Das Betriebsgelände der Firma Scharr liegt für die Versorgung mit Brennstoffen in großen Mengen nahe der Bahngleise. Foto: Götz Schultheiss

Der Brennstofflieferant Scharr hat vor 136 Jahren mit Kohlehandel begonnen. Nun hat wegen des Klimawandels auch bald Erdöl ausgedient. Trotzdem blickt das Unternehmen optimistisch in die Zukunft.

Vaihingen - Wenn der Aral-See ausgetrocknet ist, dann fahren wir eben mit Esso oder Shell weiter. So könnte die Devise der Leugner des Klimawandels und der Rohstoff-Verknappung lauten. Die Firmenleitung von Scharr, die ihrer Devise „Scharr bringt Energie ins Leben“ zufolge für alles sorgt, was Motoren und Heizungen antreibt, sieht sich angesichts der drohenden Umweltkatastrophe und der deshalb diskutierten CO2-Steuer vor großen Herausforderungen.

Energiewenden sind für uns nichts Neues“, sagt Markus König von der Geschäftsleitung des rund 730 Mitarbeiter zählenden Unternehmens im Synergiepark, das rund 800 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet. Vor 136 Jahren, mit der Firmengründung durch Johann Friedrich Scharr, habe es bereits eine Energiewende gegeben. „Er war Vaihinger Gemeindepfleger und zuständig für den Holzeinschlag. Die Leute haben ihn gebeten, für den moderneren Brennstoff Kohle zu sorgen.“

Mit vielen Produkten steht der Betrieb unter Veränderungsdruck

Die Kohle war der Anfang des Unternehmens, das dann mit anderen Energieträgern Kohle machte. „Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Energiewende hin zu flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen“, sagt Markus König. Damals hätten viele Kohlehändler den Kopf geschüttelt. „Sie glaubten, der Kohlehändler mache sich mit den neuen Brennstoffen selbst Konkurrenz. Energiewenden begleiten uns also von Anfang an“, sagt der Betriebswirt.

Nach und nach gründete sich das Unternehmen auf drei Säulen: Energie und Wärme, Technik und Betriebsstoffe. „In den Wendejahren wurden wir in der ehemaligen DDR mit Flüssiggas aktiv, und mit der Liberalisierung der leitungsgebundenen Energiemärkte Ende der 1990er Jahre kam der Einstieg in den Bereich der Lieferung von Erdgas und Strom, zunächst an Industrie-, dann auch an Privatkunden“, sagt Markus König. Mit der Zeit sei das Angebot immer umfassender geworden. „Wir machen jetzt jede Form von Wärmeanlagen, auch Wärmepumpen, thermische Solaranlagen, Pellet-Heizungen und Fotovoltaik. Weitere Gebiete sind eigene Brennertechnik und Themen wie Energie-Effizienz und Gebäude-Automatisation.“ Mit vielen Produkten stehe der Betrieb nun unter Veränderungsdruck: „Wir haben aber erneuerbare Energien aufgenommen und treiben sie voran.“

Für Immobilien gibt es keine Standardlösung

Im Hinblick auf die Umwelt, führt König aus, dürfe es nicht nur um den Wechsel auf regenerative Energien gehen: „Es ist wichtig, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen.“ Die CO2-Steuer werde sich auf die fossilen Brennstoffe auswirken. „Aber welchen Lenkungseffekt sie haben wird, hängt von ihrer Höhe ab.“ Mit der Mineralölsteuer gebe es ja bereits eine Steuer auf einen fossilen Brennstoff. Wenn man die Energiewende erreichen wolle, dann müsse man im Blick haben, welche finanziellen und technischen Handlungsmöglichkeiten Hausbesitzer hätten.

„Für Immobilien gibt es keine Standardlösung, man muss sich immer den Einzelfall ansehen“, sagt Markus König. Oft sei es gar nicht einfach, Wärmepumpen einzubauen, vor allem dann nicht, wenn diese im Zusammenspiel mit einer Fußbodenheizung effizient arbeiten soll. „Das Ganze muss auch bezahlbar sein“, sagt König. Klar müsse man von fossilen Brennstoffen wegkommen, allerdings seien diese nicht mehr so schädlich wie früher. So sei der Schwefel-Anteil zurückgegangen und es gebe Bio-Heizöl mit zehn Prozent biogenem Öl aus Reststoffen pflanzlicher Produktion.

Schließlich zeigt Markus König ein verschlossenes Glas mit einer klaren Flüssigkeit. Sie sieht aus wie Wasser, riecht aber wie Sprit. „Es ist HVO oder E-Fuel und wird mit erneuerbarem Strom aus Biomasse und CO2 aus der Atmosphäre gewonnen. Damit ist die Flüssigkeit klimaneutral“, sagt König. Die Technik der Herstellung sei schon alt. Dieser Brennstoff sei im Moment aber noch nicht marktfähig; rund zehn Jahre werde es wohl bis dahin noch dauern. „Vieles hängt davon ab, ob die Politik den Rahmen dafür schaffen kann, aber die setzt eher auf Elektroantriebe“, sagt König.

Elektro- und Wasserstofftankstellen sind nur Ansatzweise vorhanden

Gegen Elektroantriebe und Wasserstoff für Brennstoffzellen sei nichts einzuwenden, sagt König. Allerdings werde dafür eine enorme Infrastruktur gebraucht. Diese sei bisher nur in Ansätzen vorhanden, und ihr Ausbau werde viel Zeit in Anspruch nehmen: „Für E-Fuel wäre wie bei der Versorgung mit fossilen Brennstoffen dagegen alles schon vorhanden, von Tankschiffen, Tanklagern bis hin zu Tankanlagen bei den Verbrauchern“, sagt König.

Wer Öl für seine Heizung tanken muss, weil er noch keine Ersatzlösung gefunden und deshalb ein schlechtes Gewissen hat, dem kann König Sündenablass besorgen. Seit 2015 unterstützt Scharr ein von den Vereinten Nationen gefördertes Projekt im Sudan. Durch die Verwendung von Flüssiggaskochern sollen die dortigen Wälder und Dornbuschsavannen vor der Rodung bewahrt werden. Durch die verstärkte Hilfe dort erwirbt Scharr CO2-Zertifikate, mit denen er Haushalte mit Erdölheizung klimaneutral stellen kann. Auch bei den Jazz Open in Stuttgart verfährt Scharr auf diese Weise. Die zu erwartenden CO2-Emissionen des Festivals stellt Scharr mit 400 Flüssiggaskochern für den Sudan klimaneutral.