Der Ansicht von Frankreichs Präsident Sarkozy nach ist der Ganzkörperschleier ein Zeichen der Unterwerfung und Unterdrückung der Frau. Foto: dpa

Die Franzosen debattieren derzeit leidenschaftlich über ein umstrittenes Kleidungsstück: die Burka.

Paris - Klimawandel, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, das klaffende Loch in der Rentenkasse, die grassierende Staatsverschuldung - obwohl sich die Franzosen eigentlich vielen drängenden Herausforderungen ausgesetzt sehen, debattieren sie derzeit leidenschaftlich über ein Kleidungsstück: die Burka.

Im erbitterten Streit über ein gesetzliches Verbot der Totalverschleierung geht der Riss nicht nur durch die einzelnen Parteien, auch die Grande Nation ist gespalten. Jetzt wird die "Burka-Kommission" der Nationalversammlung voraussichtlich ein "Verbot in der Öffentlichkeit" vorschlagen.

Vor der prächtigen Kulisse des Schlosses von Versailles setzte Nicolas Sarkozy am 22.Juni des vergangenen Jahres einen Pflock. "Die Burka ist auf dem Territorium der Republik nicht willkommen", stellte der Präsident vor beiden Häusern des Kongresses klar. Eine Auffassung, die mittlerweile selbst von aufgeklärten islamischen Würdenträgern im Land geteilt wird. "In Frankreich hat die Burka keinen Platz", bekannte Hassen Chalghoumi, seines Zeichens Imam von Drancy bei Paris, kürzlich in einem Interview mit der Zeitung "Le Parisien". Die frühere Justizministerin und EU-Politikerin Rachida Dati, Tochter maghrebinischer Einwanderer, fügte hinzu: "Die Totalverschleierung ist weder ein religiöses Symbol noch ein kulturelles, sie ist schlichtweg eine Verletzung der Menschenwürde."

Über Burka-Verbote wird auch in Belgien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz diskutiert. Doch während anderswo in Europa bevorzugt rechte und populistische Politiker die Burka-Debatten zumeist aus wahltaktischen Erwägungen befeuern, war es in Frankreich ein orthodoxer Kommunist, der als Erster zum Feldzug gegen die Burka blies. André Gerin ist lang gedienter Bürgermeister des Lyoner Vororts Vénissieux, Mitglied der Nationalversammlung und ein vehementer Verfechter der strikten Trennung von Staat und Religion. Seit sechs Monaten steht er der Parlamentskommission vor, die das Burka-Problem von allen Seiten ausgeleuchtet hat.

Eiferer aus allen Parteien, von links außen bis zum rechten Rand, dringen nun darauf, die weit verbreitete Ablehnung der Totalverschleierung in Gesetzesform zu gießen. Danach wäre die Burka künftig in allen öffentlichen Gebäuden, darunter Rathäuser, Schulen, Universitäten und Krankenhäuser, sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln untersagt. Geht es nach dem Willen von Jean-François Copé, dem Fraktionschef der regierenden Präsidentenpartei UMP, könnte bei Zuwiderhandlungen sogar ein Bußgeld von bis zu 750 Euro drohen. Zwei von drei Franzosen begrüßen nach einer Umfrage ein gesetzliches Burka-Verbot.

Bei denjenigen, die eine derartige Vorschrift im Ernstfall zu vollstrecken hätten, regt sich jedoch Widerstand. "Wir haben jetzt schon nicht genug Personal, um die sogenannte Kleinkriminalität in den Griff zu bekommen", stöhnt ein Polizei-Brigadier. Engagierte Feministinnen wenden ein, dass ein gesetzliches Verbot für viele Burka-Frauen verheerende Folgen hätte. Sie könnten ihre Wohnungen praktisch nicht mehr verlassen und wären erst recht isoliert.

Zur Verwirrung trägt die Frage bei, welche Ausmaße das Burka-Problem in Frankreich tatsächlich angenommen hat. Die Annahme der meisten Franzosen, dass sich der umstrittene Taliban-Schleier vor allem in den Einwanderer-Ghettos der Metropolen auf dramatische Weise auf dem Vormarsch befindet, lässt sich nicht belegen. Die Polizei sprach im vergangenen Sommer von lediglich 367 Burka-Trägerinnen. Zwar legte das Innenministerium unterdessen neue Zahlen vor, wonach sich 2000 Frauen unter dem Schleier verbergen - gemessen an den insgesamt 65 Millionen Einwohnern ein Tropfen auf den heißen Stein.

Gut möglich, dass die Burka-Debatte noch bis zu den wichtigen Regionalwahlen im März für politischen Zündstoff sorgt. Erst danach könnten die Gemäßigten die Oberhand gewinnen. Selbst Nicolas Sarkozy, der ein gesetzliches Verbot für offenbar nicht praktikabel hält, dringt nur noch auf eine symbolische Resolution.