Borna Sosa trainiert seit rund einer Woche beim VfB Stuttgart. Foto: Pressefoto Baumann / Illustration: Sebastian Ruckaberle

Borna Sosa hat sich schnell in Stuttgart eingelebt – auch, weil er mit seinen Landsleuten die WM-Erfolge der Kroaten feiert. Im Interview sagt er, was er dem Team noch zutraut – aber auch, was er mit dem VfB vorhat.

Stuttgart - Borna Sosa ist erst seit wenigen Tagen in Stuttgart – und doch hat der Neuzugang des VfB hier schon einiges erlebt. Vor allem auch die emotionalen Feierlichkeiten der Kroaten, die aufgrund ihrer derzeitigen Erfolge bereits seit Wochen in der Innenstadt die Nacht zum Tag machen.

Lesen Sie hier: Die Aussagen von VfB-Neuzugang Borna Sosa auf Kroatisch

Herr Sosa, die ersten Tage hier in Stuttgart hätten mit Blick auf Ihre Eingewöhnung gar nicht besser verlaufen können, oder?
Sie meinen, weil ich hier bereits mit vielen Kroaten feiern konnte?
Genau. Am vergangenen Wochenende wurde der Sieg im WM-Achtelfinale gegen Dänemark auf der Theodor-Heuss-Straße frenetisch bejubelt – und Sie waren mittendrin.
Das ist richtig. Und es war einfach unglaublich. Dass hier in der Region viele Kroaten leben, wusste ich – aber mit einer solchen Stimmung habe ich nicht gerechnet. Erst war ich ein wenig traurig darüber, dass ich das Spiel nicht in Zagreb verfolgen konnte. Aber im Nachhinein muss ich sagen: Das war Wahnsinn – und nicht weniger emotional als in Zagreb.
Wurden Sie von den Fans erkannt?
Ja, auch während des Spiels wurde ich immer wieder nach Selfies und Autogrammen gefragt. Das ging sogar so weit, dass ich irgendwann die Leute bitten musste, vielleicht später nochmal zu kommen. Schließlich war ich selbst wahnsinnig nervös und konnte es – wie die vielen Fans – vor Spannung kaum aushalten. Umso größer war hinterher die Freude bei uns allen.

Borna Sosa fühlt sich schon wie zu Hause

Das Viertelfinale an diesem Samstag (20 Uhr/ARD) gegen Russland werden Sie dann vermutlich wieder mit den Fans verfolgen?
Ja, auf jeden Fall. In Stuttgart gibt es wohl keinen besseren Ort, um das Spiel zu sehen. Man schaut gemeinsam, zittert gemeinsam – und feiert hinterher hoffentlich gemeinsam. Insofern fühle ich mich hier schon jetzt beinahe wie zu Hause.
Seit nunmehr 20 Jahren konnten die Kroaten kein K.-o.-Spiel für sich entscheiden – nun scheint der Bann gebrochen. Was trauen Sie dem Team zu?
Der Sieg gegen Dänemark war immens wichtig, das war alles andere als eine leichte Partie. In Kroatien wussten alle seit Jahren, dass diese Generation außerordentliches Talent besitzt. Nun ist man endlich diesen Schritt in der K.-o.-Runde gegangen. Das ist bereits jetzt ein großer Erfolg. Doch nicht nur ich denke: Da geht noch mehr. Zum ersten Mal seit Jahren besitzen wir nicht nur herausragende Einzelspieler, sondern eine verschworene und in sich stimmige Mannschaft. Die Jungs leben gerade ihren Traum.
Sie selbst waren Teil des vorläufigen Kaders von Nationaltrainer Zlatko Dalic. Wie haben Sie ihn und die Stimmung im Team während der Vorbereitung wahrgenommen?
Außerordentlich gut. Der Trainer weiß um die fußballerischen Fähigkeiten seiner Spieler und geht darüber hinaus individuell auf die einzelnen Charaktere ein. Er ist unglaublich menschlich, spricht viel und weiß, dass er mit Luka Modric den momentan vielleicht besten Spieler der Welt in seinen Reihen hat. Beide arbeiten eng zusammen und sprechen nahezu jedes Detail miteinander ab.

Josip Brekalo konnte nur Gutes berichten

Dass Sie selbst bei der WM nicht dabei sind, enttäuscht Sie nicht?
Nein. Ich war froh, eine kurze Zeit lang ein Teil des Ganzen gewesen zu sein. Und man muss auch sagen: In der vergangenen Saison war ich mitunter verletzt, konnte bei Dinamo Zagreb nicht immer spielen. Für mich ist die Nationalmannschaft noch kein vordergründiges Thema. Ich möchte Schritt für Schritt gehen und mich hier in Stuttgart zurechtfinden. Schließlich bin ich ja noch jung (lacht).
Apropos Stuttgart: Vor Ihrem Wechsel haben Sie sich sicher nach dem VfB erkundigt?
Klar, vor allem bei meinem guten Freund Josip Brekalo, der bis vor Kurzem noch hier gespielt hat. Er konnte nur Gutes über den Verein berichten. Insbesondere, dass man hier als junger Spieler eine echte Chance erhält und nicht so sehr unter Druck steht wie etwa beim FC Bayern München. Und dann war da noch was...
Nämlich?
Der Sportchef Michael Reschke hat uns Bilder und Videos gezeigt von den Fans und ihren Choreografien in der Kurve. Das hat mich sehr beeindruckt. Auch davon hatte mir Josip schon erzählt: Die Unterstützung der Fans hier ist offenbar gigantisch. Deswegen freue ich mich wirklich schon sehr darauf, hier zu spielen.
Hier in Deutschland bewundern viele Menschen die Sportnation Kroatien. Nicht nur die Fußballer sorgen derzeit für Aufsehen: Da gibt es den Tennisspieler Marin Cilic, die Diskuswerferin Sandra Perkovic, die Handballer, Basketballer und und und... Wie ist es zu erklären, dass ein so kleines Land derart viele Spitzensportler hervorbringt?
Ich denke, das liegt zum einen an unserem großen Ehrgeiz – und zum anderen am riesigen Enthusiasmus. Wir Kroaten lieben den Sport, nicht nur den Fußball. Und wir lassen uns sehr schnell von den Leistungen unserer Sportler begeistern und feiern diese auch ausgiebig. Sportstars werden zu Vorbildern, und so wollen auch viele Kinder und Jugendliche so sein wie ihre Idole. So kommt eins zum anderen.

Auf den Spuren von Marcelo und Alaba

Wer ist Ihr sportliches Idol?
Mit Blick auf die Linksverteidiger sucht man in Kroatien immer den „neuen Robert Jarni“. Insofern ist er eine Art Idol für mich, auch wenn ich ihn bewusst nie wirklich habe spielen sehen (lacht). Gegenwärtig gefallen mir auf dieser Position vor allem die mitspielenden Akteure – zum Beispiel Marcelo oder David Alaba. Also diejenigen Spieler, die auf dieser Position auch mal improvisieren.
Mit dem VfB steht die Saisonvorbereitung an. Was sind Ihre ersten Ziele?
Zunächst möchte ich verletzungsfrei bleiben und eine gute Vorbereitung absolvieren. Wenn dann die Saison startet, wird es für mich erst einmal auch kein großes Problem sein, sollte ich nicht regelmäßig spielen. Ich bin noch jung und kenne meine Fähigkeiten. Ich werde alles dafür geben, um dem Trainer und den Fans zu zeigen, dass man auf mich bauen kann – jederzeit.