Die Notlagen mancher Kunden gingen dem Berater an die Nieren. Foto: dpa

Ein Berater des Job-Centers will Notlagen seiner Kunden mildern, gewährt unzulässige Zahlungen und macht sich dabei der Untreue schuldig. Jetzt hat das Schöffengericht den Verwaltungsfachangestellten verurteilt.

Ludwigsburg - In seinem letzten Wort wandte sich der 36-jährige Angeklagte mit tränenerstickter Stimme an seine frühere Vorgesetzte, die in den Zuhörerreihen saß: „Was passiert ist, tut mir sehr leid“, sagte er. „Es ist aus dem Ruder gelaufen.“ Dafür, dass er in 49 Fällen Kunden des Ludwigsburger Job-Centers Geld gewährte, das ihnen nicht zustand, und sich in zwei Fällen selbst bereicherte, verurteilte das Schöffengericht den Verwaltungsfachangestellten zu einer zweijährigen Haftstrafe.

Sie wurde zur Bewährung ausgesetzt, zudem muss er 3000 Euro an die Lebenshilfe zahlen. Dass er bisher unbescholten war, hielt ihm das Gericht in der Urteilsbemessung ebenso zugute wie die belastend lange Dauer bis zur Verhandlung. Nicht zuletzt berücksichtigten Richterin und Schöffen, dass die meisten seiner Taten von Mitgefühl geleitet waren.

Vor Mitleid fast zerflossen

„Ich habe all die Sorgen und Existenzängste der Leute mitbekommen. Manchmal bin ich vor Mitleid fast zerflossen“, berichtete der Angeklagte über seine damalige Zeit beim Job-Center – die Fälle trugen sich schon in den Jahren 2013 bis 2015 zu. Er sei auf gewisse Weise überfordert gewesen, sagte er. Die einen kamen mit Stromschulden, die anderen wussten nicht, wie sie rückständige Müllgebühren zahlen sollten, wieder andere waren im Mietrückstand und mit dem drohenden Rauswurf aus ihrer Wohnung konfrontiert. Den Berater ließen diese Notlagen nicht kalt: Er bewilligte, je nach Fall, Geldbeträge von rund 200 bis 3500 Euro.

Etwa für einen Existenzgründer, dessen Fall er von einem Kollegen übernommen hatte. Dieser hatte dem Kunden bereits Förderzusagen gemacht; der Angeklagte fühlte sich in der Verpflichtung, Kontinuität walten zu lassen. „Die Geschäftsidee war wirklich gut, und die ganzen Investitionen und Einkäufe waren schon getätigt“, berichtete er. Er habe helfen wollen, damit es etwas werde mit der angepeilten Selbstständigkeit des Kunden – was ja perspektivisch das Job-Center entlastet hätte, so seine Überlegung.

Mit fremdem Geld „als Philanthrop aufgespielt“

In den meisten Fällen hätte der Berater das Geld nur als Darlehen bewilligen dürfen. Stattdessen genehmigte er Beihilfen. „Das Darlehen muss der Kunde zurückzahlen, die Beihilfe nicht“, erklärte eine Mitarbeiterin aus der Prüfungs- und Revisionsabteilung des Landratsamtes, die als Zeugin aussagte. Sie hatte die vom Angeklagten veranlassten Auszahlungen durchforstet, nachdem Unregelmäßigkeiten aufgefallen waren. Oft hätten Unterlagen gefehlt, die Bedingung für Zahlung gewesen wären. Andere Zuschüsse, etwa für eine Waschmaschinenreparatur, habe er eigenmächtig gewährt, obwohl erst ein Bedarfsfeststellungsdienst hätte überprüfen müssen, ob die Reparatur gerechtfertigt sei.

„Sie haben Ihre Befugnisse als Amtsträger missbraucht“, mahnte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Wegen der 49 Fälle sei das Landratsamt auf 35 000 bis 40 000 Euro sitzen geblieben. „Auch wenn es aus einer menschenfreundlichen Motivation heraus war: Es geht nicht, sich mit dem Geld anderer, in diesem Falle des Staates, als Philanthrop aufzuspielen.“

„Ziemlich raffiniertes Vorgehen“

Als schwerwiegender beurteilte der Staatsanwalt indes zwei weitere Fälle, in denen der Mann sich selbst bereichert hatte: Er hatte Zahlungen von 1500 und 800 Euro auf Konten zweier Kunden veranlasst. Auf deren Rückfragen, was für Geld das sei und ob die Überweisungen nicht zu Problemen führten, erklärte er seinen verdutzten Job-Center-Kunden, das seien Fehl-Überweisungen – und gab ihnen für die Rückzahlung seine private Kontonummer. Als „ziemlich raffiniert“ bezeichnete der Staatsanwalt dieses Vorgehen. Er forderte eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren auf Bewährung.

Der Angeklagte, der seine Stelle nach dem Auffliegen der Untreue- und Betrugsfälle verlor, räumte alle Vorwürfe ein. „In diesen zwei Fällen hat er Mist gebaut, aber in den anderen handelte er uneigennützig“, betonte sein Anwalt. „Er wollte Leuten, darunter Familien mit kleinen Kindern, helfen, denen sonst existenzvernichtende Konsequenzen gedroht hätten.“