1,50 Meter lange Schwimmnudeln zeigen bei einer Aktion von Critical Mass den Mindestabstand beim Überholen an. In der Neuffener Straße in Nürtingen sehen sich Fahrradfahrer immer wieder in die Defensive gedrängt. Foto: Vincent Laflör

Fahrradfahrer werden von Autofahrern häufig buchstäblich an den Rand gedrängt. Zu schmale Radfahrstreifen gibt es etwa in der Neuffener Straße. Im Zuge von Bauarbeiten soll dort die Situation jetzt deutlich entschärft werden.

Nürtingen - Die Überholabstände in der Neuffener Straße in Nürtingen sind zu knapp. Darauf haben Teilnehmer einer Critical-Mass-Aktion vor einigen Tagen aufmerksam gemacht. Sie befestigten Poolnudeln an ihren Fahrrädern, um zu demonstrieren, dass der Sicherheitsabstand von 1,50 Metern – den motorisierte Verkehrsteilnehmer beim Überholen von Radlern haben müssen – nicht eingehalten wird. Nachdem Mitte Februar der Bundesrat zugestimmt hat, soll nun der Überholabstand von 1,50 Meter explizit in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden.

Wer ohnehin unsicher ist, lässt sich leicht abschrecken

Die Neuffener Straße ist eine wichtige Verkehrsachse – nicht nur für Autofahrer und den Schwerlastverkehr, sondern auch für Schüler aus dem Braike-Viertel und Studenten der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. „Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass ein regelkonformes Überholen von Radfahrenden häufig nur durch einen Spurwechsel möglich ist“, sagt Sophie Gasser, eine Teilnehmerin der jüngsten Nürtinger Critical Mass. Schmale Radfahr- und Schutzstreifen werden auch an anderen Stellen in der Stadt bemängelt, etwa in der Bahnhofstraße oder auf der Stadtbrücke mit dem Fahrbahnteiler.

Michael Jäger, Vater dreier schulpflichtiger Kinder in Nürtingen, sagt: „Natürlich lasse ich meine zwei älteren Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Aber wohler wäre es mir schon, wenn es in Nürtingen sichere, breite und klar vom Autoverkehr getrennte Fahrradwege für meine Kinder gäbe. Die gibt es jedoch so gut wie nicht.“ Rolf Epple vom Kreisverband Esslingen des Verkehrsclubs Deutschland sieht einen akuten Handlungsbedarf: „Viele Leute erzählen uns, dass sie sich nicht trauen, in der Stadt mit dem Rad zu fahren. Vor allem unsichere Radler lassen sich oft abschrecken, wenn sie sich durch gefährlich dichte Überholmanöver bedroht fühlen.“ Rolf Epple fordert: „Wir wollen, dass sichere Überholabstände von Anfang an in die Planung von Straßen einbezogen werden.“

Radler wird mehr Platz zugestanden

Zumindest bei der Sanierung der Neuffener Straße soll dies nun geschehen. Bei einem Treffen der AG Rad im Rathaus werden an diesem Mittwoch Verbesserungsvorschläge vorgestellt. Wie diese aussehen, hat Peter Scharf vom Nürtinger Tiefbauamt bereits im Bauausschuss erläutert. In der täglich mit bis zu 30 000 Fahrzeugen belasteten Neuffener Straße ist der Radweg an manchen Stellen gerade einmal 1,25 Meter breit. Geplant ist nun, so Peter Scharf, im Zuge der Bauarbeiten einen zwei Meter breiten Schutzstreifen anzulegen – „das ist eine echte Ansage“, findet der städtische Verkehrsplaner.

Auto- und Lastwagenfahrer dürfen die gestrichelte Linie bei Schutzstreifen überfahren. Sind Radler unterwegs, müssen die Abstände aber eingehalten werden. Wird der Plan umgesetzt, ist vom motorisierten Verkehr künftig verstärkte Rücksichtnahme gefordert. Im Zweifelsfall wird für das Überholen mehr Zeit benötigt. Indessen hat der Stadtrat und Verkehrsplaner Bernd Sackmann im Bauausschuss für die Neuffener Straße eine Einbahnlösung ins Spiel gebracht, um Fahrradfahrer besserzustellen.

Fahrradfahrer in Esslingen fühlen sich nicht akzeptiert

Luft nach oben in der Radinfrastruktur gibt es nicht nur in Nürtingen, sondern beispielsweise auch in Esslingen. Beim Fahrradklima-Test 2018 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) landete die Stadt auf dem vorletzten Platz. Das Bündnis „Esslingen aufs Rad“ schärft ebenfalls mit Critical-Mass-Aktionen jeden dritten Freitag im Monat das Bewusstsein. Unzufriedenheit herrscht vor allem darüber, dass Fahrradfahrer „nicht als Verkehrsteilnehmer akzeptiert“ würden. Laut dem Bündnis bedeute für viele Radler das Radfahren in der Stadt „immer noch Stress“.