Die britische Designerin Stella McCartney arbeitet schon seit vielen Jahren ohne tierische Materialien. Auf dem Foto sieht man eine Handtasche aus ihrer aktuellen Kollektion aus Lederersatzmaterial. Foto: AFP

Kai Nebel (56), ist Experte für textile Verfahrenstechnik an der Hochschule Reutlingen und beschäftigt sich mit Nachhaltigkeit in der Textilindustrie. Veganes Leder hält er für einen Modegag.

Stuttgart - Nachhaltigkeit ist auch in der Modebranche ein großes Thema. Es wird viel mit neuen, umwelt- und tierfreundlichen Materialien experimentiert. Kai Nebel, Experte für textile Verfahrenstechnik an der Hochschule Reutlingen, kennt sich mit dem Thema aus und ordnet den Trend ein.

Herr Nebel, was halten Sie von veganem Leder?

Für mich ist das in erster Linie ein Modegag und hat mit echter Nachhaltigkeit nichts zu tun. Turnschuhe aus Algen, Handgelenkstäschchen aus Ananasleder – wie viel Schuhe und Taschen braucht der Mensch noch? Die Menschheit hat sowieso zu viele Textilien. Alles moralisch ehrenwert, aber auch ein Geschäft mit dem guten Gewissen.

Aber veganes Leder wird aus pflanzlichem Material hergestellt. Das ist doch tier- und umweltfreundlich.

Das ist richtig, aber alle Naturprodukte sind grundsätzlich biologisch abbaubar und deshalb nicht lange haltbar. Wenn ich am Ende 20 Ananastaschen kaufen muss, ist der Umwelt auch nicht geholfen. Wenn ich eine Tasche aus Leder oder Plastik hingegen 20 Jahre nutze, ist das garantiert nachhaltiger. Und so lange Fleisch gegessen wird, gibt es auch potenzielles Leder.

Immerhin findet ein Umdenken zugunsten des Tierschutzes statt.

Die Produktion von veganem Lederersatz ist momentan noch sehr aufwendig und führt ein Nischendasein. Die Industrieanlagen sind gar nicht auf Naturmaterialien eingestellt. Man braucht immer irgendwelche mechanisch-chemischen Prozesse, damit die Stoffe halten. Da fließt auch Energie rein. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: es gibt tolles Material, zum Beispiel Baumrindenleder. Das wird sehr aufwendig in Uganda hergestellt und kommt bei Möbeln oder auch in der Autoinnenausstattung zum Einsatz. So viel Rinde dieses Baumes gibt es aber gar nicht, um unseren Konsum zu befriedigen.