Alexander Gauland, Bundesvorsitzender der AfD, sieht seine Partei durch den Verfassungsschutz ungerecht behandelt. Foto: dpa

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD öffentlich als „Prüffall“ eingestuft. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags äußert starke Bedenken, dass dies rechtmäßig war.

Stuttgart - Die AfD erhält in ihrem Konflikt mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) argumentative Rückendeckung durch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. BfV-Präsident Thomas Haldenwang hatte im Januar öffentlich mitgeteilt, dass die AfD als sogenannter „Prüffall“ bearbeitet werde. In einem Gutachten auf Antrag der AfD kommen die Parlamentsjuristen zu dem Ergebnis, dass für eine solche öffentliche Bezeichnung einer politischen Partei das Bundesverfassungsschutzgesetz „wohl keine gesetzliche Ermächtigung“ enthalte.

„Aus dem Gutachten geht eindeutig hervor, dass Haldenwang keine gesetzliche Ermächtigung für die öffentliche Bezeichnung der AfD als Prüffall hat“, sagt der AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland. „Er hat folglich seine Neutralitätspflicht verletzt und tief in die Chancengleichheit der Parteien eingegriffen.“ Die AfD hat bereits beim Verwaltungsgericht Köln Klage gegen den Verfassungsschutz eingereicht und fühlt sich nun gestärkt. „Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist eine Ohrfeige für Haldenwang“, erklärt Gauland.

„Prüffall“, „Verdachtsfall“ oder „Beobachtung“

Haldenwang hatte im Januar argumentiert, dem Bundesamt lägen „erste tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine gegen die demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik der AfD vor. Sie werde deshalb überprüft. Das Bundesamt hatte zeitgleich verkündet, dass es die AfD-Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ und die Vereinigung „Der Flügel“ als sogenannten „Verdachtsfall“ einstufe.

Der Unterschied zwischen „Prüffall“ und „Verdachtsfall“ ist wichtig. Beim „Prüffall“ wird geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorliegen. Es dürfen dabei keine nachrichtendienstlichen Mittel eingesetzt, keine personenbezogenen Daten gespeichert und nur öffentlich zugängliche Quellen gesichtet werden. Beim „Verdachtsfall“ ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich - wenn auch eingeschränkt. Beispielsweise ist dann eine Observation gestattet, ebenso das Einholen bestimmter Informationen von Behörden. Die nächste Stufe wäre dann die förmliche „Beobachtung“.

Der Staat hat eine Neutralitätspflicht

Strittig ist nicht, ob die Verfassungsschützer die AfD überprüfen dürfen. Die juristisch heikle Frage ist, ob der Verfassungsschutz als staatliche Behörde berechtigt war, die Öffentlichkeit über die Einstufung der AfD als „Prüffall“ zu unterrichten. In dem zehnseitigen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages werden daran erhebliche Zweifel geäußert. Es spreche „viel dagegen“, dass der einschlägige Paragraf 16 des Bundesverfassungsschutzgesetzes „eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür bietet, die Öffentlichkeit über ‚Prüffälle‘ zu informieren“, heißt es in dem Gutachten vom 12. Februar.

Die Parlamentsjuristen weisen auf den besonderen Schutz von Parteien durch das Grundgesetz hin. Dieses schütze auch davor, „dass staatliche Organe negative Werturteile über die Ziele und Betätigungen einer Partei äußern“. Die öffentliche Kennzeichnung einer Partei als „Prüffall“ des Verfassungsschutzes, so die Bewertung der Gutachter, stelle „einen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien dar“.

Der Wissenschaftliche Dienst ist eine Einrichtung des Bundestags, die unabhängig von Regierung, Fraktionen und Parteien arbeitet. Jeder Abgeordnete des Parlaments kann ihn anfragen und um Einschätzungen bitten. In diesem Fall hatte der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner die Anfrage gestellt.