Ex-VfB-Aufsichtsratschef Schmidt: Rücktritt nach Misstrauensvotum Foto: Baumann

Nach dem Rücktritt der VfB-Aufsichtsräte Joachim Schmidt und Eduardo Garcia sortiert sich das Kontrollgremium des Fußball-Bundesligisten neu. Künftig gilt: nach innen wirken, statt nach außen reden.

Stuttgart - Es ist ja nun kein Staatsgeheimnis mehr, dass der VfB Stuttgart den Trainer Thomas Tuchel im vergangenen Frühjahr noch ein bisschen mehr wollte als den Coach Alexander Zorniger. Schließlich ist es nicht verboten, bei der Wahl seines Personals Prioritäten zu setzen. Nur über die Umstände der Trainerwahl gibt es bis heute unterschiedliche Versionen.

Was auch deshalb nicht ungewöhnlich ist, weil Sitte und Anstand verlangen, derlei Überlegungen nicht vor einem breiten Publikum darzulegen. Dass nun trotzdem die eine oder andere Finesse ans Licht der Öffentlichkeit strebt, hat vielleicht damit zu tun, dass der Verein für Bewegungsspiele 1893 im Begriff ist, eine Zeit aufzuarbeiten, in der sich viele Versäumnisse auf fast allen Geschäftsfeldern manifestierten.

In solchen Phasen der Selbstreinigung bricht selten die pure Harmonie aus, weshalb jetzt hinter den Kulissen ein Zwist darüber entbrannt ist, ob der Rücktritt der beiden Aufsichtsräte Eduardo Garcia und Joachim Schmidt eine zwangsläufige Folge des inneren VfB-Wandels ist oder das bereitwillige Opfer der Vereinsgewaltigen auf dem Altar der seit Jahren aufbegehrenden Mitglieder. Die Wahrheit dürfte wie so oft ziemlichgenau in der Mitte liegen.

Mit Tuchel in der zweiten Liga? Undenkbar

Joachim Schmidt, ohnedies seit Jahren mit dem Malus unterwegs, zusammen mit dem damaligen Aufsichtsratschef Dieter Hundt die Interessenten aus dem Hause Porsche von der Überholspur gedrängt zu haben, glaubte dem Verein Gutes zu tun, als er im vergangenen Herbst den Kontakt zum allseits begehrten Fußball-Lehrer Thomas Tuchel herstellte. Gelungen war ihm dies über Kontakte aus dem Netzwerk seines ehemaligen Dienstherren Mercedes. Und wie aus der Branche zu hören ist, setzt man sich mit einer mutmaßlichen Koryphäe wie Tuchel nicht einfach mal zusammen. Man nähert sich ihm eher wie bei einem Flug zum Mond. Phase um Phase.

Am Ende saß der junge Coach bei Joachim Schmidt zu Hause. Man tauschte sich aus, zu ernsthaften Verhandlungen im Beisein der VfB-Vorstände kam es aber nie. Tuchel mochte sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Aus verständlichen Gründen. Es gibt ja nicht nur den VfB.

Und als es im Frühjahr gelinde Befürchtungen gab, Huub Stevens könnte den Bettel wider Erwarten noch hinwerfen, sah sich der VfB gezwungen, für den Fall der Fälle vorzusorgen. Tuchel war – trotz seiner Demission vor Beginn der Saison – in Mainz noch unter Vertrag, die Rheinhessen schwebten überdies in Abstiegsgefahr. Undenkbar, dass sie ihn aus dem Kontrakt entlassen hätten. Und falls der VfB absteigen sollte: Mit Tuchel in der zweiten Liga? Undenkbar.

Keine Absage per SMS

Die VfB-Häuptlingen entschieden sich für Alexander Zorniger, der notfalls auch kurzfristig als Feuerwehrmann zur Verfügung gestanden hätte. Schmidt schickte nach eigenem Bekunden – wie zwischen den beiden üblich – eine SMS an Tuchel mit der Bitte um ein Telefonat, in dem er ihm dann eröffnete, dass es keinen Sinn ergebe, weitere Gespräche zu führen.

Vielleicht hätte es Joachim Schmidt geholfen, diese vom Verein bestätigte Version der Tuchel-Story auch vor der VfB-Mitgliederversammlung ausbreiten zu dürfen. Die interne Abrede verlangte aber, Personalien diskret zu behandeln. Gerettet hätte ihn das ohnehin nicht mehr.

Hypothek aus der Ära Hundt

Dass der Aufsichtsrat zum zweiten Mal in Folge nicht entlastet wurde, hatte auch damit zu tun, dass Schmidt und Eduardo Garcia von den Mitgliedern mit in Haftung genommen wurden für eine Ära des Kontrollgremiums, die Dieter Hundt maßgeblich prägte. Sein Mantra der schwarzen Null führte zu Beginn des neuen Jahrtausends zwar zur Entschuldung des Vereins, in der Folge aber zu einem rasanten sportlichen Substanzverlust. Denn das Geld in die Kasse spülten weniger zusätzliche Sponsoren, die sich der VfB vom prominent besetzten Gremium um den damaligen Arbeitgeber-Präsidenten erhofft hatte, sondern Spielerverkäufe von Stars aus der eigenen Talentschmiede. Das prominenteste Beispiel: Mario Gomez, der dem FC Bayern 35 Millionen Euro wert war.

Dass Hundt die Befindlichkeit des Clubs gern im Licht der Öffentlichkeit erörterte, den späteren Meistercoach Armin Veh als Übergangstrainer abqualifizierte und mit seinem Lieblings-Präsidenten Gerd Mäuser krachend scheiterte, wuchs zur Hypothek, die seine damaligen Aufsichtsratskollegen Schmidt und Garcia nie abarbeiten konnten. So betrachtet war das Misstrauensvotum der Mitglieder keine Überraschung mehr. Auch nicht der Rücktritt der beiden, denen der Denkzettel in erster Linie galt. Zwar sollen Martin Schäfer (Würth), Hartmut Jenner (Kärcher) und Wilfried Porth (Daimler) ihre Kollegen nicht zum Rücktritt aufgefordert haben, was sie dachten, standen ihnen aber wohl auf die Stirn geschrieben. „Das war für alle ein Schock“, sagt einer, der dabei war.

Schäfer genießt den Fußball pur

Jetzt sortiert sich der Aufsichtsrat neu. Künftig soll er wieder mehr nach innen wirken, statt nach außen reden. Und einer, der sich gern auch mal inkognito unter die Fans in der Cannstatter Kurve mischt, um den Fußball pur zu genießen, ist der neue Chef im Aufsichtsrat: Martin Schäfer. Wilfried Porth steckt im Gespräch den neuen Kurs schon mal ab: „Wir als Aufsichtsrat machen das, was unserer Aufgabe als Kontrollgremium entspricht. Wir begleiten und beraten den Vorstand aus dem Hintergrund. Die Stellung des Aufsichtsrats beim VfB wird in seiner Bedeutung massiv überbewertet. Die Mitglieder des Vorstands sind die handelnden Personen. Und die müssen den Verein nach vorne treiben.“