Noch ein Demofahrzeug, aber bald auf dem Markt: der e.Go-Mover soll Kleinbus oder mit anderen Aufbau als Transporter eingesetzt werden. Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Verspätungen und Ausfälle bei Bahnen und Bussen, die große VVS-Tarifreform – diese Themen bestimmen die Schlagzeilen. Auf der neuen Veranstaltung SSB-vernetzt wagten Experten einen Blick in die Zukunft der Mobilität. Fazit: Es kann unübersichtlich werden.

Stuttgart - Vor dem SSB-Straßenbahnmuseum im Veielbrunnenweg drehte der futuristische e.G-Mover seine Runden, ein elektrisch angetriebener Kleinbus, der 15 Fahrgäste in engen Innenstädten umweltfreundlich und teilautonom transportieren kann. Ende des Jahres soll das universell auch als Kleintransporter einsetzbare Gefährt von der ausgegründeten Firma der RWTH Aachen produziert werden, die auch das elektrische Stadtauto Life herstellt, schon die Post erfolgreich mit Elektroautos versorgt und damit den großen Automobilfirmen eine lange Nase gezeigt hat. Derartige Kleintransporter könnte einmal Teil des öffentlichen Nahverkehrs werden, mit dessen Zukunft sich die städtische Stuttgarter Straßenbahnen AG im150. Jahr ihres Bestehens zum Auftakteiner neuen Veranstaltungsreihe namens SSB-vernetzt beschäftigte.

Doch der öffentliche Personennahverkehr der Zukunft, der draußen so anschaulich gezeigt wurde, blieb beim Expertengespräch drinnen über die vernetzte Mobilität nebulös. Einig waren sich der Verkehrswissenschaftler Professor Markus Friedrich, Michael Münter von der Stadt Stuttgart, Jörg Lamparter von der Daimler AG und die kaufmännische SSB-Vorständin Stefanie Haaks in der Einschätzung, dass es schon in naher Zukunft eine Vielzahl von Mobilitätsformen und -angeboten geben wird. „Wir werden einen extrem gemischten Verkehr haben“, sagte Lamparter: Elektro- und Verbrennungsautos, zumindest teilautonom und herkömmlich gesteuerte Fahrzeuge, Carsharing und gemeinsam genutzte Gefährte, neben dem heutigen Linienverkehr aber auch eine Vielzahl von Miet- und On-Demand-Angebote unterschiedlicher Fortbewegungsmittel vom Lastenrad bis zum Roller. „Weltweit werden täglich neue Mobilitätsformen entwickelt und massenhaft nachgefragt. Auch wir werden sehr viel riskieren und ausprobieren müssen“, sagte Lamparter, der von einer Bedrohung durch global agierende, finanzkräftige Unternehmen sprach, die mit „extremer Aggressivität“ auf den Markt drängten.

Clevershuttle geht in Stuttgart an den Start

Als Beispiel dafür nannte Münter chinesische Anbieter, die momentan europäische Großstädte mit frei ausleihbaren Rädern ohne feste Standplätze überschwemmten. Aber auch der Streik der Taxifahrer mache deutlich, wie stark neue Mitfahrangebote in den bestehenden Verkehrsmarkt eingriffen. Friedrich ging – gestützt auf eine Studie seines Instituts – noch weiter und warf die Frage auf, ob die neuen Mobilitätsangebote nicht zum Rückgang des öffentlichen Verkehrs, beispielsweise der Busangebote, führten: „Das mag für die Kunden gut sein, weil sie attraktivere Angebote bekommen. Ist es aber auch im Interesse der Bürger einer Stadt?“

Der öffentliche Verkehr müsse von der Stadt koordiniert und auf wenige Anbieter beschränkt werden, forderte Haaks, nicht ohne auf den „klaren Auftrag der SSB“ hinzuweisen. „Wenn wir das nicht anbieten, dann wird die Stadt von anderen Anbietern überrollt“. Münter ließ sich vom unerbittlich nachfragenden Moderator Klaus Jankovius (SWR) entlocken, dass es nicht ohne Einschränkungen gehen werde. So werde man den überbordenden, vom Onlinehandel mit kostenloser Rücklieferung ausgelösten Logistikverkehr regulieren müssen, aber auch die diskutierte Nahverkehrsabgabe und die drohenden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge gehörten dazu. Die Stadt zeige sich aber für neue Sharingmodelle offen. So werde demnächst Clevershuttle in Stuttgart an den Start gehen: Das Start up bietet in eigenen Elektrofahrzeugen den Kunden gemeinsame Fahrten an – billiger als eine Taxifahrt.

Vernetzte Mobilität führe nicht zum Chaos

Auch wenn heute noch nicht klar ist, wie die vernetzte Mobilität aussehen wird, waren sich die Experten einig, dass all das nicht zum Chaos führen werde, sondern große Chancen beinhalte. Vor allem Haaks und Münter betonten die gemeinsamen Ziele von Stadt und städtischem Verkehrunternehmen. Nur in einem Punkt gab es Dissens. Münter forderte den Abbau der Hochbahnsteige, Haaks lehnte dies ab.