Die Zufahrt zur Uni-Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Ulm. Eine Krankenschwester wird verdächtigt, hier Frühgeborenen ohne jede medizinische Notwendigkeit Morphium verabreicht zu haben. Foto: dpa/Ralf Zwiebler

Die Verdächtige im Fall von fünf mit Morphium vergifteten Neugeborenen in Ulm bestreitet den Vorwurf des versuchten Totschlags. Wie die Ermittler in der baden-württembergischen Stadt sagten, ist sich die Krankenschwester dennoch in Untersuchungshaft.

Ulm - Die Verdächtige im Fall von fünf mit Morphium vergifteten Neugeborenen in Ulm bestreitet den Vorwurf des versuchten Totschlags. Wie Sprecher von Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag in der baden-württembergischen Stadt sagten, befindet sich die Krankenschwester dennoch seit Mittwoch in Untersuchungshaft. Laut aktuellem Ermittlungsstand gebe es keine Hinweise auf weitere Vergiftungsfälle auf der Neugeborenenstation.

Die Ermittler werfen der Frau vor, fünf Neugeborenen in der Nacht zum 20. Dezember Morphium gegeben zu haben. Keines der Kinder war vor der Tat an eine Infusion angeschlossen. Daher wird davon ausgegangen, dass ihnen das Morphin oral über Muttermilch verabreicht wurde. Die Neugeborenen litten zeitgleich an lebensbedrohlichen Atemproblemen, wurden aber durch den sofortigen Einsatz des Personals gerettet. Spätfolgen seien nicht zu erwarten.

Spritze im Schrank gefunden

Zunächst wurde eine Infektion als Ursache vermutet. Auf die Spur der Krankenschwester kamen Polizei und Staatsanwaltschaft durch Urinproben der Säuglinge, in denen Rückstände des Schmerzmittels Morphium entdeckt wurden. Im Zuge der Ermittlungen durchsuchten Beamte unter anderem Spinde von Mitarbeitern, die im fraglichen Zeitraum Dienst auf der Station hatten. Im Schrank der festgenommenen Krankenschwester fanden sie eine Spritze mit Muttermilch, die Morphium enthielt.

Insbesondere die Untersuchung des Urins der Kinder im Alter zwischen einem Tag und fünf Wochen habe durch den Jahreswechsel und die Feiertage Zeit in Anspruch genommen. Unmittelbar nach Übermittlung der Ergebnisse habe sich die Klinik an die Polizei gewandt. Alle zum Tatzeitpunkt auf der Station eingesetzten Ärzte und Pfleger seien zeitgleich durchsucht worden. In einer ersten Vernehmung hätten alle den Tatvorwurf bestritten.

Die Ermittlungen stehen nach Angaben der Behördensprecher noch am Anfang. Beispielsweise sei noch unklar, ob es einen Fehlbestand im Betäubungsmittelbuch gegeben habe. In diesem werden Entnahmen aus dem Betäubungsmittelbestand dokumentiert. Ebenso müsse geklärt werden, ob durch das Ablegen der Spritze im Spind der festgenommenen Krankenschwester eine falsche Spur gelegt worden sein könnte.

Universitätsklinik in Ulm reagierte bestürzt

Die Universitätsklinik in Ulm reagierte bestürzt auf den Vorfall. „Wir müssen davon ausgehen, dass hier mit krimineller Energie ein Verbrechen verübt wurde“, sagte der ärztliche Direktor der Kinderklinik, Klaus-Michael Debatin, am Donnerstag. Der ärztliche Direktor der gesamten Klinik, Udo Kaisers, entschuldigte sich und kündigte an, dass „hart“ daran gearbeitet werde, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen.

Morphium ist ein stark wirkendes Opiat gegen Schmerzen. Es wird allerdings auch als Beruhigungsmittel eingesetzt. Auf der Neugeborenenstation in Ulm wird das Rauschgift nach Angaben der Ermittler beispielsweise bei Säuglingen drogenabhängiger Mütter benutzt, um Entzugserscheinungen nach der Geburt abzumildern. Bei einer Überdosierung kann das Atemzentrum gelähmt werden.