Foto: AP

Der amerikanische Skifahrer Bode Miller ist zurück und er will in Vancouver die Goldmeidaille.  

Whistler - Noch vor einigen Monaten schien die Karriere von Bode Miller zu Ende. Wenn es an diesem Samstag (20.45 Uhr/ARD) in Whistler um den Sieg in der Olympia-Abfahrt geht, gehört der US-Boy aber doch wieder zu den Favoriten. Weil er zurückkehrte - um Gold zu gewinnen.

Man muss sich an diesen Anblick erst noch gewöhnen. Und ehrlich gesagt: Es fällt verdammt schwer. Da haben sie im Pressezentrum in Whistler das amerikanische Skiteam angekündigt. Und normalerweise, wenn das amerikanische Skiteam angekündigt war, kamen Leute wie Ted Ligety, Marco Sullivan oder Eric Fisher. Der, den aber alle sehen wollten, saß in seinem Wohnmobil, schaute fern oder machte sonst was. Jedenfalls war Bode Miller nicht dort, wo das amerikanische Skiteam war. Doch nun ist plötzlich alles anders.

In Whistler kamen also tatsächlich Leute wie Ted Ligety, Marco Sullivan und Eric Fisher - aber es kam auch Bode Miller. Und zwar so uniform mit den Kollegen, dass man vermuten musste, es wäre ein Double. Ein dunkelblauer Trainingsanzug, weiße Sportschuhe, auf dem Kopf ein - ehrlich gesagt - etwas unvorteilhaftes rotes Stirnband. So kam er: Bode Miller - einer von vielen.

So mutete das an, doch trotz allem Schein: Natürlich ist Bode Miller nicht einer unter Gleichen. Er ist der Mann, der interessiert, er ist der, dessen Rückkehr im vergangenen Jahr keiner mehr vermutet hatte. Und er ist auch derjenige, der nun, zum Ende seiner Karriere, doch noch seinen großen Wunsch nach einer olympischen Goldmedaille erfüllen möchte. "Ich bin heiß", sagt er, "ich will unbedingt gewinnen."

Es wäre die Krönung einer Geschichte, die es so schnell nicht wieder geben wird im alpinen Skizirkus. Vielleicht wird es solch eine Story sogar nie wieder geben. Denn so wie Bode Miller war früher keiner, es ist heute keiner so, und es ist schwer vorstellbar, dass so einer nachkommt. Mehr Unikat geht nicht.

Sein Stil, so unorthodox wie waghalsig, faszinierte die Menschen, seit er in den Weltcup-Zirkus eingestiegen ist. Weil schnell klar war: Der Mann lebt, wie er fährt. Oder andersherum. "Wir brauchen nicht das Mittelmaß", sagt Miller, "wir brauchen die Extreme, sie müssen uns ins Gleichgewicht bringen." Sein Verständnis von einem Leben im Gleichgewicht sah so aus: Statt mit der US-Mannschaft zu reisen, gründete er das "Bode Team America". Er hatte drei Wohnmobile und zwölf Angestellte. Bode war Kult, auch weil es selten so aussah, als habe er das, was er auf den gefährlichsten Rennstrecken dieser Welt so trieb, wirklich unter Kontrolle. Und weil er es doch immer wieder wagte. Sein ehemaliger Trainer sagte einmal über ihn: "Er fährt Ski, wie eine Katze, die man über Glatteis schleudert." Aber Miller muss so fahren - sonst wäre er mit sich nicht im Reinen.

Er sagt: "Es ist besser zu stürzen und den Rest zu Fuß zu gehen, als mangels Fantasie und Mut Zehnter zu werden." Oder auch: "Kontrollierte Läufer bändigen den Berg - schnell Läufer geben ihm die Sporen." Als er zum ersten Mal in Österreich auftauchte, "haben sich manche ältere Menschen bekreuzigt, wenn ich nach dem Lauf an ihnen vorbeiging". Sie vermuteten einen Geist, weil irgendwie klar war: Wer so fährt wie Miller, kann lebend das Ziel nicht erreichen.

Doch das war ein Trugschluss. Miller kam zwar ziemlich oft nicht ins Ziel, wenn er aber unten ankam, war er auch verdammt schnell. Seine Bilanz jedenfalls ist beeindruckend. Zweimal hat er den Gesamtweltcup gewonnen, in vier Disziplinen ist er Weltmeister geworden, zweimal holte er Silber bei Olympia, und bislang ist er der einzige Skirennläufer in der Geschichte, der in allen Disziplinen mindestens fünf Siege gelandet hat. Nur eines hat er nicht: eine Goldmedaille bei Olympia.

Es ist wohl dieser Makel, der ihn zurücktrieb in den Ski-Weltcup, den er noch im Frühjahr quasi fluchtartig verlassen hatte. Er reiste nach Kalifornien, "hing mit meiner Tochter ab", und es gab im Grunde keine Argumente, die ihn zu einer Rückkehr hätten bewegen können. Aber: "Es war eine Auszeit nach zwölf Jahren Skikarriere." Eine Auszeit, kein Rücktritt - auch wenn das viele dachten. Kurz vor der Saison jedenfalls entschied sich Miller zur Rückkehr - in den Weltcup und ins Team der USA. In einer Zeit, in der dem Skizirkus gerade die andere große Attraktion - Hermann Maier - abhandengekommen war, löste diese Nachricht wahre Jubelstürme aus. "Zum Glück fährt Bode weiter", sagte Rainer Salzgeber, der Sportchef von Millers Skifirma, "sonst wäre es eine traurige Geschichte geworden."

Nun könnte es eine grandiose Story werden. Denn Miller hat den Trainingsrückstand immer weiter verringert, in Wengen vor vier Wochen hat er sogar schon wieder ein Rennen gewonnen. "Ich werde immer stärker", sagt er, "ich bin genau da, wo ich gehofft hatte, vor den Spielen zu sein." In einer Form, in der er um Siege kämpft.

Zusammen mit seinen Kollegen - und doch irgendwie allein.