Alexandru Maxim jubelt nach seinem Treffer zum 3:1 in Hannover. Foto: Baumann

3:1 in Hannover, endlich der erste Sieg. Die Wende zum Guten? Zweifel sind erlaubt. Auch Trainer Alexander Zorniger traut dem Frieden noch nicht ganz.

Hannover/Stuttgart - Am Ende war es wie immer. Przemyslaw Tyton stürmte aus seinem Tor nach vorne. Mit dem feinen Unterschied, dass es dieses Mal nicht dem Bemühen geschuldet war, als elfter Feldspieler noch den Ausgleich zu erzielen. In Hannover, nach dem entscheidenden Treffer zum 3:1, wollte der Torhüter einfach nur seine Mitspieler an die Brust drücken.

Es war ein Herzerln und Busserln, wie man es lange nicht bei den Spielern mit dem roten Brustring gesehen hat. Nach fünf Niederlagen endlich der erste Sieg – da darf man schon mal ein bisschen aus sich herausgehen. Wobei die Beteiligten hinterher eifrig bemüht waren, den Ball flach zu halten. Was zweierlei belegt.

Erstens: Die Roten bleiben auf dem Teppich. „Wir werden jetzt nicht die Sektkorken knallen lassen“, trat Sportvorstand Robin Dutt sogleich auf die Party-Bremse. Der in Hannover starke Kapitän Christian Gentner erkannte: „Man muss nur die Tabelle anschauen.“ Damit ist eigentlich alles gesagt.

Zum Zweiten zeigte die Szenerie nach Schlusspfiff, dass der Teamgeist keinen nachhaltigen Schaden genommen hat. Keine Selbstverständlichkeit nach dem, was der Truppe zuletzt widerfahren ist. Zweifel am latent fragilen Charakter der Mannschaft waren spätestens bei der 1:2-Niederlage gegen die Hertha aufgekommen. Trainer Alexander Zorniger kritisierte in Berlin, dass jeder nur sein eigenes Ding machen wolle. Dem war in Hannover nicht so. Die elf Spieler hielten es mit den drei Musketieren: Einer für alle, alle für einen.

Es kann so einfach sein

Daniel Ginczeks Sprint zur eigenen Grundlinie nach Ballverlust (davon gab es reichlich) kurz vor Ende des Spiels nötigte Zorniger den höchsten Respekt ab. „Er ist hinterher bis zum Anschlag. Da fahre ich voll drauf ab“, sagte der Coach, dessen Stimmlage zum ersten Mal an diesem Abend nach oben ausschlug. Timo Werners erste Amtshandlung nach Schlusspfiff waren Blumen für die Mitspieler. „Ich habe mich bedankt für die Unterstützung, die sie mir in den vergangenen Wochen gegeben haben“, sagte der 19-Jährige und gab damit einen weiteren Beleg dafür, dass es stimmt in der Mannschaft.

Tatsächlich: Die Reaktion nach dem frühen Rückstand angesichts von null Punkten war aller Ehren wert. Innerhalb von drei Minuten hatten die Roten das Spiel gedreht. Es kann so einfach sein. Der Daumen zeigt nach oben – aber für wie lange?

Fraglich. Aus dem lang ersehnten (und letztlich hochverdienten) Sieg nun gleich eine Serie abzuleiten wäre wohl etwas zu hoch gegriffen. Auch wenn die kommenden Gegner Borussia Mönchengladbach (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) und 1899 Hoffenheim schlagbar erscheinen – so leicht wie die Niedersachsen werden sie es dem VfB wohl nicht machen. Denn auch darin liegt ein Teil des Geheimnisses des umjubelten Premierensieges. Den 96ern fehlte schlicht die Klasse, aus den (Abspiel-)Fehlern und der riskanten Spielweise der Roten Kapital zu schlagen. Von konterstarken Mannschaften – wie Mönchengladbach und Hoffenheim – droht da schon eher Ungemach.

Für Außenstehende ist es schwer zu begreifen, wie eine Mannschaft bei eigener 2:1-Führung mit bis zu vier (!) Spielern den gegnerischen Torhüter anlaufen kann. Oder mit zehn Mann 20 Meter tief in der Hälfte des Gegners angreift. Für Zorniger ist die immerwährende Angriffslust dagegen Teil des Systems; in Hannover argumentierte er damit, schnell aufs dritte Tor gedrängt zu haben. Dass man dem Gegner damit die Chance zum Tempogegenstoß auf dem Silbertablett serviert, nimmt er in Kauf.

Nichts für schwache Nerven. Eine gewisse Unausgewogenheit hat aber auch Zorniger in Hannover erkannt. „Wir schaffen es noch nicht, alle Facetten unseres Spiels zusammenzubekommen“, sagt er. Er spielt auf Eins-gegen-eins-Situationen und leichtfertige Ballverluste im Mittelfeld an. Letztlich habe man das gespielt, „was Hannover uns ermöglicht hat“. Und das war an diesem Abend ausgesprochen viel.