Bei der Eröffnung der neuen Filiale im ehemaligen Karstadt-Gebäude war der Kundenandrang eher bescheiden. Vor dem Gebäude gab es Proteste. Foto: Lichtgut/Willikonsky

Citymanagerin Bettina Fuchs und Stuttgarts Marketing-Chef Armin Dellnitz freuen sich über den Neuzugang auf der Königstraße. Doch es gab auch Proteste bei der Eröffnung des Ladens auf der Königstraße davor.

Stuttgart - Primark versucht gerne, schneller zu sein als Mitbewerber in der Textilbranche. Dieser Vorgabe blieb die irische Modekette auch bei der Eröffnung ihrer zweiten Stuttgarter Filiale auf der Königstraße treu. Statt wie angekündigt am Dienstag um 10 Uhr öffnete Deutschlandchef Wolfgang Krogmann fast eine Stunde früher die Türen des ehemaligen Karstadt-Gebäudes. Der offizielle Grund des Frühstarts: Man wolle dem auf die Königstraße verlegten Wochenmarkt nicht ins Gehege kommen. Tatsächlich umschiffte man so auch mögliche Probleme mit den Aktivisten verschiedener Protestaktionen.

Die hatten sich auf 10 Uhr eingestellt und damit den eher bescheidenen Kundenandrang auf die extrem günstige Ware verpasst. Der Preis, die Produktions- und Arbeitsbedingungen und Umweltaspekte sind oft im Fokus der Kritik. Der Schriftzug eines Transparents fasste das zusammen: „Billige Ware durch Hungerlöhne, Kinderarbeit, brutale Behandlung und Regeln der Arbeitskräfte.“ H & M, Primark und Co. seien ein Desaster für Mensch und Umwelt.

Sehen Sie die Eröffnung von Primark und den Protest dagegen auch im Video von StuggiTV:

Es ist en vogue gegen Primark zu protestieren

Auf diesen Protestzug sprang auch der Betreiber des Kaufhauses Mitte im Königsbau auf. Er forderte Primark-Kunden auf, die gekauften Produkte in eine Tonne vor seinem Laden zu klopfen. Den Gegenwert dieser Ware wolle er dann aus eigener Tasche karitativen Zwecken zukommen lassen. Marketinggag oder ein faires Anliegen? „Wir wollen den Leuten eine zweite Chance geben, wenn sie den Kauf bei Primark bereuen“, sagte eine Mitarbeiterin des Kaufhauses Mitte.

Dieser Verteufelung von Primark wollten sich Citymanagerin Bettina Fuchs und Stuttgarts Marketing-Chef Armin Dellnitz nicht anschließen. „Gleichwohl finde ich eine Diskussion über Nachhaltigkeit gut“, sagte Dellnitz bei einem Rundgang über die fünf Etagen auf 8000 Quadratmetern, wo etwa 440 Angestellte (84 in Vollzeit) arbeiten. „Gerade wir in Stuttgart mit all unseren Verkehrsproblemen sollten darüber diskutieren, was ökologisch und sozial sinnvoll ist“, sagte Dellnitz und warnte davor, den Wert von Primark für die Belebung der City zu unterschätzen. Es sei wie damals bei der Eröffnung des Milaneos, so Dellnitz: „Da hatten viele das Milaneo kritisiert. Doch damals wie heute sage ich: Am Tag der Eröffnung ist es dafür zu spät. Jetzt müssen wir die Dinge integrieren.“

Citymanagerin erwartet höhere Frequenz

Bettina Fuchs stimmte den Ausführungen des Marketingexperten zu: „Stuttgart besteht nicht nur aus Wohlhabenden.“ Auch Menschen mit geringerem Einkommen hätten „den Anspruch und das Recht, sich modisch zu kleiden“. Fuchs freut sich über den Neuzugang an der Einkaufsstraße: „Primark ist eine Aufwertung für die Anrainer. Das wird sich nicht zuletzt bei der langen Einkaufsnacht auswirken.“

Auch die Geschäftsleitung von Primark, namentlich Wolfgang Krogmann, warb dafür, die Dinge differenziert zu betrachten. Der günstige Preis komme über die hohen Stückzahlen und den Verzicht auf Werbung zustande. Die Filiale auf der Königstraße wird täglich mit zwei Lastwagen aus den Lagern in Mönchengladbach und Tschechien beliefert, um sie dann über 84 Kassen an den Mann oder die Frau zu bringen. Abermals betonte Krogmann, beide Standorte in der Stadt zu behalten – jene im Milaneo und die doppelt so große Filiale an der Königstraße.

Bei Primark hat man offenbar die Zeichen der Zeit erkannt. Der Konzern betont, dass man nicht um jeden Preis Kasse machen wolle. Auch die Protestaktionen zeigten, dass die Konsumenten kritischer werden. „Wir sind dialogbereit und setzen uns gerne mit den Kritikern auseinander“, sagte Krogmann, der sein Personal in Stuttgart „in 600 Stunden zu ethischen Grundsätzen“ schulte: „Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, die wir beauftragen, haben sich verbessert.“ Freilich gebe es immer noch mehr Fabriken, in denen die Arbeitsbedingungen schlecht seien, als solche, in denen sie gut seien. Allerdings lasse Primark nicht in den schlechten schneidern.

Krogmann rät, genau hinzusehen und bestätigte das, was in der Branche ein offenes Geheimnis ist: Selbst große und angesehene Firmen, etwa auch aus Württemberg, lassen in denselben Fabriken produzieren wie Primark.