Ein Bild aus dem Jahr 2013: Damals wurde Joe Biden im Kreise seiner Familie zum zweiten Mal als Vizepräsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Foto: imago/UPI Photo

Im US-Wahlkampf ist das Private immer auch politisch. Joe Biden hat in seinem Leben viel Verlust erfahren. Seine Familie gibt ihm Kraft. Wir stellen die Mitglieder der Familie Biden vor.

Washington - Ehe, Kinder, Familie – es gibt kaum ein Land, in dem diese traditionellen Werte in der Politik wichtiger sind als in den USA. Politiker werden daran gemessen, das Private ist hier immer auch politisch. Das wissen natürlich auch die demokratische Partei und ihr Kandidat für das Präsidentenamt, Joe Biden, der jüngst die US-Wahl für sich entschieden hat und sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchsetzen konnte. Hinzu kommt, dass der 77-Jährige bekanntermaßen ohnehin ein Familientier ist.

So spielten seine Frau Jill, seine Kinder und Enkelkinder auch eine prominente Rolle beim digitalen Nominierungsparteitag der Demokraten im August. Jill hielt eine der wichtigsten Reden, Bidens Kinder Hunter und Ashley stellten ihren Vater in einem Einspieler vor, fünf seiner Enkelkinder sprachen zum Auftakt den Fahneneid und plauderten anschließend über ihren „Pop“, wie sie ihren Großvater nennen.

Wie Bidens Geschichte seine Politik beeinflusst

Die Demokraten positionieren ihren Kandidaten gerne als Anti-Trump: Mitfühlend, menschlich, demütig. Das hat auch mit Bidens Geschichte zu tun: Der 77-Jährige hat in seinem Leben bereits so viele Nackenschläge des Schicksals einstecken müssen, dass es für mehrere reichen würde.

Es war der 18. Dezember 1972, als den damals 30-jährigen Joe Biden ein Anruf erreichte: Seine Frau Neilia habe zusammen mit den drei Kindern einen schweren Autounfall gehabt. Bidens Frau und seine 13 Monate alte Tochter Naomi waren sofort tot. Seine Söhne Beau und Hunter lagen mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. In die Politgeschichte ging das Bild ein, das den frischgewählten Senator Biden bei seinem Amtseid zeigt – am Krankenbett seiner Söhne.

Aus unserem Plus-Angebot: Der späte Hoffnungsträger – Joe Biden im Porträt

Jahrelang pendelte Biden zwischen Delaware und Washington, um sich um seine Jungs zu kümmern. Es sei ein Grund, sagte der 77-Jährige heute, dass er im Politbetrieb von Washington nie den Kontakt zum „echten Amerika“ verloren habe. 1977 heiratete Biden wieder: Die Lehrerin Jill, mit der Biden eine weitere Tochter hat – Ashley.

Amerika ist wie kein anderes Land von der Corona-Pandemie betroffen. Nirgendwo sonst gibt es so viele Tote zu beklagen. Joe Biden weiß, was es heißt, geliebte Menschen zu verlieren. Er, lautet seine Botschaft, könne die Amerikaner trösten, miteinander versöhnen und ihnen einen Weg aufzeigen, „einen Fuß vor den anderen zu setzen und weiterzumachen“, wie es seine Frau Jill formulierte.

Das ist Joe Bidens Familie

Jill Biden: Wer Jill Biden kennt, hebt ihre Wärme hervor, ihren Humor und ihr echtes Interesse an ihrem Gegenüber. „Dr. Biden“ ist eine leidenschaftliche Pädagogin, die ihren Beruf auch dann nicht aufgab, als ihr Mann Vizepräsident in der Obama-Regierung wurde. Jill heiratete Joe 1977. „Ich wurde auf eine Weise Mutter, die ich nie erwartet hatte“, sagte Jill Biden in ihrer vielbeachteten Rede beim Nominierungsparteitag. „Ich habe mich in einen Mann und zwei kleine Jungen verliebt, die vor den Trümmern eines unglaublichen Verlusts standen.“ Mit 26 habe sie vor der Frage gestanden: „Wie macht man eine zerbrochene Familie wieder heil?“ Sie half ihm, seine beiden Söhne Beau und Hunter aufzuziehen und brachte dann 1981 Tochter Ashley zur Welt. Für seine Söhne wurde Jill „Mum“.

Während Joe Biden als Senator zwischen seinem Wohnort Wilmington in Delaware und Washington pendelte, baute Jill eine eigene Karriere als Lehrerin auf - mit zwei Master-Abschlüssen und schließlich einem Doktortitel in Pädagogik. Nach acht Jahren als Frau des Vizepräsidenten ist Jill eine routinierte Wahlkämpferin und Politikergattin, doch es ist ihr wichtig, nicht nur als die „Frau an seiner Seite“ gesehen zu werden: „Lehrerin zu sein ist nicht, was ich tue, es ist, was ich bin“, schrieb sie in ihren Memoiren.

Lesen Sie auch: Jill Biden – mehr als die Frau an seiner Seite

Man kann sich sicher sein: Jill Biden hat genaue Vorstellungen, was sie tun will, sollte sie First Lady werden. Bildung ist natürlich ihr großes Thema. Aber auch Soldatenfamilien liegen ihr am Herzen und der Kampf gegen die Volkskrankheit Krebs ist ihr ein Anliegen, seit ihr angenommener Sohn Beau 2015 an einem Hirntumor starb.

Beau Biden (1969 – 2015): In der Familie Biden hat Joseph Robinette „Beau“ Biden III weiter einen wichtigen Platz. Vor fünf Jahren starb Beau mit nur 46 Jahren an einem aggressiven Hirntumor. Doch die Bidens halten sein Andenken lebendig. Beim Nominierungsparteitag war Beau in einem Einspieler zu sehen, wie er auf dem Parteitag 2012 seinen Vater Joe anmoderierte. „Beau ist nicht länger bei uns, aber wir tragen ihn in unseren Herzen“, sagten seine Geschwister.

Beau Biden wurde 2006 zum Attorney General des Staates Delaware gewählt. 2008 kämpfte er im Irakkrieg.

Beaus früher Tod traf seine Eltern bis ins Mark. „Meine Familie war am Boden zerstört. Ich war am Boden zerstört“, sagte Joe Biden später in einem Interview. Damals entschied er sich, nicht für die Wahl 2016 zu kandidieren. Sein Herz sei nicht dabei gewesen. Beau hinterließ seine Frau Hallie und zwei Kinder, Natalie und Hunter.

„Er hat in 46 Jahren geschafft, was manche von uns in 146 Jahren nicht schaffen“, sagte Präsident Barack Obama auf Beaus Trauerfeier. „Manche Menschen werden niemals erfahren, dass ihre Leben wegen Beau Biden besser sind. Aber das ist in Ordnung. Ruhm war nicht der Grund für Beau, sich dem Dienst an der Öffentlichkeit zu verschreiben.“

Hunter Biden: Es ist ein Klischee, aber Hunter ist so etwas wie das schwarze Schaf der Familie Biden. Er ist das Kind, das seinen Vater immer wieder in Erklärungsnot bringt. Doch Hunter steht zu seinen Fehlern: Er gab beispielsweise öffentlich zu, dass er lange mit Drogenproblemen zu kämpfen hatte und mehrmals in Entzugskliniken eincheckte. „Wie jeder andere, den ich kenne, bin ich gestürzt und wieder aufgestanden. Ich habe wertvolle Dinge getan und Sachen, die ich bereue“, sagte Hunter im vergangenen Jahr in einem Interview mit ABC News.

Einer seiner Fehltritte hatte politische Sprengkraft: Hunters umstrittener Posten im Verwaltungsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma. US-Präsident Donald Trump fror Militärhilfen ein, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dazu zu bringen, die Geschäfte von Hunter zu untersuchen. Die Folgen sind bekannt: Trump musste sich einem Impeachment-Verfahren stellen, einer Amtsenthebung entging er, weil sich seine Partei im Senat vor ihn stellte. Die ganze Sache ließ aber auch Joe Biden nicht ganz glücklich aussehen. Seine Gegner warfen dem früheren Vizepräsidenten Vetternwirtschaft vor.

Auch in Hunters Liebesleben ging es auf und ab: 2015 trennte sich Hunter von Kathleen, seiner Frau und Mutter der drei Töchter Naomi, Finnegan und Maisy. 2016 machte die Familie öffentlich, dass Hunter mit Hallie, der Witwe seines Bruders Beau, liiert war. Was folgte, war eine hässliche Schlammschlacht um Hunters Scheidung von seiner Frau Kathleen. Joe und Jill Biden standen damals zu Hunter und veröffentlichten ein Statement: „Wir sind froh, dass Hunter und Hallie sich gefunden haben, als sie ihr Leben nach einer Zeit tiefer Traurigkeit wieder zusammensetzten. Sie haben unsere Unterstützung und wir freuen uns für sie.“

Wann Hunter und Hallie sich trennten, ist unbekannt. Doch Hunter hat inzwischen eine neue Frau an seiner Seite: Im vergangenen Jahr heiratete er die Südafrikanerin Melissa Cohen – nur sechs Tage, nachdem sich die beiden kennengelernt hatten. Joe Biden dankte seiner neuen Schwiegertochter, „dass du meinem Sohn den Mut gibst, wieder zu lieben.“ Dieses Frühjahr brachte Melissa einen Sohn zur Welt.

Hunter hat sich inzwischen der Malerei zugewandt. Die Kunst „hält mich gesund“, sagte Biden der „New York Times“ Anfang des Jahres. „Über Jahre hinweg hätte ich mich selbst nicht als Künstler bezeichnet. Jetzt fühle ich mich wohl damit, das so zu sagen.“

Politische Beobachter hatten sich gefragt, welche Rolle Hunter in Bidens Wahlkampf spielen werde und ob er eine politische Last für seinen Vater sein könnte. Beim digitalen Nominierungsparteitag der Demokraten war Hunter in einem Einspieler zu sehen – zusammen mit seiner Schwester stellte er Joe Biden, den Menschen, vor.

Ashley Biden: Über die jüngste Tochter der Bidens ist wenig bekannt. Ashley hält sich eher im Hintergrund. Die 38-Jährige ist verheiratet, arbeitete lange für eine Non-Profit-Organisation und hat inzwischen ein eigenes Unternehmen gegründet, das nachhaltige Mode und Wohltätigkeit miteinander verknüpft. Obwohl Ashley die große Bühne meidet, sah man sie vor dem Corona-Lockdown auf einigen von Biden Wahlkampfveranstaltungen. Beim Nominierungsparteitag sprach sie über ihren Vater: „Er wird dir die Wahrheit sagen, auch wenn du sie nicht hören willst. (...) Er behandelt jeden respektvoll, egal wer man ist.“

Die Biden-Enkelkinder: Joe und Jill Biden sind leidenschaftliche Großeltern. Ihre fünf ältesten Enkel – Naomi, Finnegan, Maisy, Natalie und Hunter – spielten beim Nominierungsparteitag eine prominente Rolle. Zum Auftakt der viertägigen digitalen Großevents sprachen sie den Fahneneid.

In zwei Videos sprachen die Biden-Enkelinnen über ihre Großeltern: Ihre Großmutter Jill sei alles andere als gewöhnlich. „Sie spielt gerne Streiche. Wenn sie beim Joggen eine tote Schlange findet, nimmt sie sie mit nach Hause, um jemanden damit zu erschrecken.“ Ihr Großvater Joe, „Pop“ wie sie ihn nennen, telefoniere jeden Tag mit ihnen. Er liebe Eis und esse es heimlich direkt aus der Gefriertruhe, „damit unsere Oma es nicht sieht.“

Bevor Biden seine Kandidatur erklärt habe, habe er sie nach ihrer Meinung gefragt. „Wir haben ihm gesagt, jetzt kandidiere doch endlich. Worauf wartest du?“