Im Jahr 2015 gab es wieder mehr Unfälle und mehr Tote in Baden-Württemberg. Foto: 7aktuell.de

Grün-Rot wollte mit diversen Sicherheitsmaßnahmen einem Straßenverkehr ohne Verkehrstote näherkommen. „Vision Zero“ nannte die baden-württembergische Landesregierung das Ganze. Doch im vergangenen Jahr hat sich die Lage im Land verschlechtert.

Stuttgart - 483 Menschen sind im vergangenen Jahr bei Verkehrsunfällen in Baden-Württemberg ums Leben gekommen. Das ist eine Steigerung um 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr und auch mehr als im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2013 – da waren es 473 Tote pro Jahr. Von der „Vision Zero“, mit der die grün-rote Landesregierung im Jahr 2013 bundesweit Schlagzeilen machte, ist also nichts zu spüren.

Gern hätte Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Freitag Positives vom Straßenverkehr berichtet – auch mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl. Aber gleich zu Beginn seiner Erklärung musste er einräumen, dass die Unfallbilanz für das vergangene Jahr „nur wenige Lichtblicke“ enthält.

Zu den wenigen Lichtblicken zählt, dass die Zahl der Verkehrstoten unter den jungen Fahrern (zwischen 18 und 24 Jahre) 2015 von 75 auf 61 gesunken ist. Dennoch sei diese Altersgruppe nach wie vor besonders gefährdet, so Gall. Obwohl sie im Südwesten nur einen Bevölkerungsanteil von 8,5 Prozent habe, sei sie 2015 an 28 Prozent aller Verkehrsunfälle, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden, beteiligt gewesen.

Weniger getötete Radfahrer – aber immer noch hohes Risiko

Auch die Zahl der getöteten Radfahrer ging zurück, und zwar von 53 auf 42. Allerdings gab es rund drei Prozent mehr Verletzte. Bei jedem fünften Unfall mit Personenschaden sind 2015 Radfahrer beteiligt gewesen, ihr Anteil am gesamten Unfallaufkommen betrug hingegen nur gut drei Prozent. Ein weiteres Problem: Die Appelle, einen Helm zu tragen, fruchten bislang offenbar nicht. Zwei Drittel der getöteten Radfahrer hatten beim Unfall keinen Helm auf.

Hauptursache schwerer Verkehrsunfälle ist nach wie vor überhöhte Geschwindigkeit, Raserei ist laut Gall im vergangenen Jahr für jeden dritten Unfall mit Schwerverletzten und für fast jeden zweiten tödlichen Unfall verantwortlich gewesen. „Deshalb dürfen wir bei unseren Bemühungen zur Senkung des Geschwindigkeitsniveaus nicht nachlassen“, so der Minister. Tempokontrollen blieben daher ebenso wichtig wie die sporadische Überprüfung der Gurtanlegepflicht. Denn jeder vierte jener Verkehrstoten, für die zum Zeitpunkt des Unfalls Gurtpflicht bestand, hatte keinen Gurt angelegt. Jeder siebte davon war im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, hatte also alle Appelle aus der Fahrschule bereits wieder vergessen.

Viele Unfälle sind laut Gall auch auf Ablenkung zurückzuführen – zum Beispiel durch Telefonieren oder Simsen mit dem Handy. „Die Mediennutzung während der Fahrt kann lebensgefährlich sein“, so Gall. Keine Nachricht und kein Telefonat könne so wichtig sein, dafür das eigene Leben und das anderer aufs Spiel zu setzen.

18 Prozent mehr Verkehrstote in Autos

Die Zahl der getöteten Pkw-Nutzer stieg im vergangenen Jahr um fast 18 Prozent, die Zahl der Autounfälle um fast vier Prozent. Bitter auch die Entwicklung bei den Motorradfahrern. Obwohl sie mit 1,8 Prozent nur einen geringen Anteil am gesamten Unfallaufkommen haben, verunglückte fast jeder fünfte Verkehrstote auf einem Motorrad. Die Zahl der toten Biker stieg 2015 gegenüber dem Vorjahr von 101 auf 104.

Auch mehr Senioren verunglückten im vergangenen Jahr, insgesamt wurden 167 Menschen bei einem Unfall unter Beteiligung eines Seniors getötet.

Im Schnitt verlor 2015 alle 18 Stunden ein Mensch bei einem Verkehrsunfall im Land sein Leben. In acht Prozent der Fälle war Alkohol im Spiel. Die absolute Zahl der bei Alkoholunfällen Getöteten stieg von 33 auf 40.