Im Rems-Murr-Kreis kommt die Hilfe im Notfall oft zu spät. Foto: dpa

Seit zwölf Jahren betreibt Helmut Winkler in Fellbach sein „Sani-Team“ mit sechs einsatzbereiten Fahrzeugen. In der Notfallrettung eingesetzt wird das Unternehmen aber nicht.

Fellbach - Bei der Notfallrettung hat der Rems-Murr-Kreis ein ernstzunehmendes Problem: Weil Personal fehlt und die Einsatzzahlen stetig steigen, kommen die Helfer immer später zum Patienten. Seit 2016 wird die gesetzlich vorgegebene Hilfsfrist für den Rettungsdienst nicht mehr eingehalten. Laut Vorschrift müssen die Helfer nach einem Notruf binnen zehn Minuten am Einsatzort sein. Weil das vor allem in ländlichen Gebieten in der Praxis oft nicht zu schaffen ist, sind im Rettungsdienstgesetz gleich zwei Hintertürchen eingebaut. Zum einen gilt der Einsatz auch als erfolgreich erledigt, wenn nicht mehr als 15 Minuten zwischen Alarm und dem Auspacken der Notarzttasche verstreichen. Zum anderen wird ein Haken unter die Quote gemacht, wenn die Hilfsfrist wenigstens in 95 Prozent der Fälle eingehalten ist.

Sani-Team-Chef Helmut Winkler und Katherine Förster. Foto: FZ
Doch selbst mit diesen zwei Puffern reißt der Rettungsdienst im Rems-Murr-Kreis die Latte. Die Gründe liegen auf der Hand: Erstens leiden auch Notfallhelfer unter dem wachsenden Verkehr, der Weg ins neue Klinikum in Winnenden ist weiter als zu den einstigen Krankenhaus-Standorten in Backnang und Waiblingen. Zweitens hat sich die Zahl der Einsätze enorm erhöht. Laut Sven Knödler, Geschäftsführer beim Roten Kreuz im Rems-Murr-Kreis, fallen mittlerweile 40 Prozent mehr Alarmrufe als noch vor Jahren an. Das liegt nicht nur am demografischen Wandel mit einer wachsenden Zahl hochbetagter Menschen, sondern auch am Rückgang der Hausärzteversorgung. Verändert hat sich außerdem die Anspruchshaltung der Bevölkerung – der Rettungsdienst wird immer öfter auch bei Bagatellfällen gerufen.

Ein Strukturgutachten für die Notfallhelfer hat deshalb bereits im November 2018 zu einem weitreichenden Beschluss geführt: Mit einem Millionenbudget wird der Rettungsdienst im Kreis mit 55 zusätzlichen Vollzeitkräften und 5,5 neuen Fahrzeugen ausgestattet. Weil es vor allem in der ländlich strukturierten Nordhälfte des Landkreises mit den Hilfsfristen klemmt, wird der Standort des Notarzt-Wagens von Althütte nach Murrhardt verlegt, das Sulzbacher Fahrzeug wechselt von der Zwölf-Stunden-Schicht in den 24-Stunden-Modus, in Welzheim wird ein zusätzliches Fahrzeug stationiert. Und: Auch das Personal der Leitstelle wird aufgestockt, in Fellbach soll es einen weiteren Rettungswagen geben. Das Budget des Rettungsdienstes (2018: 14,9 Millionen Euro) wird außerdem um vier Millionen Euro erhöht.

Neben Sanitätsdiensten hat Winkler auch Krankentransporte im Angebot

Gern auch ein Stück von diesem Kuchen hätte Helmut Winkler. Der in Rommelshausen lebende Mann betreibt in Fellbach unter dem Firmennamen Sani-Team seit mittlerweile zwölf Jahren eine private Rettungswache. Standort des Betriebs ist die Ohmstraße am Rand des Schmidener Industriegebiets, vom Büro kann man auf die Bühlstraße sehen. Neben Sanitätsdiensten bei Veranstaltungen hat Winkler, von Haus aus gelernter Kraftfahrer, auch qualifizierte Krankentransporte im Angebot. Laut dem 61-Jährigen ist das Sani-Team die einzige Organisation im Rems-Murr-Kreis, die an 365 Tagen im Jahr auch wirklich rund um die Uhr einen Wagen für den Krankentransport vorhält. Sechs Fahrzeuge hat Helmut Winkler im Einsatz, für die etwa 8000 Fahrten im Jahr koordiniert die Wachenleiterin Katherine Förster die Dienstpläne von 30 Mitarbeitern. Und: Seit knapp drei Jahren bildet Sani-Team auch eigenständig Rettungssanitäter aus.

Das hätte sich beim Ausbau der Notfallrettung im Rems-Murr-Kreis als großer Vorteil erweisen können: Laut Helmut Winkler hat sein Unternehmen genug Personal an der Hand, um binnen nur vier Monaten ein Fahrzeug für Rettungsein-sätze stellen zu können. Die ehrenamtlich organisierte Konkurrenz will sich nach seiner Kenntnis bis zu drei Jahre Zeit für die Umsetzung lassen. Offiziell ist diese Aussage noch nicht – erst bei einer Sitzung im für den Rettungsdienst zuständigen Bereichsausschuss Mitte Februar sollen die Organisationen auch einen Zeitplan für die Umsetzung vorlegen. Zu hören ist, dass mit Blick auf den Personalmangel mit einer Phase von zwei bis drei Jahren gerechnet wird, bis die im November beschlossenen Maßnahmen umgesetzt sind.

Winkler schickt ein Angebot an den Rems-Murr-Landrat

Auch deshalb hat Helmut Winkler sein Angebot in einem Brief an Rems-Murr-Landrat Richard Sigel untermauert. Auch die Kreistagsfraktionen lud er schriftlich zu einem Kennenlern-Besuch in der Fellbacher Rettungswache ein. Denn Winkler stört sich durchaus an der aus seiner Sicht fehlenden Transparenz bei der Vergabe. „Wenn der Landrat nicht nur Chef der Aufsichtsbehörde ist, sondern auch als DRK-Kreisvorsitzender fungiert, ist das schon ein Spagat“, sagt er. Tatsächlich hatte das Rote Kreuz bis in jüngster Zeit eine Art Monopol für den Rettungsdienst im Rems-Murr-Kreis. Die Organisation betreibt nicht nur die integrierte Leitstelle in Waiblingen, sondern auch sämtliche Rettungswachen. Erst die Übernahme des Standorts in Sulzbach durch die Malteser schlug eine erste Bresche, die jetzt angestrebte Neuordnung sollen DRK, Malteser, die Johanniter-Unfallhilfe und der Arbeiter-Samariter-Bund gemeinsam stemmen. Laut Landrat Richard Sigel ist es rechtlich auch völlig in Ordnung, „für den bestmöglichen Schutz der Gesundheit der Bürger gerade den in der Notfallrettung bewährten Leistungsträgern eine Sonderstellung einzuräumen“. Das Rettungsdienstgesetz des Landes sehe deshalb sogar vor, dass nur die vier genannten Hilfsorganisationen bei der Notfallrettung im Einsatz sein dürfen. Sigel empfiehlt Winkler in einem Antwortschreiben deshalb, einen Kooperationsvertrag etwa mit dem Roten Kreuz zu schließen – und quasi als Subunternehmer auf die Einsatzfahrten zu gehen. „So ein Gesetz gibt es nicht mal mehr in Bayern“, sagt Helmut Winkler. Aus seiner Sicht wollen die Hilfsorganisationen sich nur die private Konkurrenz vom Leib halten. Winkler fühlt sich ausgebootet. „Es geht doch um das Wohl der Bevölkerung im Rems-Murr-Kreis“, sagt er. „Die will im Notfall schnelle Hilfe erhalten – egal, welcher Schriftzug da aufs Auto geklebt ist.“