Schon bei der Polizei hatte der junge Mann den Angriff gestanden. Foto: StZN/Weingand

Im Rems-Murr-Kreis geht ein junger Mann aus nichtigem Grund auf einen Senioren los – rund anderthalb Jahre später hat das Landgericht Stuttgart ihn verurteilt. Was zu dem milden Richterspruch geführt hat:

Weissach im Tal/Stuttgart - Der Zuschauerraum im Saal 5 des Landgerichts Stuttgart ist voll. „Des ischer? Des dädsch dem gar net zutraua, dass der so bruddal isch“, meint eine Frau im Publikum, als der schmächtige Angeklagte hereinkommt. Doch dass der 20-Jährige am Abend des 23. Juni 2018 im Rems-Murr-Kreis einen Rentner niedergeschlagen und ihm auch dann noch ins Gesicht getreten hat, als dieser schon schwer verletzt am Boden lag, stand durch sein Geständnis und mehrere Zeugenaussagen nie in Frage.

Auch die Verletzungen des Senioren – unter anderem eine mehrfach gebrochene Nase, ein verlorener Geruchssinn und Wochen später eine lebensbedrohliche Hirnblutung – sprechen für sich. „Das war ganz sicher kein minderschwerer Fall“, so die Richterin. Dennoch kam der nicht vorbestrafte 20-Jährige vergleichsweise glimpflich davon: Eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, lautete das Urteil. Für zwei Jahre darf der junge Mann, der öfters Marihuana raucht, sich nichts zuschulden kommen lassen. Er muss an Terminen mit der Drogenberatung teilnehmen und bekommt einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Dieser muss entscheiden, ob der Lehrling auch eine Verhaltenstherapie machen muss.

Privater Stress mündet in heftigen Ausraster

An jenem Abend hatten sich der Angeklagte und ein paar seiner wesentlich jüngeren Freunde auf einem Radweg bei Weissach aufgehalten. Als der Senior deshalb von seinem E-Bike absteigen musste, kam es zu einem kurzen Wortwechsel – und zu dem folgenschweren Ausraster des jungen Mannes. Er sei an jenem Tag geladen gewesen – privater Ärger und die dauernden Absagen von Ausbildungsbetrieben hätten ihn damals aggressiv gemacht, hatte der 20-Jährige ausgesagt.

Immerhin, so das Gericht in seinem Urteil, habe er ohne Zwang aufgehört, auf sein Opfer einzutreten. Damit war er juristisch gesehen von einem versuchten Totschlag zurückgetreten. Im Verhör gab er im Wesentlichen alles zu. Als Freunde ihm über What’s App rieten, „einen auf drogensüchtig zu machen“ lehnte der Gelegenheitskiffer das ab.

Trotz aller Erlebnisse bleibt der 80-Jährige zuversichtlich

Auf Vermittlung seines Anwalts hin begann er stattdessen schon bald damit, seinem Opfer monatlich 200 Euro seines Lehrlingsgehalts zu zahlen. Finanziell wird er an der Tat noch lange zu knabbern haben: Einem Vergleich, nach dem dem 80-Jährigen jetzt noch 20 000 Euro Schmerzensgeld zustehen, hat er zugestimmt. Vor Gericht hatte sich der Täter bei dem Senioren entschuldigt. Der 80-Jährige hatte erwidert, er könne die Schuld zwar nicht von dem jungen Mann nehmen, aber es freue ihn, dass dieser seinen Fehler eingestanden habe.

Eine Jugendstrafe bekommt der zur Tatzeit 18-Jährige, weil das Gericht bei ihm eine Reifeverzögerung sah. Er habe sich nicht von seinem Elternhaus gelöst und umgebe sich mit einem Kreis wesentlich jüngerer Freunde, so die Richterin. Das Strafmaß von zwei Jahren sei im Übrigen das höchste, welches das Gericht noch zur Bewährung aussetzen könne.

Auch dem Opfer wünschte sie zum Abschluss alles Gute – immerhin hatte es den 80-Jährigen merklich aufgewühlt, die Erlebnisse noch einmal Revue passieren zu lassen. Trotz allem, was ihm widerfahren war, zeigte sich der Senior zuversichtlich: „Das wird schon“, sagte er und lächelte, bevor er den Gerichtssaal verließ.