Auch in Vereinen gilt es, Kinder vor ungewolltem Anfassen zu schützen. Foto: picture alliance

Ob anzügliche Worte vom Trainer oder intimes Berühren: Immer wieder werden junge Mitglieder Opfer von Übergriffen. Die Württembergische Sportjugend klärt auf und gibt Tipps zur Prävention. Eltern rät sie zum genauen Hinsehen.

Region - Beim Thema sexuelle Belästigung oder Missbrauch in Vereinen denken viele an Kinder. Aber auch Jugendliche sind Opfer: Ein solcher Fall wurde im Juni vor dem Amtsgericht Ludwigsburg verhandelt. Ein 33-jähriger Eishockey-Übungsleiter des SC Bietigheim war während eines Trainingscamps in Tschechien bei einer 14-Jährigen übergriffig geworden. In einer Toilette drückte der stämmige Mann das zierliche Mädchen an die Wand. Er hob die 14-Jährige hoch und fasste ihr an den Hintern. Dem war ein längerer Flirt übers Handy vorausgegangen, den das Mädchen offensichtlich unterschätzt hatte. „Er hat eine Grenze überschritten“, sagt der SC-Jugendleiter Sandro Di Benedetto. Der Übungsleiter habe die Verantwortung für die Spielerin gehabt. Die Grenze sei bereits mit dem sehr anzüglichen Whatsapp-Austausch überschritten gewesen.

Die Mädchenmannschaft, die es erst seit Kurzem gibt, hatte sich jenen Trainer gewünscht. Er hat die neue Gruppe mit aufgebaut, sie vertrauten ihm. Auf das Grapschen im Camp haben die Mädchen sofort reagiert: Die belästigte Spielerin hat sich der Mannschaftskapitänin anvertraut, diese hat den Verein noch aus Tschechien verständigt. Der Übungsleiter wurde gleich nach seiner Ankunft zu Hause entlassen. „Wir haben den Mädchen gesagt, wenn etwas ist, können sie mit allem zu uns kommen“, sagt Di Benedetto. Das Gericht verurteilte den geschassten Trainer zu einer Geldstrafe in Höhe von 4500 Euro.

Präventive Maßnahmen haben nichts genutzt

Präventive Maßnahmen, wie sie die Württembergische Sportjugend vorschlägt, haben in diesem Fall nicht gewirkt. So wird angeregt, von jedem Trainer ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis einzuholen. Das hatte der SC getan. Da der Trainer aber nicht vorbestraft war, gab es keine Hinweise. Grundsätzlich rät die Sportjugend, einen Verhaltenskodex festzuschreiben. Dabei gelte es etwa die Frage zu beantworten, ob Trainer und Spieler sich – wie im Fall geschehen – einen Umkleideraum teilen dürfen. Einen solchen Kodex gibt es in diesem Fall vom Eishockey-Verband. „Den müssen alle Trainer und Übungsleiter unterschreiben“, sagt Di Benedetto. Auch das hat im beschriebenen Fall nichts genutzt. In einen Bewerber hineinschauen könne man nicht.

Dramatische Auswirkungen hatte das beim im Leonberger Verein TSV Höfingen. Auch diesem hat ein vorhandener Verhaltenskodex wenig genutzt: Seit dem Frühjahr muss sich ein bis dahin hoch angesehener 62 Jahre alter Übungsleiter im Tischtennis verantworten: Er soll mehr als zehn Kinder sexuell missbraucht haben.

Pädophiler Trainer beim TSV Höfingen passt in Täterprofil

Er sei ein Mann gewesen, den alle mochten, der sehr engagiert im Verein gewesen sei, sagt der Vorsitzende Ulrich Hoppe. Niemand habe vermutet, dass mit ihm etwas nicht stimme. Mit diesem Verhalten entsprach der Trainer dem typischen Täterprofil: „Im Verein fallen Pädophile oft durch übermäßigen Einsatz auf“, sagt Matthias Reinmann, Referent für Prävention und sexuelle Gewalt von der Württembergischen Sportjugend. Oft sagten viele im Verein: „Der kann so gut mit Kindern.“ Die Täter schafften sich dadurch den perfekten Deckmantel. Umso schwieriger sei es, sie zu erkennen.

Um Trainer und Eltern aufzuklären, tourt die Württembergische Sportjugend mit ihrem Präventionsprogramm durch die Vereine. Im ersten Schritt will man sensibilisieren. „Es geht darum, eine Kultur des Hinsehens zu schaffen“, sagt Reimann. Kommunikation zwischen Eltern, Trainern und Kindern sei dabei wichtig, um Veränderungen frühzeitig wahrzunehmen. Er rät, vor allem die Kinder genau zu beobachten. Eine Verhaltensänderung könne ein Anzeichen für sexuellen Missbrauch sein. Ist ein Kind etwa bisher fröhlich und unbeschwert gewesen und nun total in sich gekehrt, könne dies ein Zeichen sein. Ein klassisches Missbrauchszeichen gebe es allerdings nicht. „Jedes Kind reagiert anders“, sagt Reinmann.

„Nicht jedes Kind ist ein Opfer“

Im zweiten Schritt gehe es darum, die Kinder aufzuklären, was zu tun ist, wenn sie jemand dort anfasse, wo sie es nicht wollen, und wie sie sich dagegen wehren können. „Pädophile suchen sich gezielt Opfer, nicht jedes Kind ist eines“, sagt Reinmann. Außerdem sei es wichtig, mit Kindern früh darüber zu reden, dass so etwas nicht normal ist. Viele sehr junge Missbrauchsopfer könnten nicht einordnen, was mit ihnen passiert ist. Es sei oft der Fall, dass Kinder solche Erlebnisse verdrängten. Bei vielen würde das Erlebte dann erst im Teenageralter mit der Entwicklung der eigenen Sexualität wieder präsent.

Um den sexuellen Missbrauch im Verein aufzuarbeiten, hat sich der TSV Höfingen Hilfe bei einer anderen Organisation geholt: bei Thamar, einer Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt aus Böblingen. Eltern und Kinder werden nun geschult. „Wir achten zum Beispiel jetzt darauf, dass immer zwei Trainer eine Gruppe betreuen“, sagt Ulrich Hoppe. „Hundertprozentige Sicherheit ist aber nicht möglich.“