Auf Konfrontationskurs mit parkenden Autos: Der neue Radweg in der Hindenburgstraße. Foto: factum/

Kurze Radwegstreifen entgegen der Einbahnstraße, die nach wenigen Metern enden: Das bringt Ludwigsburg sogar zu Spiegel Online – und viel Spott. Wie steht es um das Radwegkonzept in der Stadt?

Ludwigsburg - Zehn neue Hauptrouten für Radfahrer wollte Ludwigsburg schaffen – innerhalb von zehn Jahren. Die Formel klang griffig, einfach, und damals, im Jahr 2014, dachte man noch: So schwer kann das ja nicht sein. Dann jedoch kam es wie so oft im Leben: Es wurde kompliziert. Jetzt sind fünf Jahre vergangen, und von den in Aussicht gestellten zehn Routen ist lediglich eine fertig.

Dabei hat der Ausbau des Radverkehrs für Ludwigsburg höchste Priorität, und zwar aus mehreren Gründen: Fahrräder brauchen wenig Platz und verpesten die Luft nicht. Im Gegensatz zu Autos, die nicht nur die Straßen verstopfen, sondern so viel Feinstaub und Stickstoffdioxid in die Umwelt blasen, dass in Ludwigsburg Diesel-Fahrverbote drohen. Das umweltfreundliche Rad ist also indirekt auch ein Mittel, das weniger umweltfreundliche Selbstzünder-Auto zu retten.

Denn wenn mehr Menschen aufs Fahrrad – oder auf Bus und Bahn – umsteigen, wird die Luft sauberer, und nur dann können Fahrverbote abgewendet werden. Der Radverkehr hat es deshalb sogar in den neuen Luftreinhalteplan für Ludwigsburg geschafft. Mit attraktiven und sicheren Radwegen sowie einer attraktiven Infrastruktur soll endlich auch die „Zielgruppe derjenigen erreicht werden, die noch nicht Rad fahren“, heißt es in dem Papier. Zumindest was die Infrastruktur angeht, hat die Stadt jetzt eine wegweisende Entscheidung getroffen.

Das Mega-Parkhaus

Der Standort war lange umstritten, aber in der vergangenen Woche haben sich die Ludwigsburger Stadträte geeinigt. Mit großer Mehrheit hat der Bauausschuss die Stadtwerke beauftragt, auf dem Parkhaus Schillerviertel unweit des Bahnhofs ein Parkdeck nur für Fahrräder zu errichten. Mit Wänden an den Seiten, sodass die Räder vor der Witterung geschützt sind. Platz für 700 Fahrräder soll bis Mitte 2020 entstehen, hinzu kommt eine Radstation mit Mitarbeitern, die gegebenenfalls Reparaturen durchführen können, auch eine Waschanlage ist vorgesehen.

Rund 2,2 Millionen Euro soll das Ganze kosten, ein erheblicher Teil davon wird vom Land und der EU gefördert. „Unser Ziel ist ein hochattraktives Angebot für Pendler“, sagt der Ludwigsburger Baubürgermeister Michael Ilk.

Das Vorhaben ist ein wichtiger Baustein bei der Weiterentwicklung des Bahnhofs zur Mobilitätsdrehscheibe. Das Rathaus hofft, damit viele Menschen, die im Gewerbegebiet in der Weststadt oder beim neuen Wüstenrot-Campus arbeiten, zum Verzicht auf das Auto bewegen zu können. Mit der Bahn nach Ludwigsburg, mit dem Rad bis zum Arbeitsplatz – „das ist unsere Wunschvorstellung“, sagt Ilk. „Der Bedarf ist sicher vorhanden.“

Die alte Radstation direkt am Bahnhof wird weiter betrieben, ist aber längst zu klein. Ursprünglich hatte die Stadt Standorte für das neue Mega-Parkhaus im Blick, die ebenfalls direkt am Bahnhof liegen. Sie ließen sich nicht realisieren, weshalb das Schillerviertel als einzige Alternative übrig blieb. Von dort bis zu den Gleisen sind es rund 150 Meter. Wie hoch die Parkgebühren sein werden, ist noch unklar. „Es muss günstig sein“, versichert Ilk. Vermutlich wird es Monats- oder Jahreskarten geben. Eventuell wird auf dem Parkdeck ein Bereich eingerichtet, der unbewacht bleibt, dafür aber kostenlos genutzt werden kann.

Die Einbahnstraßen

Mit den ungewöhnlichen Markierungen auf den Straßen ist Ludwigsburg unlängst auf die Internetseite von Spiegel Online gelandet – doch in diesem Fall freute sich kaum jemand über die Erwähnung in Deutschlands größtem Nachrichtenmagazin. Abgebildet wird dort ein Ludwigsburger Radweg, der direkt in eine Parkreihe mündet. Radler, die sich strikt an der Markierung orientieren, würden zwangsläufig unsanft auf der Motorhaube des ersten Autos enden. Sieht aus wie ein Schilderbürgerstreich, aber Ilk ist nicht gewillt, sich dafür zu schämen.

Im Gegenteil: Erst vor wenigen Tagen ließ er elf weitere und leuchtend rote Radschutzstreifen auf den Asphalt pinseln, allesamt in Einbahnstraßen. Viele davon liegen ebenfalls auf direktem Konfrontationskurs mit parkenden Autos.

Ilk: Der „Spiegel“ hat die Radwege nicht verstanden

„Der Spiegel hat da etwas nicht richtig verstanden“, sagt Ilk. Bei den Markierungen handle es sich nicht um Radwege im engeren Sinn, sie seien vielmehr an Autofahrer gerichtet. Als Signal, als Hinweis, der allen Verkehrsteilnehmern deutlich macht: Obwohl es sich um eine Einbahnstraße handelt, dürfen Radfahrer hier entlang fahren, auch in der Gegenrichtung. Elf Einbahnstraßen hat Ludwigsburg in dieser Woche für Radfahrer freigegeben, viele weitere sollen folgen. Wo maximal Tempo 30 gilt und die Fahrgasse mindestens drei Meter breit ist, werden Radler freie Fahrt bekommen. Das soll „unliebsame Umwege“ unnötig machen und direkte Verbindungen ermöglichen. „Auch können Radler dadurch mehr Alternativstrecken wählen“, erklärt eine Rathaussprecherin. „Es handle sich daher um eine einfache und schnell umsetzbare Maßnahme zur Radverkehrsförderung.“

Rein rechtlich würde es ausreichen, an den Einbahnstraßen Schilder anzubringen mit dem Hinweis, dass die Straße frei für Radfahrer ist. Die Markierungen sind nur ein zusätzliches Element. „Oft hupen Autofahrer oder schimpfen, wenn sie in einer Einbahnstraße auf Radfahrer treffen“, so Ilk. Der rote Streifen soll ihnen anzeigen: alles in Ordnung, ruhig bleiben.

Die Hauptachsen durch Ludwigsburg

Zehn neue und lange Hauptrouten für Radler bis 2024 – man muss für diese Vorhersage kein Prophet sein: Das wird nichts mehr. Schon über die erste dieser zehn Routen, an der Marbacher Straße in Richtung Neckarweihingen, wurde so lange gestritten, dass der Zeitplan völlig aus den Fugen ist. Die Debatte machte zudem exemplarisch anschaulich, worauf die Stadt sich bei der Planung einstellen muss: Proteste von Anwohnern und Widerstand von zahlreichen Stadträten.

Für einen neuen Radweg braucht es Platz, und diesen gewinnt nur, wer ihn anderen Verkehrsteilnehmern wegnimmt. In der Regel: den Autofahrern. Auch an der Marbacher Straße wurde der Autoverkehr auf eine Spur zurückgedrängt. Nur mit denkbar knapper Mehrheit und gegen die Stimmen von CDU und Freien Wählern boxte die Verwaltung das umstrittene Projekt durch den Gemeinderat.

Bald kommt der neue Radwegplaner

Jetzt soll es weitergehen. Anfang Juli erhält das Rathaus wieder einen Radwegeplaner, der alte hatte gekündigt, und der neue wird gleich ordentlich Arbeit auf dem Tisch haben. Die Martin-Luther-Straße, die in der Weststadt vom Hauptbahnhof in Richtung Bildungszentrum West führt, soll um einen Radweg ergänzt werden. Ilk weiß: „Auch das wird heftige Diskussionen geben, weil dort einige Parkplätze wegfallen müssen.“ Er werde sich aber nicht entmutigen lassen. Das Beispiel Marbacher Straße habe schließlich gezeigt: „Es funktioniert.“ Sollte die Verwaltung auch für die Luther-Straße eine Mehrheit erhalten, wäre die zweite Großbaustelle des 2014 beschlossenen Radroutenkonzepts abgearbeitet. Acht weitere werden noch folgen.