand.

Wie man hört, hielt sich die Trauer in der Führungsetage der Roten in Grenzen. Das gilt auch für den zweiten Rücktritt des Tages: Eduardo Garcia. Der Deutschspanier hat dem Verein in schwierigen Zeiten geholfen und stieg mit Gazi ein, als der Club um die Gunst eines Trikotsponsors fast schon betteln musste. Nur trat er eben bisweilen auf wie ein spanischer Stier. Das sorgte für positive Akzente, als er den Ex-Präsidenten Gerd Mäuser eine „krasse Fehlbesetzung“ nannte. Es ging wie bei seinem Zorniger-Vergleich („Wie ein Bauer“) aber auch nach hinten los.

Garcia wird wohl weiter Gazi-Sponsor bleiben

Es war Garcias Schlusspunkt beim VfB. Weder er noch der Vorstand sahen nach Sonntag eine Basis fürs Weitermachen. Der VfB will seinen Weg der Strukturreformen konsequent fortsetzen. Der Wandel hat seine nächsten Opfer gefordert – aus Sicht von Sportvorstand Robin Dutt gar nicht mal überraschend. „Wir sind mit unserem Prozess erst am Anfang“, sagte er am Dienstag. „Es wird sicher noch zu weiteren Veränderungen kommen“ – auch personeller Art.

Ob Garcia dem Club aus Cannstatt nach Ablauf des Vertrags (noch ein Jahr) als Sponsor erhalten bleibt, ist noch offen, aber wahrscheinlich. Zumindest versprach er, „auch in Zukunft ein VfBler zu bleiben“.

Nur, was bringt die Zukunft des krisengebeutelten Vereins? Wahrscheinlich werden die Herren Jenner, Porth und Schäfer ihre Aufgaben bis zur nächsten Mitgliederversammlung am 26. Juni 2016 als Trio bewältigen. „Wir sind nicht nur satzungsgemäß voll handlungsfähig. Wir sind es auch inhaltlich“, beteuerte Würth-Betriebsleiter Martin Schäfer. „Sie sind mit Blick auf die zukünftige Ausrichtung des Vereins wichtige Ansprechpartner“, sagte Dutt. „Sie stellen die richtigen Fragen.“

Ein Neuer wird, mit Ausnahme des Ehrenrats-Vorsitzenden Hermann Ohlicher, der an den Sitzungen des Kontrollgremiums teilnimmt, ohne vollwertiges Mitglied zu sein, wohl nicht hinzukommen. Es ist schlicht niemand (mit Fußball-Kompetenz) in Sicht. In ihrer nächsten Sitzung wollen die drei Verbliebenen einen neuen Chef bestimmen.

Im roten Haus begreifen sie die Zeit bis zum kommenden Juni als Phase des Übergangs. Sollte die Vereinsreform tatsächlich gelingen und aus dem eingetragenen Verein eine Kapitalgesellschaft werden, bräuchte es auch keinen Aufsichtsrat mehr – zumindest nicht mehr in der bisherigen Form.