Die Scouting-Abteilung des VfB schaut auf den deutschen Raum und die Nachbarländer.

Stuttgart – Es gibt in einem Fußballstadion einen Fanblock, die Vip-Logen und ganz normale Sitzplätze. In den meisten Arenen aber gibt es bei jedem Spiel noch einen ganz speziellen Zuschauerbereich. Meist zentral auf der Haupttribüne gelegen. Nicht groß. Ganz überschaubar. Die Leute zahlen für diese Plätze keinen Eintritt. Sie haben eine Mission. „Wenn ich meinen Platz in einem Stadion einnehme, weiß ich meist schon, wen ich da so alles in meiner Nähe mir habe“, sagt Ralf Becker (41). „In der Regel habe ich mindestens 25 Kollegen neben mir sitzen.“

Ein Kind von Bobic

VfB-Chefscout Becker und Kollegen bereisen die Stadien dieser Welt nicht aus Vergnügen. Sie fahnden nach neuen Spielern. Beckers Mission ist es, den idealen Neuzugang zu finden. Dabei wäre es ihm am liebsten, wenn er nicht oft reisen müsste. „Unser erstes Ziel ist es, die Spieler aus der eigenen Jugend bei den Profis zu integrieren“, sagt er. Dass das nicht immer geht und die Qualität der Jugendspieler oft nicht reicht, um in der Bundesliga Fuß zu fassen, ist Becker bewusst. Und dann kommt er ins Spiel.

Zusammen mit seinen Scouts bereist er die Fußballwelt, um Sportdirektor Fredi Bobic potenzielle Neuzugänge zu präsentieren. Der neuformierte Scouting-Bereich ist ja ein Kind von Bobic. Vorbei sein sollen die Zeiten, als Management und Scouting-Abteilung beim VfB nebeneinander statt zusammen arbeiteten. Als es Neuverpflichtungen von Managern gab, von denen die Scouts gar nichts gewusst hatten. „Es soll in Zukunft keine Alleingänge mehr geben“, sagt Becker. Er ist der Abteilungsleiter, der die Vorarbeit leistet und Hinweise gibt. „Die sportliche Leitung mit Bobic und Trainer Bruno Labbadia hat mit der täglichen Arbeit genug zu tun, deshalb sind wir für diesen Bereich verantwortlich“, sagt Becker. Wenn es sich bei einem potenziellen Neuzugang lohnt, reist Bobic an. Beobachtet den Spieler , spricht mit der Familie. Versucht ein Gespür zu entwickeln, ob er charakterlich zu den Roten passt. Früher gab es Fälle, dass der VfB Profis nur nach Video-Sichtung verpflichtet hat.

Jetzt wird zusammengearbeitet – und Becker hat in den vergangenen Monaten einen Trend beobachtet. „Es gibt momentan keine klassischen Zukunftsmärkte mehr“ Fast jeder Club auf der Welt wisse mittlerweile, wo es gute Spieler zu finden gebe, die obendrein günstig zu haben seien. „Klassische Nischen gibt es nicht mehr“, sagt Becker. Und deshalb gilt für die VfB-Scouts die Maxime, besser zu sein als die Konkurrenten. „Wir müssen die Qualitäten eines Spielers früher erkennen als andere, das ist unsere Aufgabe“, sagt Becker. Wenn das der Fall ist, wird der Spieler mehrfach beobachtet. Im Idealfall reist Sportdirektor Bobic an – und der Spieler unterschreibt einen Vertrag.

„Der brasilianische Markt ist sehr schwierig“

Wenn es nach Becker geht, werden die Reisen des Sportdirektors nicht mehr allzu lange ausfallen. „In Zukunft werden sich die meisten Transferaktivitäten deutscher Clubs mehr und mehr auf deutsche Spieler konzentrieren“, sagt Becker. Das hat zunächst mal einen simplen Grund – deutsche Spieler kennen die deutsche Mentalität und wissen, worauf es in der Bundesliga ankommt. Spieler aus England, Italien oder Spanien sind aufgrund der Stärke der Liga meist zu teuer – deshalb setzt Becker seine Scouts in diesen Ländern nur sporadisch ein. „Dasselbe Problem gibt es auch im südamerikanischen Raum, wo vor allem der brasilianische Markt sehr schwierig ist.“ Die Spieler seien sehr teuer, sagt Becker. „Und die Preise steigen wegen der WM 2014 und des Interesses daran noch weiter.“ Scouts des VfB waren in den vergangenen Monaten in Brasilien, das schon. „Aber darauf liegt nicht unser Hauptaugenmerk – ebenso wenig wie auf den afrikanischen Raum.“ Auch dort waren die VfB-Scouts schon unterwegs. „Aber die Erfahrung zeigt. dass afrikanische Spieler, die für eine Verpflichtung in Frage kommen, meist schon in europäischen Clubs sind und die Mentalität schon verinnerlicht haben.“ Generell sei es nicht sein Anspruch, jeden guten Spieler auf der Welt zu kennen, sagt Becker. „Das ist nicht möglich“, sagt er, „man muss sich auf seine Kernbereiche konzentrieren und da besser sein als die Konkurrenten.“

Das Hauptaugenmerk des VfB liegt im deutschsprachigen Raum – unmittelbar danach kommen die Nachbarländer der Bundesrepublik ins Spiel. Mittelfeldspieler William Kvist kam im Sommer aus Dänemark, Innenverteidiger Maza aus den Niederlanden. „Profis aus diesen Ländern kennen die deutsche Mentalität und wissen, worauf es in der Bundesliga ankommt“, sagt Becker.

Das tut auch Shinji Okazaki. Der Japaner hat sich in seinem ersten Jahr bei den Roten rasend schnell eingewöhnt – für Becker ist das keine Überraschung. „Ich war mehrmals in Japan“, sagt er, „wenn dir da der Zugschaffner dein Ticket abreißt, verneigt er sich vor dir. Der Respekt, der Fleiß und die Freundlichkeit der Menschen ist unglaublich.“ Deshalb, so Becker, fügen sich die Japaner so schnell ein. Und deshalb gehört Japan auch zu den Kernbereichen der VfB-Scouts. Ob auch in diesem Winter wieder ein günstig zu habender Profi aus der J-League an den Neckar wechselt? „Schaun’mer mal“, sagt Becker: „Wir halten die Augen offen.“