Der neue Tiefbahnhof soll Ende 2025 in Betrieb gehen. Ob bis dahin die Klagen zur Finanzierung des Milliardenprojekts Stuttgart 21 geklärt sind? Foto: DB Stuttgart-Ulm GmbH/Arnim Kilgus

Seit sechs Jahren klagt die Bahn AG auf die Mitzahlung von Milliarden-Mehrkosten durch die Partner von Stuttgart 21. 2023 soll es zur ersten Verhandlung kommen.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart (VG) ändert seine Pläne für die Verhandlung von Klagen der Deutschen Bahn zur Mitfinanzierung des Projekts Stuttgart 21. Aufgerufen werden solle nun auf Wunsch der Beteiligten zuvorderst die Klage gegen das Land Baden-Württemberg, so ein Gerichtssprecher.

Die zuständige Kammer hatte eine Portionierung der diversen Klagen vorgesehen. Zunächst sollten die wohl weniger umfangreichen gegen den Flughafen und den Verband Region Stuttgart entschieden werden. Mit der ersten Verhandlung sei nun nicht vor April 2023 zu rechnen, zuvor war Februar in Aussicht gestellt worden.

Je vier DB-Gesellschaften gegen vier Partner

Die Gefechtslage im Streit um die Milliarden-Mehrkosten ist kompliziert. Vier Bahn-Gesellschaften, die Deutsche Bahn AG, die DB Netz AG, die DB Station und Service sowie die DB Energie GmbH klagen seit Ende 2016 jeweils gegen das Land Baden-Württemberg, den Verband Region Stuttgart, die Flughafen Stuttgart GmbH und die Landeshauptstadt Stuttgart. Diese sind durch verschiedene Anwälte vertreten.

Im Kern der Rechtsstreitigkeiten steht die Frage, ob die Projektbeteiligten zur weiteren Mitfinanzierung über die 2009 vertraglich fixierte Summe von 4,526 Milliarden Euro (davon 1,45 Milliarden Euro Risikopuffer) hinaus verpflichtet sind. Nach der jüngsten Prognose erwartet die Bahn AG Kosten von bis zu 9,79 Milliarden Euro. Von der Differenz zur ursprünglich ausgehandelten Summe sollen die Beklagten wie beim Risikopuffer rund 65 Prozent beisteuern. Gespräche über die Verteilung des finanziellen Desasters blieben ohne Ergebnis. Der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hatte den Finanzierungsvertrag für Stadt und Region Stuttgart mit unterschrieben.

Verfahren noch in der ersten Instanz

Beim Verwaltungsgericht ist man sich darüber im Klaren, dass die erste Instanz für die Streitparteien auch angesichts des strittigen finanziellen Volumens nur eine Durchgangsstation sein wird. Unklar ist, ob nach der Klage gegen das Land weitere vor dem VG verhandelt werden oder die eine Entscheidung durch die Instanzen getrieben wird. Sie könnte als Muster für weitere gelten. Die Verfahren sind nicht nur aufwendig – bei Gericht liegen inzwischen mehr als 12 000 Seiten – sondern für manchen Berufsstand auch jenseits der komplexen juristischen Fragestellung attraktiv. Die Landeshauptstadt rechnet pro Feststellungsklage für die erste Instanz mit Gerichts- und Anwaltskostenrisiken von einer Million Euro.

Partner können auch gegeneinadern klagen

Diesen Wert nennt sie in der Begründung zur Verjährungsverzichtsvereinbarung, die das Land, die Region, der Flughafen und die Stadt nun von 2022 bis zum 31. August 2024 verlängert haben. Verjährungsverzicht bedeutet, dass die Projektpartner im Falle des Erfolgs des Schienenkonzerns wechselseitig Ansprüche gegeneinander geltend machen, sich also gegenseitig verklagen könnten.

Denkbar seien Ansprüche auf eine Vertragsanpassung, eine Freistellung, einen Ausgleich, einen Rückgriff oder einen Schadensersatz. Um die Verjährung solcher Ansprüche zu verhindern, wurde bereits im Jahr 2017 ein Verjährungsverzicht vereinbart. Er wurde nun nochmals verlängert, womit „kein Anerkenntnis von Ansprüchen des Landes oder der anderen Projektpartner“ verbunden und auch „kein Indiz für das Bestehen solcher Ansprüche“ gegeben sei.