Ex-Premier Renzi scheint große Pläne zu haben. Einer ist offensichtlich, nach dem Urteil des Verfassungsgerichts wieder Ministerpräsident von Italien zu werden. Foto: dpa

Das Verfassungsgericht in Rom hat über das italienische Wahlrecht entschieden – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu Neuwahlen.

Rom - Das italienische Verfassungsgericht hat am Mittwoch das Wahlrecht für teilweise verfassungswidrig erklärt. Das so genannte Italicum ist seit Juli 2016 als Wahlgesetz für die Abgeordnetenkammer in Kraft. Vor allem die Regelungen über die Mehrheitsverhältnisse waren bereits vor dem Referendum Grund für zahlreiche Klagen. Laut Italicum würden der Partei, die 40 Prozent oder mehr bei einer Wahl erreicht, automatisch 340 der 630 Sitze im Parlament zugesprochen werden, also 54 Prozent. Diesen Mehrheitsbonus hat das Verfassungsgericht akzeptiert, auch wenn Kritiker dies als eine unzulässige Machtkonzentration ansehen. Für nicht verfassungskonform hat das Gericht allerdings die Möglichkeit einer Stichwahl erklärt – diese war im Italicum vorgesehen, sollte keine Partei bei einer Wahl 40 Prozent erreichen. Es wird in Italien also weiterhin in nur einer Runde gewählt. Wir beantworten die zentralen Fragen:

Wie geht es nun weiter?

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtes bedeutet noch keine neue Gesetzgebung – diese muss vom Parlament erarbeitet und verabschiedet werden. Zwar hat das Gericht betont, dass mit dem von ihm etwas modifizierten Gesetz sofort gewählt werden könnte, doch das ist in der Praxis sehr unwahrscheinlich. Staatspräsident Sergio Mattarella machte bereits mehrfach klar, dass erst mit einem neuen Wahlrecht die Bürger an die Urnen gerufen werden könnten. Nach dem gescheiterten Referendum über die Verfassungsreform am 4. Dezember, die faktisch die Abschaffung des Zwei-Kammer-Systems bedeutet hätte, gibt es für Senat und Abgeordnetenkammer unterschiedliche Wahlgesetze. Eine sofortige Wahl könnte zu ungleichen Machtverhältnissen führen, die dem Wählerwillen nicht entsprechen. Die Hauptaufgabe des Parlaments besteht nun darin, das Wahlrecht für den Senat und das für die Abgeordnetenkammer wieder aneinander anzupassen.

Wann könnte es Neuwahlen geben?

Turnusgemäß stehen die nächsten nationalen Wahlen in Italien im Frühjahr 2018 an. Sollte es vorgezogene Neuwahlen geben, wird als wahrscheinlichster Termin dafür der 11. Juni gehandelt. An diesem Tag sollen auch in zahlreichen Regionen des Landes Kommunalwahlen stattfinden. Wegen der Sommerpause und den langen Ferien in Italien wäre ein späterer Termin erst wieder im Oktober möglich – was wegen der dann anstehenden Haushaltsverhandlungen allerdings als sehr unwahrscheinlich gilt.

Was wollen die politischen Lager?

Der Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillo hat seine Forderung nach sofortigen Neuwahlen erneut bekräftigt. Auch der Vorsitzende der rechten Lega Nord, Matteo Salvini, spricht sich für schnelle Neuwahlen aus. In der Forza Italia ist man eher zurückhaltend – vor allem Parteichef Silvio Berlusconi würde ein späterer Wahltermin in die Hände spielen. Er wartet noch auf einen Beschluss des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, bei dem der 80-Jährige eine Aufhebung des für ihn aktuell geltenden Ämterverbots gefordert hat. Da er wegen Steuerbetrugs verurteilt ist, darf Berlusconi derzeit für kein öffentliches Amt in Italien kandidieren. Das Urteil wird in diesem Jahr erwartet. Berlusconi hatte bereits mehrfach angekündigt, selbst wieder um das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren zu wollen.

Und wie steht es um den zurückgetretenen Premier Renzi?

Ex-Premier Matteo Renzi ist auch wieder auf der politischen Bühne präsent: Am Mittwoch ist er mit einem neuen Blog wieder in der breiten öffentlichen Wahrnehmung aufgetaucht. Darin ruft er die Bürger auf, nach vorne zu schauen – er selber mache sich auf den Weg in die Zukunft. Anders als viele in seiner Partei, dem Partito Democratico, würde Renzi Neuwahlen bevorzugen. Er interpretiert das Ergebnis des Referendums vom 4. Dezember 2016 nicht als Niederlage sondern als Chance – 60 Prozent der Italiener hatten gegen die Verfassungsänderung gestimmt, 40 Prozent dafür. Diese 40 Prozent sieht Renzi auf seiner Seite. Das Lager des „No“ spalte sich in Anhänger unterschiedlicher Parteien, so die Überlegung. Allerdings muss der 42-Jährige bis zur kommenden Wahl vor allem die eigene Generation von sich überzeugen – von den 18- bis 34-Jährigen hatten nur 32 Prozent für die Verfassungsänderung gestimmt, von den 35-54-Jährigen 37 Prozent. Viele haben ihre Wahl nicht mit dem Inhalt des Referendums, sondern mit der Unzufriedenheit mit Renzi begründet.