Ex-Hertha-Coach Jos Luhukay: Kommt er zum VfB Stuttgart? Foto: dpa

Präsident Wahler ist weg, aber Trainer Kramny steht am 5. August zum Saisonstart auch nicht an der Seitenlinie. Der Bundesliga-Absteiger braucht möglichst schnell einen Trainer, der weiß, wie die zweite Liga tickt und der Erfolge vorweisen kann. Aber davon gibt’s nicht viele.

Stuttgart - Sie ist die wirtschaftlich erfolgreichste zweite Liga der Welt. Was die Aufgabe aber nicht einfacher macht. Das Ballett-Röckchen jedenfalls taugt beim Unternehmen Wiederaufstieg nicht als Berufskleidung für die Helden vom VfB. Und der Coach braucht auch nicht Philosophie studiert zu haben. Gut allerdings, wenn er weiß, was nötig ist, um das Unterhaus schnell wieder zu verlassen. Da landet jede Trainer-Findungs-Kommission schnell bei Jos Luhukay (52), dem Niederländer mit dem markanten Schnauzbart. Nach Recherchen unserer Zeitung steht der Fußball-Lehrer aus Venlo ziemlich weit oben auf der Namensliste des VfB. Was keine große Überraschung ist: Luhukay ist nach Düsseldorfs Coach Friedhelm Funkel (sechs Aufstiege) der Aufstiegs-Meister der zweiten Liga. Mit vier Vereinen nahm er die Hürde ins Oberhaus. Als Co-Trainer mit dem 1. FC Köln (2003), als Chefcoach mit Borussia Mönchengladbach (2008), dem FC Augsburg (2011) und Hertha BSC (2013). Gedankenspiele gab es offenbar auch mit Heidenheims Chefcoach Frank Schmidt, der aber noch vier Jahre auf der Ostalb gebunden ist. Und eine Ablösesumme für einen Coach kann und will der VfB nicht zahlen. Darmstadts Dirk Schuster ist inzwischen wohl aus dem Rennen, in dem Sandhausens Trainer Alois Schwartz nie war. Bleibt noch Schalkes Ex-Coach André Breitenreiter, fraglich aber, ob er in die zweite Liga gehen würde.

Keine Rücksicht auf Einzelschicksale

Luhukay dagegen sucht seit seiner Entlassung bei Hertha BSC im vergangenen Jahr einen Job. Er genießt den Ruf eines gewissenhaften Arbeiters, guten Strategen und eines Trainers, der zwar Autorität ausstrahlt, die Spieler fördert und fordert, im Zweifelsfall aber auf Einzelschicksale keine Rücksicht nimmt. Das klingt alles so, als könnte er das verkörpern, was der VfB jetzt dringend braucht. Denn wer denkt, dass mit der künftigen VfB-Mannschaft auch der Busfahrer aufsteigen könnte, irrt gewaltig. Die zweite Liga ist kein Kuschelseminar – und Aue im sächsischen Erzgebirgskreis ein schönes Städtchen. 16 000 Einwohner, es gibt den Kleingarten- und Rassekaninchenzuchtverein S9 Auer Tal e.V., eine Bergbautradition und alle Nase lang eine Kneipe. Das Klima gilt als rau.

Und wer sich umhört bei den Sportsfreunden der Zweiten Fußball-Bundesliga, gelangt zur Erkenntnis: Man muss da nicht hin. Vor allem nicht im November. Oder im März. Und schon gar nicht, um dort Fußball zu spielen. Aber weil Erzgebirge Aue nach einer Ehrenrunde in der Dritten Liga wieder aufgestiegen ist, kommt auch der VfB in den Genuss des Reizklimas nahe der Grenze zu Tschechien. Heißblütige Fans, Gegenspieler in Kampfanzügen und dünne Luft schon auf 350 Meter über dem Meeresspiegel.

Die Saison in der zweiten Liga beginnt am 5. August. Und wenn es klappen soll mit dem Unternehmen Wiederaufstieg, dann muss der Hoherat des Bundesliga-Absteigers noch ein paar Schalter umlegen in den Köpfen seiner Chefpiloten. Denn harte Landungen sind auf den kurzen Pisten auf St. Pauli, in Dresden, Braunschweig oder Fürth nicht auszuschließen. Die Gegner verfügen häufig über eine begrenzte spielerische Substanz, dafür sind die Zweitligamannschaften in der Regel defensiv gut organisiert und kämpferisch auf hohem Niveau. Und weil vielerorts die Stars fehlen, die in engen Spielen den Unterschied machen, ist der Teamgeist eher noch ein wenig stärker ausgeprägt als unter den Ich-AGs im Oberhaus.

Ganze Kerle, keine Muttersöhnchen

„Das wird für den VfB wie für einen Bundesligisten, auswärts, in der ersten oder zweite Pokalrunde“, sagt ein Profi, der die zweite Liga so gut kennt wie seine Westentasche, aber lieber nicht genannt sein will. Man sieht sich ja immer zweimal im Leben. „Da brauchst du ganze Kerle, keine verwöhnten Muttersöhnchen“, sagen alle, die schon mal das zweifelhafte Vergnügen hatten, durch die zweithöchste deutsche Spielklasse zu touren. Das Duell gegen Erzgebirge Aue steht sinnbildlich für die Mühen, die Kicker erwarten, die in der Komfortklasse Bundesliga gepampert wurden. „Manchmal wirst du regelrecht durchs Stadion geprügelt“, sagt ein Kenner der zweiten Liga, „da brauchst du als Ex-Bundesligist eine Mentalität aus Stolz auf deinen Verein und Respekt vor dem Gegner.“

Wer wissen will, was das im Alltag bedeutet, fragt am besten nach beim SC Freiburg. Kein anderer Club beherrscht diese Gratwanderung besser als der aktuelle Rückkehrer in die Bundesliga. Bei den Profis aus dem Breisgau ist der Wandel zwischen den zwei Welten ein Teil ihrer sportlichen DNA.

Wenn es stimmt, was die Spatzen vom Dach des Wasen-Kreml pfeifen, dann geht der VfB Stuttgart mit einem Lizenzspieleretat von 25 Millionen Euro in die Zweitligasaison. Das ist fast doppelt so viel wie in Heidenheim oder Nürnberg. Viel schief gehen darf trotzdem nicht. Denn eine zweite Spielzeit im Unterhaus würde den Verein wohl an den Rand des Ruins treiben. Dann müsste der Etat um mindestens weitere 15 Millionen Euro schrumpfen. Von dort ist es dann bis zur Selbstzerstörung nicht mehr weit. Das abschreckende Beispiel: Der Niedergang von Alemannia Aachen.

Beispiele, die Mut machen

Andererseits: Es gibt auch Fälle, die Mut machen. Eintracht Frankfurt gelang schon vier Mal die Rückkehr in die Bundesliga, wenn auch nicht immer auf Anhieb. Hertha BSC stieg fünfmal ab, zuletzt 2012 nach einem Skandal-Relegationsspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Ein Jahr später kehrte die alte Dame in die Eliteklasse zurück. Auch Borussia Mönchengladbach hat es zweimal erwischt. Der Schlüssel zur erfolgreichen Rückkehr in die Bundesliga war immer der gleiche: Die Vereinsbosse behielten kühlen Kopf, bündelten die Kräfte und setzten auf personelle Kontinuität. „Man muss gute Nerven haben, Ruhe bewahren, auch wenn man im November noch nicht auf einem Aufstiegsplatz steht“, sagen Kenner der zweiten Liga, „am Ende setzt sich Qualität fast immer durch.“ Der Weg zurück ist steil und voller Steine. Aber schon Goethe wusste, dass sich auch daraus was Schönes bauen lässt.