IG-Metall-Proteste kennt man bei Norgren – hier eine Szene im Kampf um den Standort Großbettlingen vor acht Jahren in Nürtingen. Foto: Pressefoto Horst Rudel/Horst Rudel

Norgren, ein führender Hersteller von Antriebstechnik, verlagert sein Geschäft von Fellbach nach Tschechien. Der Einschnitt trifft etwa 280 Beschäftigte. Die IG Metall gibt sich überrumpelt.

Fellbach - Das Unternehmen Norgren, einer der weltweit führenden Anbieter von Antriebs- und Fluidtechnik und Teil der Unternehmensgruppe IMI, will seine Produktionsstruktur in Europa auf weniger Standorte konzentrieren. Davon tangiert ist auch der Standort Fellbach, dessen Produktion nach Tschechien verlegt werden soll. Der operative Betrieb dort soll voraussichtlich Ende 2022 eingestellt werden.

Für die Arbeitnehmerseite war das eine unerwartete Hiobsbotschaft: „Für mich kam diese Entscheidung völlig überraschend“, informierte die zuständige Betriebsbetreuerin der IG Metall, Sandra Kocken, unserer Zeitung. „Ich hatte keinerlei Hinweise darauf, dass eine Verlagerung der kompletten Produktion stattfindet.“ Auch der Betriebsrat und die Belegschaft seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Diese Vorgehensweise finde ich skandalös.“ Es gehe um Familien, Existenzen und Wertschätzung für die Arbeitsleistung. „Aus dem Grund erwarte ich von der Geschäftsführung, dass sie für alternative Lösungen offen ist“, mahnt Kocken. Nächste Woche wollen Betriebsrat und IG Metall über das weitere Vorgehen beraten.

Weiterbeschäftigung im geplanten Technologiezentrum

Konkret will Norgren die Produktion inklusive der mechanischen Fertigung und der Montage vom Standort Fellbach, wo etwa Proportionalmagnetventile, Druckschalter, Inline- und Verteilerventile hergestellt werden, nach Brno in Tschechien verlagern. Bisher sind in Fellbach rund 280 Mitarbeiter beschäftigt. Im Zuge der Betriebseinstellung werden voraussichtlich rund 170 festangestellte Kräfte entlassen. Bei den befristet Beschäftigten sollen die Arbeitsverhältnisse auslaufen.

Rund 80 Mitarbeitern will Norgren voraussichtlich eine Weiterbeschäftigung in einem geplanten Technologiezentrum anbieten, wo die Entwicklung von Produktinnovationen vorangetrieben werden soll. Das Technologiezentrum soll, wie das Unternehmen mitteilt, im Raum Stuttgart und damit in der Nähe zum bisherigen Standort Fellbach entstehen und seine Arbeit voraussichtlich im Herbst 2022 aufnehmen.

Verhandlungen über einen Sozialplan

Norgren begründet den „einschneidenden Umbruch“ mit steigendem Wettbewerbsdruck und erhöhten Kundenerwartungen. „Die stärkere Konzentration unserer Produktion in Europa ist ein unausweichlicher Schritt, um unsere Zukunft zu sichern und den Anforderungen unserer Kunden zu entsprechen“, erklärt Christian Keil, Mitglied der Geschäftsführung. „Nur so lassen sich unsere Prozesse schnell genug beschleunigen und besser organisieren.“ Diese Maßnahme sei unvermeidlich, „obwohl unsere Mitarbeiter in der Produktion am Standort Fellbach in den vergangenen Jahren eine sehr gute Arbeit geleistet haben“. Nun wolle man sozial verträgliche Lösungen für die betroffenen Produktionsmitarbeiter vereinbaren. Unverzüglich sollen mit den Arbeitnehmervertretern Verhandlungen über einen Sozialplan aufgenommen werden.

Ende 2013 hatte Norgren schon sein Werk in Großbettlingen (Landkreis Esslingen) mit gut 100 Beschäftigten geschlossen. Damals mussten Mitarbeiter und IG Metall neun Wochen lang streiken, um einen letztlich zufriedenstellenden Sozialplan zu erkämpfen – ohne das Schlimmste zu verhindern.