Weil sich der Verkehr häufig staut, soll die B 27 ausgebaut werden. Doch die kritischen Stimmen mehren sich. Foto: Steinert

Erst waren nur die Grünen in L.-E. dagegen, dann bekamen sie Rückendeckung von den Freien Wählern in Filderstadt. Und nun fordern die Grünen im Bund einen Wandel in der Verkehrspolitik. Was bedeutet das für das bereits beschlossene Projekt?

Filder - Der sechsspurige Ausbau der B 27 zwischen Aichtal und dem Echterdinger Ei ist beschlossene Sache. Einhellige Zustimmung für das Projekt gibt es indes nicht. Im Gegenteil. In jüngster Zeit mehren sich die kritischen Stimmen. Dabei geht es vor allem um den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit.

Lange Zeit waren die Grünen in Leinfelden-Echterdingen die einzige Fraktion auf den Fildern, die das Projekt ablehnte. Ende 2019 bekamen sie jedoch Rückendeckung von den Freien Wählern in Filderstadt. Damals verkündete der Vorsitzende Stefan Hermann in seiner Haushaltsrede den Umschwung seiner Fraktion. Nun hat Stefan Hermann an den Filderstädter Oberbürgermeister Christoph Traub geschrieben: Der geplante B-27-Ausbau sei immer wieder Thema. „Wir Freie Wähler bitten dringend um eine Information der Öffentlichkeit über den derzeitigen Stand der Dinge sowie eine Angabe über den mit einer Realisierung der Maßnahme einhergehende Flächenversiegelung auf Filderstädter Gemarkung“, heißt es in seiner E-Mail. Zudem fordert er einen Bericht über „erfolgte oder laufende Bemühungen, eine Reduzierung des Individualverkehrs auf der B 27 durch einen entsprechenden Ausbau des ÖPNV zu erreichen“. Auch wünscht er Berechnungen darüber, wie sich die vermehrte Arbeit im Homeoffice auf die Verkehrssituation auf der B 27 zu Spitzenzeiten auswirke.

Für den Bundestagsabgeordneten ist der Schleichverkehr das Problem

Zeitgleich dringen die Grünen im Bund auf einen Wandel der deutschen Verkehrspolitik. Darüber berichtete unter anderem die Süddeutsche Zeitung. Demnach fordern Partei- und Fraktionsführung ein Moratorium für neue Autobahnen und Bundesstraßen. Die Planungen für Autobahnen und Bundesstraßen müssten grundsätzlich auf die Einhaltung der Klimaziele, Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit überprüft werden, heißt es.

Matthias Gastel ist Bundestagsabgeordneter für die Grünen und hat seine Heimat und seinen Wahlkreis auf den Fildern. Ist er nach der Ankündigung seiner Parteikollegen nun gegen den B-27-Ausbau? „Ich habe den Ausbau der B 27 immer unterstützt. Jedoch nicht, weil ich die Stausituationen an ein oder zwei Stunden am Tag an sich für unzumutbar gehalten habe. Sondern weil ich weiß, dass bei Überlastung immer Verkehre durch die Ortsdurchfahrten ausweichen und insbesondere die Menschen in Bernhausen von diesen Schleichverkehren belastet werden“, antwortet er schriftlich auf eine entsprechende Anfrage unserer Zeitung. Allerdings habe er immer wieder nach flächensparenden Ausbauvarianten gesucht. „So habe ich im Jahr 2018 vorgeschlagen, den Ausbau um nur einen statt zwei zusätzliche Fahrstreifen zu prüfen“, schreibt Gastel.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete konkretisiert: „Neue Straßen auf den Fildern halte ich weder für erforderlich noch für vertretbar.“ Ein Ausbau wie der der B 27 hingegen erhöhe die Aufnahmefähigkeit einer vorhandenen Achse und reduziere Schleichverkehr. Wenn jedoch die Corona-Krise dafür genutzt werden könne, dass es künftig weniger Verkehr gebe, „so sollten wir über die Chancen diskutieren“. Wenn dann noch die Anstrengungen intensiviert werden würden, dass mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen, „können einige Straßen – vielleicht auch die B 27 – ohne zusätzliche Fahrspuren ausreichend aufnahmefähig bleiben. Ich bin gerne bereit, darüber zu sprechen“.

Das Regierungspräsidium ist derzeit mit den Vorplanungen beschäftigt

Für das Regierungspräsidium ist das allerdings kein Thema. Auf Anfrage unserer Zeitung heißt es: „Der Bundesgesetzgeber hat dem Land mit dem 6. Fernstraßenabänderungsgesetzden Auftrag gegeben, die B 27 auf diesem Streckenabschnitt bis zum Jahr 2030 auf sechs Fahrstreifen auszubauen, um eine Entlastung der seit Jahren überlasteten Verkehrssituation zu erreichen.“ Derzeit laufen die Vorplanungen. Dies sei „eine definierte Planungsphase, in der alle für das Planungsziel infrage kommenden Alternativen soweit ausgearbeitet und nach den wesentlichen Kriterien Wirtschaftlichkeit, verkehrliche Wirksamkeit und Umweltauswirkungen verglichen werden“, schreibt das RP. Auf Grundlage dieses Vergleichs werde schließlich die Vorzugsvariante ausgewählt. Teil der Vorplanung sei auch die frühzeitige Information der Öffentlichkeit. Ende November sollen die Menschen sowohl in Filderstadt als auch in L.-E. zum Bürgerdialog eingeladen werden – vorausgesetzt, dass das in der sich verschärfenden Corona-Krise noch möglich ist. Dann will das RP auch die Kostenschätzungen präsentieren.

Bei der Frage der längerfristigen Auswirkungen der Corona-Krise auf den Verkehr verweist das RP auf die MOBICOR-Studie des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg: Diese besagt, dass das alte Mobilitätsniveau schnell wieder erreicht werde – vorausgesetzt, der zweite Lockdown bleibt aus.