Die Wohnung ist in nahezu allen Räumen über und über mit Schimmel befallen. Das Haus soll auf kurz oder lang abgerissen werden. Foto: Caroline Holowiecki

Gerade erst ist eine afghanische Großfamilie in ihre erste eigene Wohnung in Stuttgart-Plieningen gezogen, nun muss sie dringend wieder raus. Der Grund: Schimmel. Der Vermieter, der Chef einer Wohnbaufirma, weist jede Schuld von sich.

Plieningen - Das Glück war nur von kurzer Dauer. Fünf Jahre hat die Familie Faqiri in einer Asylunterkunft in Degerloch gelebt, dann hat sie endlich eine eigene Wohnung gefunden. Im September sind die Eltern Firuze und Bashir Faqiri und ihre fünf Kinder Fatima (13 Jahre), Mahnaz (12), Maria (9), Mohammad (7) und Yusuf (2) in ein altes Haus im Zentrum von Plieningen eingezogen. Doch nun muss die afghanische Familie schnell wieder raus. Der Grund: Die Wohnung ist über und über mit Schimmel befallen. Hinter den Sofas im Wohnzimmer kriechen schwarze Flecken die Wände hinauf, unter dem Schlafzimmerfenster, direkt am Bett, hat sich die Wand hinterm Vorhang grünlich verfärbt, und über der Toilette sieht es aus, als hätte es gebrannt. Nur, dass das kein Ruß ist.

Nicole Steiger aus Degerloch unterstützt die Faqiris dabei, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen. „Eine siebenköpfige Familie hat in Stuttgart keine Möglichkeit, eine Wohnung zu finden“, sagt sie, und das obwohl Bashir Faqiri einen Job bei einer Baufirma hat. Sichtbaren Schimmel habe es zunächst nicht gegeben, allgemein sei die Wohnung von Anfang an in keinem guten Zustand gewesen.

„Ich habe Angst um meinen Sohn“

Es gibt keine Heizung, nur zwei Elektroradiatoren. Das Duschwasser sei kalt. „Wäre nicht Corona gewesen, hätten wir alle gesagt: Das ist eigentlich nichts“, so Steiger. Sie spricht von der Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Zustände jetzt seien aber untragbar. „Ich habe Angst um meinen Sohn, er hat Lungenprobleme“, sagt Firuze Faqiri. Ihre älteste Tochter Fatima sagt: „Ich kann nicht oben in meinem Zimmer schlafen. Es ist sehr kalt.“

Der Vermieter, der Chef einer Wohnbaufirma, weist jede Schuld von sich. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. „Der Schimmelbefall ist entstanden durch die Nutzung und das Verhalten der Familie“, betont er. Zuvor habe es in dem Haus nie derartige Probleme gegeben. Er spricht von falscher Lüftung und schließt sowohl eine Mietminderung als auch eine Beseitigung der Schimmelfelder seinerseits aus. „Das ist definitiv nicht Vermietersache“, sagt er. Dass es keine Heizkörper gibt, sei beim Einzug bekannt gewesen. Das Haus solle auf kurz oder lang abgerissen werden. Deswegen sei der Mietvertrag der Familie nur befristet.

Wecker: Es gebe eine Willkommenskultur in Stuttgart

Die Mieter betonen, jeden Tag gut zu lüften. Sie wollen, so schnell es geht, raus. „Wir sind auch gemeldet bei der Stadt, aber die machen uns keine Hoffnung“, berichtet Nicole Steiger. Wie schwer ist es für eine kinderreiche Flüchtlingsfamilie, in Stuttgart eine Wohnung zu finden? Ulrich Wecker, der Geschäftsführer von Haus und Grund, stellt klar: „Es ist für niemanden richtig leicht, unabhängig von der Herkunft und der Familiengröße.“ Der Wohnungsmarkt sei angespannt, die Konkurrenz sei groß. Wecker betont: „Es tun sich alle sozialen Randgruppen schwerer“, zumal die Zahl der großen, familiengerechten Wohnungen unterdurchschnittlich entwickelt sei. Aber: „Es gibt viele private Vermieter, die aus Überzeugung günstig vermieten.“ In Bezug auf Geflüchtete spricht er von einer Willkommenskultur. „Ein normaler Vermieter in einer aufgeklärten Stadt wie Stuttgart wird damit kein Problem haben.“

Die Faqiris geben die Hoffnung nicht auf. „Eine gute Wohnung“, das ist Firuze Faqiris Wunsch fürs neue Jahr. Damit die Kinder die Schule nicht wechseln müssen, wird in der Umgebung gesucht. Ideal wären vier Zimmer, „aber für die Familie wäre auch erst mal eine Drei-Zimmer-Wohnung okay“, betont Nicole Steiger. „Mit einer normalen Heizung und einem normalen Bad.“