Am Neckartor soll es stadtauswärts eine Busspur geben. Die rechte Fahrspur für Autos fiele weg. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Debatte um das Dieselfahrverbot für Stuttgart vor dem Verwaltungsgericht wirft grundsätzliche Fragen zum Verständnis des Rechtsstaats auf.

Stuttgart - Es war sein letzter Auftritt in Sachen Fahrverbote, und der hätte im Saal 2 des Verwaltungsgerichts Stuttgart am Mittwochabend rasch und ohne viel Aufhebens über die Bühne gehen können. Objektiv betrachtet ging es im Zwangsgeldverfahren unter der Leitung von Richter Wolfgang Kern um nicht mehr viel: um 10 000 Euro, die von einer Kasse des Landes in die nächste wechseln, und um ein paar hundert Meter Busspur am Neckartor. Da wiegen die Diesel-Fahrverbote bis Euro 4 und ab 2020 bis Euro 5 deutlich schwerer.

Doch zwei Entscheidungsträger der Grünen, Uwe Lahl, Amtschef im Verkehrsministerium, und Regierungspräsident Wolfgang Reimer, orchestrierten das Verfahren 250 Minuten lang derart widerborstig, dass Kern bei aller Zurückhaltung mehrfach grundsätzlich werden musste. Das gefühlt halbe Regierungspräsidium saß in den Zuhörerreihen, denen manches Murren und mancher Seufzer entstieg.

Fakten sind nicht geklärt

Das Land hatte dem Gericht erst am Tag zuvor die Ergänzung des Stuttgarter Luftreinhalteplans (22 Seiten) vorgelegt, es aber versäumt, wesentliche Fakten zu klären. Zum Beispiel das Faktum, ab welchem Stickstoffdioxidwert das Euro-5-Dieselverbot 2020 obsolet wäre. Eine „deutliche Abnahme“ könne es entbehrlich machen. Doch was ist „deutlich“? 44, 45 oder 46 Mikrogramm im Jahresmittel, wiegte Lahl den Kopf, oder auch 50, wenn die Bundesregierung den Grenzwert (er liegt bei 40) dahin ändere. Die Landesregierung werde das entscheiden.

Zweites Beispiel: Die Busspur, mit der ein alter Vergleich des Landes mit Anwohnern erfüllt würde, könne bei zu viel Stau auch bald aufgehoben werden. Der Vergleich wäre dann wieder nicht erfüllt, wie also lautet der Plan B?, bohrte Kern nach. Man habe keine Plan B, antwortete Lahl. Am Ende sei die Busspur eben eine politische Entscheidung. Man habe den Plan B schon, so RP-Chef Reimer, er könne ein Euro-5-Dieselverbot für die Strecke aussprechen. „Dann müsste ich dich anweisen, das nicht zu tun“, wandte sich Lahl angesäuert an den RP-Chef. Was der eben gesagt habe, „kann nur eine persönliche Äußerung gewesen sein“, so Lahl zum Richter, er habe kein Mandat.

Rechtsstaat in Gefahr?

Nach diesem Geplänkel war Kerns Reservoir an Langmut erschöpft. Es gebe „keinen politischen Entscheidungsspielraum darüber, ob man geltendes Recht einhält oder nicht“, so der Richter. „Sie unterliegen keinen Weisungen, Sie wissen, dass die Instanz über Ihnen keine Richtlinienkompetenz hat, weder der Ministerpräsident, noch dessen Stellvertreter. Will diese Koalition die elementaren Spielregeln dieses Rechtsstaates außer Kraft setzen?“ schloss Kern seine Standpauke an die Spitzenbeamten. „Das müsste ich ihm mal sagen“, räumte Lahl beim Stichwort Ministerpräsident ein. Kern darauf: „Ja, das müssten Sie“.

Wolfgang Kern wird 2019 im Rahmen einer üblichen Abordnung für ein Jahr zum Verwaltungsgerichtshof wechseln. Die Zuständigkeit für Fahrverbote wechselt dann auch, wohl von der 13. zur neuen 17. Kammer. Grund: Klagen gegen die Ablehnung von Ausnahmegenehmigungen vom Fahrverbot würden sonst bei jeder Kammer anlanden, in der die Ehefrau des Stuttgarter Ordnungsbürgermeisters, der über Ausnahmen entscheidet, den Vorsitz führt. Die Neuverteilung hat das Präsidium nach dem Hinweis der Betroffenen entschieden.