Trainer Tayfun Korkut setzt auf der rechten Abwehrseite auf Andreas Beck. Foto: Baumann

VfB-Abwehrspieler Andreas Beck spricht über die Kritik an der Mannschaft sowie an seiner Person und erklärt, warum die Fans am Sonntag in Augsburg erneut einen Abnutzungskampf statt gehobener Fußballkunst erwarten dürfen.

Stuttgart - Die zwei Jahre bei Besiktas Istanbul haben ihn abgehärtet – weshalb Andreas Beck (30) die stürmischen Zeiten beim VfB Stuttgart gelassen nimmt. „Wir dürfen uns von äußeren Faktoren nicht beeinflussen lassen,“ sagt der Abwehrspieler.

Herr Beck, Kampf gegen den Abstieg, Trainerwechsel, die Fans in Aufruhr: Haben Sie die Rückkehr nach Stuttgart schon bereut?
Überhaupt nicht. Die Ausgangslage für uns als Aufsteiger war von Anfang an klar. Nämlich, dass wir nicht um die internationalen Plätze, sondern allein gegen den Abstieg kämpfen werden. Das Niveau in der Liga ist brutal hoch, wir zählen zu den Mannschaften, die bis zum Schluss um den Klassenerhalt spielen werden.
Mit Besiktas Istanbul könnten Sie jetzt von der Meisterschaft und der Champions League träumen.
Das war für mich vom ersten Tag in Stuttgart abgehakt. Um sich einer neuen Aufgabe zu widmen, muss man die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen. Jetzt bin ich beim VfB, das ist mein Verein, hier kämpfen wir um andere Ziele.
Die Voraussetzungen im vergangenen Sommer waren andere. Der Trainer hieß Hannes Wolf, im Umfeld herrschte Euphorie.
Die sich auch noch lange Zeit gehalten hat. Dann haben sich die Dinge leider ein wenig anders entwickelt. Aber bei unseren Heimspielen ist die Hütte trotzdem voll und die Stimmung überwiegend positiv. Das kann ein großes Plus in den kommenden Monaten sein.

Wie denkt Beck über die Pfiffe?

Was ist schiefgelaufen seit November?
Wir haben die Spiele nicht mehr gewonnen, zum Teil unglücklich verloren. In Bremen, Hoffenheim oder gegen Bayern. Nur ein paar Punkte mehr, und wir säßen heute ganz anders hier und würden vielleicht nicht über einen Trainerwechsel reden.
Der wurde aber vollzogen – was die Stimmung bei vielen Fans kippen ließ. Selbst nach dem wichtigen 1:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach wollte keine Hurra-Stimmung aufkommen.
Aber die Stimmung war ja trotzdem nicht so schlecht. Uns war klar, dass wir uns generell nicht beeinflussen lassen dürfen. Deswegen haben wir alles gegeben, am Ende gewonnen und hoffen, die Stimmung über positive Ergebnisse bald wieder dauerhaft drehen zu können.
Auch Ihre Leistung wurde sehr kritisch gesehen. Beim ersten Fehlpass gab’s Pfiffe, danach wirkten Sie verunsichert.
Verunsichert nicht. Aber natürlich war es für mich kein ganz einfaches Spiel. In der Woche zuvor in Wolfsburg hatte ich das Gegentor verschuldet. Wenn es für einen persönlich im nächsten Spiel von Anfang an dann gleich auch nicht ganz so gut läuft und die Leute murren etwas, bekommt man das schon mit. Aber ich kann damit umgehen.
Und wie?
Indem ich mich nur auf mich und mein Spiel konzentriere. Je länger die Partie dauert, umso besser funktionieren die Automatismen auf dem Platz. Unmutsäußerungen gegen Einzelne oder die eigene Mannschaft erlebe ich nicht zum ersten Mal.
Die Reaktionen im Stadion sind das eine – Kommentare in den sozialen Netzwerken das andere. Dort wird mit beißender Kritik bis hin zur Häme nicht gespart. Auch Ihr Name taucht immer wieder auf.

Aus der Türkei einiges gewohnt

Klar möchte man lieber positiver wahrgenommen werden. Aber damit beschäftige ich mich nicht. Weil ich in sozialen Netzwerken nicht so viel unterwegs bin. Wir als Mannschaft konzentrieren uns auf das Wesentliche, sprich Videoanalysen, Besprechungen, Gegneranalysen. Wenn wir uns tagtäglich mit dem beschäftigen würden, was außerhalb des Platzes passiert, und anfangen würden, auf jeden Kommentar im Internet zu achten, könnte man sich irgendwann nicht mehr auf Fußball konzentrieren.
Aber den Tenor der Fanmeinung bekommen Sie sicherlich mit?
Die Kritik akzeptiere ich, und der stelle ich mich auch, sofern keine Grenzen überschritten werden. Jeder hat das Recht, seine Meinung zu äußern.
Bislang ist also alles noch im Rahmen?
Ja, und man darf auch nicht vergessen, dass uns unsere Fans in dieser Saison bislang fantastisch unterstützt haben. Der eine oder andere Punkt geht sicher auch auf ihr Konto.
In der Türkei hat man es als Spieler auch nicht gerade leicht, wenn es schlecht läuft. Inwiefern verhält es sich hierzulande anders?
In der Tat geht es in der Türkei noch ein Stück schärfer zur Sache (lacht). Die Stimmungsschwankungen bei den Fans sind teilweise schon extrem. Und in den Stadien ist auch immer gut was los. Ich erinnere mich zum Beispiel an das Finale im Supercup, in dem man sich als Spieler praktisch nicht der Seitenlinie nähern konnte. Ich musste mein Spiel immer fünf Meter nach innen verlagern, ansonsten wäre man ständig mit Gegenständen beworfen worden. Die zwei Jahre bei Besiktas haben mich insofern ein Stück weit abgehärtet.

Becks eigenes Urteil

Wenn immer andere urteilen – wie sehen Sie selbst Ihre bislang gezeigten Leistungen?
Mit Schwankungen und Luft nach oben – wie beim gesamten Team. Grundsätzlich finde ich, dass wir nicht schlecht verteidigen. Das sieht man an der Zahl der Gegentore. Man muss aber immer auch sehen, was von mir als Abwehrspieler gewünscht wird. Gegen Gladbach zum Beispiel ging es darum, hohe Bälle auf unsere zwei Stürmer zu schlagen, weil wir auf die zweiten Bälle gehen wollten. Da ist es schwer zu glänzen. Andererseits habe ich in der Vorrunde nach Josip Brekalo die meisten Torschussvorlagen geliefert. Leider sind daraus wenig Tore entstanden. Mit etwas mehr Spielglück hätte ich schon vier oder fünf Assists.
Welche Anforderungen stellt Tayfun Korkut an Abwehrspieler im Vergleich zu Hannes Wolf?
Im Wesentlichen hängt es davon ab, ob du in einer Vierer- oder Fünferkette verteidigst. In der Fünferkette liegt der Fokus je nach Ausrichtung für mich als Außenverteidiger stärker auf der Außenbahn und dem Spiel nach vorne. Bei der Viererkette liegt das Spiel mehr zentral vor mir, die reine Verteidigungsarbeit rückt mehr in den Vordergrund. Verkürzt gesagt geht es unter Tayfun Korkut darum, die Bälle schneller und direkter ins vordere Drittel zu bringen.
Die Rückkehr zum einfachen und zweckmäßigen Fußball.
Nicht unbedingt. Das Gladbach-Spiel war sicher extrem, weil sie uns mit ihrer Spielstärke in der zweiten Halbzeit schon stark eingeschnürt haben. Aber es ist doch logisch, dass sich ein neuer Trainer erst einmal auf die Grundlagen besinnt. Er versucht in der Kürze der Zeit, die Spieler nach ihren Stärken bestmöglich einzusetzen und keine Experimente zu wagen. In dieser Phase geht es für uns einzig darum, Punkte zu sammeln.
Das heißt, die volle Schönheit des VfB-Spiels wird sich frühestens nach dem Spiel am Sonntag beim FC Augsburg entfalten?
Dort wird es sicher den nächsten Abnutzungskampf geben. Aber wenn wir die Punkte holen, brauchen wir uns nicht zu entschuldigen – egal, wie wir gespielt haben. Aber klar: Irgendwann wollen wir unseren Fans auch wieder schöneren Fußball zeigen.