Werner Rabe, Sebastian Zaiser und Thomas Burghard (v.l.) von der Sillenbucher Feuerwehr prangern die Zustände an Foto: Caroline Holowiecki

Weil viele Wachen alt sind, können Feuerwehren moderne Vorschriften nicht erfüllen. Die Sillenbucher haben das jüngst öffentlich gemacht. Anderswo sieht es auch nicht besser aus.

Filder - Im Sillenbucher Feuerwehrgerätehaus von 1974 ist wenig so, wie es sein soll. Umkleiden fehlen, Parkplätze fehlen, eine Absauganlage für die Abgase fehlt. Das ist nicht nur lästig, vieles wäre in einem Neubau auch gar nicht erlaubt. So ist etwa die sogenannte Schwarz-Weiß-Trennung vorgeschrieben, die besagt, dass verrauchte und verrußte Arbeits- getrennt von der Alltagskleidung und Sozialräumen aufzubewahren ist, damit giftige Stoffe nicht verschleppt werden.

Auch ist im genagelt zugeparkten Magazin die Unfallgefahr groß. Jüngst haben die Sillenbucher diese Zustände in einer selbst gedruckten Broschüre öffentlich gemacht. „Ihre Feuerwehr braucht Ihre Hilfe!“, steht auf dem Deckblatt. Bis der von allen erhoffte Neubau kommt, ändert sich aber: nichts.

Frauen und Mädchen sind nicht geschützt vor Blicken

Eine Sillenbucher Eigenheit ist das alles nicht. Roland Häberle, Kommandant der Vaihinger Wehr, nickt wissend. Auch in seiner Wache gibt es keine Abgasabsauganlage. Auch hier hängen die rund 70 Aktiven ihre Freizeit- neben die dreckige Dienstkleidung. Auch hier ziehen sich Frauen und Mädchen zwischen männlichen Kollegen um und sind mitunter vor Blicken ungeschützt, wenn sich die Tore öffnen. Und die wiederum sind laut Roland Häberle „Schrott“. Das musste er erfahren, als ihm aus vier Metern Höhe ein massiver Metallbolzen auf die Schulter gefallen ist. „Jedem Arbeitgeber wäre man schon lang auf den Füßen gestanden“, sagt er. Bei Bestandsgebäuden greifen viele DIN-Normen indes nicht, demnach hätten alle Abteilungen mit alten Magazinen ähnliche Probleme. „Da frage ich mich als Bürger: Warum kriegt man das nicht in den Griff? Stuttgart ist keine arme Stadt.“ Auf Initiative der Abteilung, die pro Jahr bis zu 280 Mal ausrückt, sind zumindest Fahrradständer installiert worden, damit die Räder der Kameraden nicht mehr im Haus als Stolperfallen herumstehen.

Forderung: Gefahren müssen beseitigt werden

Die Unfallkasse Baden-Württemberg, hiesiger Versicherer für Feuerwehrleute, veröffentlicht Vorschriften und Regelwerke, erstellt Umsetzungspläne und berät Kommunen. „Wichtig ist, dass Gefährdungen für die Einsatzkräfte, etwa durch bauliche Mängel, so schnell und so umfassend wie möglich beseitigt werden, ohne dass der gesetzliche Auftrag der Feuerwehr beeinträchtigt wird“, sagt ein Sprecher. Wo eine Abgasabsauganlage fehle, müsse übergangsweise auf anderem Weg eine Querlüftung erzielt werden – verbindlich, „diese organisatorischen Maßnahmen können Um- oder sogar Neubauten auf Dauer aber nicht ersetzen“.

Markus Kramer, der Vize-Geschäftsführer des Landes-Feuerwehrverbandes mit Sitz in Filderstadt, nimmt Träger und Politik in die Pflicht: „Das sind öffentliche Gebäude, Kommunen und die Gemeinderäte sind verpflichtet, sie auf dem technischen Stand zu halten.“ Er weiß aber auch: Bei rund 1100 Wehren mit mehr als 3000 Häusern im Land ist das trotz üppiger Fördermittel, vom Bund über die Feuerschutzsteuer erhoben, eine Geldfrage. „Der Großteil bleibt an den Kommunen hängen“, erklärt Markus Kramer.

Mindestbreite wird unterschritten

Abweichungen von den Anforderungen der Unfallkasse? In Filderstadt ist das in allen fünf Wachen Standard. Sie stammen aus den 1960ern und 1970ern. Beispiel Harthausen: Weil Halle und Tore zu niedrig für moderne Auto-Normhöhen sind, braucht es teurere Sonderanfertigungen. Eng ist es auch für die 40 Aktiven. Durch fehlende Lager stehen Gerätschaften herum, die Mindestbreite, die um die Autos herum eigentlich zum sicheren Gehen verfügbar sein muss, wird unterschritten. Die Wehr hat Zulauf, es gibt jedoch zu wenige Spinde. Einigen Kameraden bleibt nur ein 30-Zentimeter-Spalt hinter einem Auto, andere haben ihre Kluft in Bäckerkisten verstaut. Der Abteilungskommandant Sven Alt bekennt: „Das ist ein Motivationsproblem.“ Der Stadtbrandmeister Jochen Thorns fügt hinzu: „Es hindert schon an der Dienstausübung.“ Die erhöhte Unfallgefahr durch die beengten Verhältnisse haben Gutachter im Auftrag der Stadt längst dokumentiert.

Man pocht auf ein Gesamtkonzept

Immerhin: Der Filderstädter Gemeinderat hat die Verwaltung im Frühjahr beauftragt, die Planungen für Neubauten in Harthausen und Plattenhardt voranzutreiben. Auch in Stuttgart kommt Bewegung ins Thema. Im Juli hat die Verwaltung im Vorgriff auf die Haushaltsberatungen eine Vorlage präsentiert, die die im Schnitt 50 Jahre alten Wachen in einen Sanierungsfahrplan einteilt. Bei acht seien tief greifende Eingriffe oder Neubauten „unumgänglich“, etwa in Sillenbuch.

In Vaihingen wiederum stehen demnach in diesem oder im nächsten Jahr ein Umbau der Umkleiden und der Einbau einer Absauganlage an. Roland Häberle pocht indes auf ein Gesamtkonzept. Nach seinem Dafürhalten brauche es eine Erweiterung der Halle. „Mit relativ wenig Geld könnte man was bewegen“, glaubt er. „Damit wir einigermaßen rechtskonform unterwegs sind.“