Die Vorfreude auf den Sonntag groß. Doch erst müssen die VfB-Stürmer Daniel Ginczek (links) und Simon Terodde gegen Würzburg ihren Job erledigen, ehe es ans Feiern geht: Tore schießen. Foto: Baumann

Der VfB Stuttgart steht kurz vor der Rückkehr in die Bundesliga – aber hat sich die Mannschaft fußballerisch entwickelt? Eine Analyse vor dem entscheidenden Spiel am Sonntag (15.30 Uhr) gegen die Würzburger Kickers.

Stuttgart - Hannes Wolf denkt nicht gerne zurück. Zumindest nicht, wenn es um die Vorbereitung seiner Mannschaft auf das nächste Spiel geht. Immer wieder wurde der Trainer des VfB Stuttgart im Laufe der Rückrunde ja gefragt, welche Erkenntnisse er noch aus dem Hinspiel gegen den selben Gegner ziehe. Wolf schüttelte dann stets mit dem Kopf: keine. Denn es habe sich viel verändert.

Abgehakt sind also die Begegnungen – die guten wie die schlechten. Wolf richtet den Blick lieber nach vorne. Doch seit kurzem herrscht Ausnahmezustand beim Zweitligisten und schon vor zwei Wochen hat der junge Coach selbst die Vergangenheit bemüht. Er hat vor dem Heimauftritt an diesem Sonntag (15.30 Uhr) gegen die Würzburger Kickers an die Partie am Dallenberg erinnert. An jenen ekligen Sonntagmittag im Dezember. Schlechtes Wetter, ein kleines Stadion und ein krasser Außenseiter, der von Bernd Hollerbach trainiert wird. Einem Mann, der als Spieler für seine kernige Art des Fußballs gefürchtet war.

Die Würzburger spielten dann auch wie elf Hollerbachs. Und die Stuttgarter versuchten mit feinen Füßchen zu bestehen. Es ging kolossal schief. Die Mannschaft verlor jeden Halt – und 0:3. „Anschließend sind wir mit viel Demut in die Wintervorbereitung gestartet“, sagt Wolf. Nun sind die Fangesänge („Macht sie alle, schießt sie vom Dalle!“) lange verhallt und der VfB steht sechs Monate später unmittelbar vor der Rückkehr in die Bundesliga – doch nach der Niederlage zuletzt im Spitzenspiel bei Hannover 96 stellen sich rund um den Wasenclub mal wieder Fragen.

Die Tabelle allein reicht nicht als Beleg für eine Qualitätssteigerung

Eine zentrale davon lautet: Hat sich die VfB-Mannschaft tatsächlich fußballerisch entwickelt? Im Prinzip ja, könnte man antworten und in der Betrachtung von Würzburg- zu Würzburg-Spiel den offensichtlichsten aller Belege heranziehen: die Tabelle. Zum Abschluss der Vorrunde lagen die Stuttgarter mit 32 Punkten auf dem dritten Rang. Jetzt sind sie mit 34 Punkten vor Hannover 96 die beste Rückrundenmannschaft und Spitzenreiter. „Wir haben die meisten Tore erzielt, zehn Spiele in der Rückrunde gewonnen, vier unentschieden gespielt und nur zwei verloren“, sagt Wolf.

Allein aus diesen Zahlen eine Qualitätssteigerung abzuleiten, greift dennoch zu kurz. Es gibt nicht wenige Fans und Fachmänner, die meinen, die Stuttgarter müssten mit diesem Personal die zweite Liga deutlicher dominieren. Die Realität lehrt jedoch, dass dem VfB zwar Erfolgsserien gelingen – aber die Siege waren oft genug knapp. Wie zum Rückrundenstart, als die Stuttgarter fünfmal hintereinander gewannen, dabei kompakter, flexibler und schneller spielten als noch vor der Winterpause. Wolfs Überraschungsaufstellungen wirkten zu diesem Zeitpunkt für die Gegner wie ein Statement: Schaut nur, über welch exzellentes Offensivpotenzial die verfügen. Terodde und Ginczek, Mané und Asano, Green und Brekalo, Maxim und Özcan.

Es fehlt ein Spielstil – sagen Kritiker

So konnte Wolf jeder Defensive neue Rätsel stellen. Auch durch seine Einwechslungen. Wie in den Wochen vor dem 0:1 in Hannover, als der VfB ebenfalls fünf Siege nacheinander verbuchte und sich als Meister der Nachspielzeit erwies. „Die Mannschaft hat sich in puncto Kraft, Energie und Körperlichkeit, gerade hinten heraus in den Spielen, gesteigert“, sagt der Trainer.

Reine Qualitätsmerkmale für Kader und Charakter könnten das sein, wenn da nicht die fünf Spiele dazwischen wären – ohne Sieg und mit jener Art von Spielkontrolle, die an Tempoverschleppung erinnert. Siehe Fürth oder München. Wolf, der Tempo- und Intensitätsfetischist, schien da nicht nur seine Elf durcheinander gewirbelt, sondern ebenso Geschwindigkeit und Kombinationsfluss herausgenommen zu haben. Sagen die Kritiker. Und vermissen eine klare Trainer-Handschrift. Einen Spielstil, der die Stuttgarter kennzeichnet.

Doch genau das will Wolf nicht. Er will sich nicht auf einen Fußball festlegen lassen. Ebenso wenig wie auf eine Stammelf. Die vielen Wechsel mögen da beliebig anmuten, beim VfB-Coach haben sie jedoch Methode. Erst nach Carlos Manés verletzungsbedingten Ausfall war Platz für den lange verschmähten Alexandru Maxim. Erst durch die Leistungsschwankungen der Jungen rückte der erfahrene und fast schon vergessene Florian Klein wieder ins Team.

Trainer Hannes Wolf ist mehr Tuchel als Klopp

Wolf ist in Bezug auf einen Matchplan mehr Tuchel als Klopp. Denn wie sein Dortmunder Mentor Thomas Tuchel betrachtet er ein Spiel als ein für sich abgeschlossenes Projekt – mit allen systematischen, taktischen und personellen Veränderungen, die er für notwendig erachtet. Sie dienen als Mittel zum Zweck und nicht als Mittel zur Selbstinszenierung. Aber anders als sein Entdecker Jürgen Klopp, der Guru des Gegenpressings, sieht Wolf im Ballbesitzfußball eine zusätzliche Variante.

Musste er auch, da viele Zweitligagegner dem VfB das Spielgerät überließen, um die Räume zu verdichten. Schwer ist es da, ein Spiel leicht aussehen zu lassen. Und genau daraus speist sich wiederum die These, dass sich die Stuttgarter im Oberhaus leichter tun könnten als im Unterhaus. Begründung: sie müssen dann nicht mehr dauernd das Spiel mit eigenen Ideen und Aktionen gestalten, sondern können sich auf einen Reaktionsfußball zurückziehen.

Geordnet, geschlossen, gefährlich. „Die Intensität in unserem Spiel ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Wolf. Jetzt gegen Würzburg, aber auch darüber hinaus. Denn beim Blick in die Bundesliga muss sich der VfB in Bezug auf Technik, Taktik und Tempo auf ein Niveau wie der SC Freiburg, der FC Augsburg oder der FSV Mainz in seinen besten Phasen hieven. Ein langer Weg, der mehr von kleinen Schritten als von großen Entwicklungssprüngen geprägt ist.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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